Rezension über:

Boris Chrubasik / Daniel King (eds.): Hellenism and the Local Communities of the Eastern Mediterranean. 400 BCE - 250 CE, Oxford: Oxford University Press 2017, XXII + 232 S., eine Tbl., 2 Kt., 5 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-880566-3, GBP 60,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Nikolas Hächler
Historisches Seminar, Universität Zürich
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Nikolas Hächler: Rezension von: Boris Chrubasik / Daniel King (eds.): Hellenism and the Local Communities of the Eastern Mediterranean. 400 BCE - 250 CE, Oxford: Oxford University Press 2017, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 1 [15.01.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/01/31330.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Boris Chrubasik / Daniel King (eds.): Hellenism and the Local Communities of the Eastern Mediterranean

Textgröße: A A A

Mit der vorliegenden Publikation illustrieren B. Chrubasik und D. King kulturelle und sozio-politische Konsequenzen, die aus dem Aufeinandertreffen von Griechen und Nicht-Griechen im östlichen Mittelmeerraum zwischen 400-250 v. Chr. resultierten. Gemäss ihrer Einführung (Hellenism? An Introduction, 1-11) dient ihnen der Terminus "Hellenismus" dabei primär als heuristisches Werkzeug, um sich historisch komplexen, im Detail stark divergierenden Phänomenen anzunähern und die vielfach implizite Übernahme, Anpassung und Aktualisierung griechischer Kulturformen, Lebensweisen und Verwaltungspraktiken auf lokaler und überregionaler Ebene in ihrer je eigenen Ausprägung zu beschreiben.

S. Mitchell fragt in "The Greek Impact in Asia Minor 400-250 BCE" (13-28) nach Gründen der Hellenisierung Kleinasiens ab 400 v. Chr. Obschon griechische Städte bereits zwischen 1100-1000 v. Chr. sowie im 7. Jh. v. Chr. an den Küsten von Asia Minor gegründet worden waren, wurde ihr Einfluss lange von demjenigen anatolischer Kulturen überlagert. Als wesentliche Ursache für die Ausbreitung griechischer Kultur identifiziert der Verfasser die politische Situation des 4. Jhs. v. Chr. Um sich ihre Unabhängigkeit gegenüber den Persern zu bewahren, adaptierten zahlreiche Städte Westkleinasiens griechisch geprägte Freiheitsideologien und Verwaltungsstrukturen. In Karien fungierte Maussolos als Katalysator, der mittels Synoikismen ethnische Differenzen zwischen Griechen und Kariern schwächte.

In "Trajectories of Hellenism at Tadmor-Palmyra and Dura-Europos" (29-51) vergleicht T. Kaizer gegensätzliche sozio-politische und kulturelle Entwicklungen der genannten Stadtanlagen. Trotz neuer Entdeckungen, welche bei den 2010 abgeschlossenen Kampagnen in Tadmor-Palmyra sowie bei den seit 1986 durchgeführten französisch-syrischen Expeditionen in Dura-Europos gemacht wurden, bleibt die Quellenlage dafür schwierig. Fest steht, dass die Bedeutung griechischer Kultur in der hellenistischen Kolonie Dura-Europos im Laufe der Zeit abnahm, während sich Tadmor-Palmyra zu einer eindrücklichen Stadt nach griechisch-römischem Vorbild entwickelte. Gründe dafür sieht Kaizer im gezielten Aufbau eines geschickt organisierten Handelsnetzwerks mit überregionaler Bedeutung durch palmyrenische Eliten, während griechische Kulturformen in Dura-Europos nur von einer makedonischen Minderheit gepflegt wurden.

P. Clancier achtet in "The Polis of Babylon" (53-81) auf die Transformationen innenpolitischer Strukturen Babels. So tritt neben die Versammlung der esaĝila (kinis'tu) unter Leitung des šatammu im 2. Jh. v. Chr. eine Bürgerversammlung (puliṭê), die ein epistates präsidierte. Grundlegende Impulse erhielt die Forschung durch die zwischen 1988-1996 erfolgte Veröffentlichung der "Astronomischen Beobachtungstexte" sowie die 2006 publizierten "Babylonian Chronicles of the Hellenistic Period". Entgegen der Annahme, dass sich unter Antiochos III. und Antiochos IV. zwei ethnisch klar zu differenzierende Gemeinschaften mit jeweils eigenen sozio-politischen Strukturen bildeten, ist aktuell davon auszugehen, dass sich die Funktionen politischer Institutionen veränderten. So bestand die Versammlung der esaĝila zwar fort, spielte im durch die Seleukiden geprägten Herrschaftssystem, im Gegensatz zur puliṭê, aber keine Rolle mehr.

B. Chrubasik stellt in "From Pre-Makkabaean Judaea to Hekatomnid Karia and Back Again" (83-109) fest, dass in den genannten Regionen lokale Eliten hellenistisches Kulturgut vor dem Hintergrund bereits bestehender Vorstellungswelten vor Ort zu eigenen Zwecken adaptierten. Über die derart zur Schau gestellte Meisterschaft im Umgang mit der hellenistischen Welt betonten diese Gruppierungen eigene Herrschaftsansprüche in Auseinandersetzungen mit lokalen Konkurrenten. Gleichzeitig stärkten sie überregionale Verbindungen in einer zunehmend globalisierten Mittelmeerwelt. Dieser Prozess resultierte in regional divergierenden und noch weiter zu studierenden Ausprägungen griechischer Kultur.

J. Haubold (Converging Perspectives on Antiochos III, 111-130) beschäftigt sich mit divergierenden Darstellungen Antiochos' III. In SEG 41, 1003,1 wird der König zusammen mit seiner Gattin Laodike in stereotyper Weise als Wohltäter der Stadt gefeiert, da er dieser die von Attalos I. auferlegten Tributzahlungen erlassen hat. Pol. 20,8 zeichnet Antiochos III. dagegen in subversiver Umdeutung des seleukidischen Herrschaftsverständnisses als trunkenen Schürzenjäger. In den "Astronomischen Beobachtungstexten" erscheint der König nach dem Friedensschluss von Apamaea schliesslich in Babylon, wo er den vergeblichen Versuch unternimmt, seine Herrschaft nach dem Vorbild Nebukadnezars neu zu fundieren.

In seinen Ausführungen (Greek and Egyptian Associations in Egypt, 131-154) dekonstruiert M. Paganini ausgehend von der papyrologischen Überlieferung die Vorstellung einer klaren Unterscheidbarkeit von griechischen und ägyptischen Vereinigungen (thiasos, synodos). Anstatt von einer vereinfachenden Zweiteilung auszugehen, scheint es besser, lediglich von privaten Vereinen in Ägypten zu sprechen, die je nach sozialer Zusammensetzung, Vereinsgeschichte oder Intentionen der Mitglieder mehr oder weniger von griechischen oder ägyptischen Ausdrucksformen Gebrauch machten. Dies führe zu einem komplexeren Bild des hellenistischen Ägyptens, das den vergangenen Realitäten deswegen eher gerecht werde.

In "Text and Wisdom in the Letter of Aristeas" (155-176) thematisiert M. Hatzimichali die titelgebende Abhandlung, in welcher die griechische Übersetzung des Pentateuchs begründet wird. Ein Grossteil der Forschung datiert das von einem hellenisierten Juden in Alexandria verfasste Schriftstück in die zweite Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. Der Text oszilliert zwischen Briefliteratur, Historiographie sowie religiöser Apologie; auf inhaltlicher Ebene verwebt der Verfasser jüdische Gelehrtentraditionen mit Konzepten der griechischen Philosophie. Dadurch suchte er günstige Voraussetzungen für die Rezeption jüdischer Schriften in einem hellenistischen Umfeld zu schaffen. Insbesondere sollte der Pentateuch in wortgetreuer griechischer Übersetzung als zur Aufnahme in die Bibliothek Alexandrias würdiges Werk dargestellt werden.

D. King (Medicine between Cultures in the Hellenistic Fayum, 177-194) geht auf die medizinhistorische Überlieferung in Tebtynis ein. Die entsprechenden Papyri lassen sich grob in theoretische Abhandlungen und pharmakologische Rezepte untergliedern. Erstere behandeln Fragen der hippokratischen Medizin, während letztere traditionelle Behandlungsformen dokumentieren, wobei eine wechselseitige Durchdringung feststellbar ist. Griechische Behandlungsmethoden wurden vor Ort offenbar durch ägyptisches Tempelpersonal vorgenommen, womit dieses im Spannungsfeld divergierender Traditionen sowohl als Rezipienten als auch als Förderer griechischer Medizin anzusehen sind.

Die veröffentlichten Beiträge zeigen in eindringlicher Weise auf, dass der Prozess der Hellenisierung ab dem 4. Jh. v. Chr. im östlichen Mittelmeerraum keinem einheitlichen Weg folgte, sondern von unterschiedlichen sozio-politischen und kulturellen Faktoren geprägt war. Dies resultierte in sehr heterogenen Rezeptionsformen griechischer Kultur. Es ist zu hoffen, dass diese anregenden Resultate zu weiteren differenzierenden Studien animieren. Ein knappes Register beschliesst den eleganten Sammelband.

Nikolas Hächler