Leslie Peirce: Empress of the East. How a European Slave Girl Became Queen of the Ottoman Empire, New York: Basic Books 2017, VII + 359 S., ISBN 978-0-465-03251-8, USD 19,99
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Leslie Peirce breitet das Leben und die Einflüsse der ebenso faszinierenden wie kontroversen Gemahlin Suleymans "des Gesetzgebers", Hürrem aus, deren Sklavenname "Freudvolle" oder "Lachende" bedeutet, während sie in den westlichen Quellen Roxolane nach ihrer allgemein akzeptierten Herkunft aus Ruthenien (heutige Ukraine) heißt. Die ausgewiesene Kennerin des osmanischen Harems setzt es sich zum Ziel, eine Biographie aus der Perspektive der ehemaligen Sklavin zu schreiben, eine Pioniertat mit Hindernissen. Hürrem machte den Harem zu einem Ort der Politik, sie hinterließ zahlreiche und bedeutende Stiftungen und formte die Rolle der Frau des Sultans. Ihr Aufstieg von der Sklavin zur freigelassenen Sultansgattin war präzedenzlos und rief viele Neider auf den Plan, die bis heute weithin ihr Bild bestimmen. Der Infragestellung der Diffamierung als fremde "Hexe" stand lange die Quellenarmut zu osmanischen Konkubinen und die Zurückhaltung gegenüber der Frau des Sultans entgegen. Näher betrachtet fehlt es vor allem an beschreibenden Quellen von Augenzeugen; Peirce nutzt daher oft den Konjunktiv, um die zahlreichen Überreste und ausländische Berichte mittels ihrer Kenntnis des Kontextes zum Sprechen zu bringen.
Peirce betont die hervorgehobene Rolle dynastischer Frauen in der frühen osmanischen Gesellschaft. Deren Absonderung in den Harem führt sie auf die gegenüber der Steppe "konservativeren mediterranen Gewohnheiten" sowie die Politik der räumlichen Manipulation zurück, im Rahmen derer sich die Osmanen den Blicken ihrer Untertanen nur selten zeigten. Die Verschickung der Prinzen in ferne Provinzen, wo sie sich als Verwalter und militärische Anführer beweisen sollten, war Prinzessinnen nicht zumutbar. Zudem bestand die Gefahr, dass die Loyalität einer ausländischen Prinzessin mehr ihrer Herkunftsfamilie galt als den Osmanen, die seit etwa 1400 Sklavenkonkubinen für den riskanten Job als politische Muttersuchten. (18)
Neben Loyalität bietet Peirce eine weitere, wenig beachtete Erklärung für die Internationalität des weiblichen Sklavenpools im Alten Palast auf: Als expansives Reich deckten die Osmanen so ihren Bedarf an Kadern, deren Sprach- und Kulturkompetenzen direkte Verhandlungen und Handelsbeziehungen mit einer wachsenden Zahl umliegender Reiche und Staaten ermöglichte (43). Roxolane machte sich durch ihre Briefe an ausländische Potentaten und deren Gemahlinnen verdient.
Mangels gesicherter Informationen über Roxolanes Herkunft beschreibt Peirce den Sklavenhandel und die seit 1486 oft mehrmals jährlich stattfindenden Sklavenjagden der Krimtataren jenseits des Schwarzen Meeres. Sie lässt an deren Brutalität keinen Zweifel, ebenso an der Komplizenschaft der Sultane, die aus der Sklavensteuer hohe Einkünfte erzielten. Peirce kritisiert europäische Beobachter, die vernachlässigten, dass Sklaven auf der Krim nach sieben Jahren entlassen wurden. Dennoch übersieht sie, dass gerade höhergestellte Gefangene der Folter ausgesetzt waren, um Informationen abzupressen, die zu einer höheren Lösegeldzahlung führen sollten. [1] (18-26)
Infolge der narrativen Aufbereitung des Stoffs sind wichtige Einsichten, insbesondere zum Leben als Sklavin im Text versteckt: Eine Konkubine konnte das gesamte Projekt, ein Kind für die Dynastie auszutragen, welche sie versklavt hatte, verabscheuen. Solche Frauen mochte es erleichtern, ihre Identität um ihre Rolle als Mutter herum zu bauen. (91) Sofern Roxolanes Konkurrentin Mahidevran Suleyman - offenbar ein liebenswerter Prinz - eine willige Partnerin war, konnte ihre Partnerschaft nur asymmetrisch sein - musste er sie doch für eine andere verlassen. Andererseits gab es Kompensationen. Die verbreitete Praxis der arrangierten Ehe konnte ihnen am Geburtsort Ehemänner auferlegen, die unattraktiv, deutlich älter oder brutal sein konnten. Meist aus Bauernfamilien stammend, erwartete sie dort tägliche Schwerstarbeit, möglicherweise Armut und früher Tod.
1534 ergab sich eine günstige Konstellation für das ungleiche Paar, die zur offiziellen Erhebung zur vollberechtigten Ehefrau Suleymans führte, ein nur Königinnen vergleichbarer Status. Roxolane konnte nach dem Tod von Suleymans Mutter Hafsa erstmals freigelassen werden, weil eine Heirat nun wenigstens nicht deren Status minderte. Suleyman verlor in Hafsa seine von Kindheit gewohnte Vertraute, die ihm aus der Hauptstadt berichtete. Da der anstehende persische Feldzug lang und gefährlich zu werden drohte, brauchte Suleyman eine Vertrauensperson am Hof und es erschien sinnvoll, sie entsprechend abzusichern. Roxolanes Position war nun bedroht: Der einzige erwachsene Sultanssohn, Mustafa, Liebling der Janitscharen, war der Sohn ihrer Konkurrentin Mahidevran. Konflikte mit Persien hatten schon die Herrschaft eines Sultans frühzeitig beendet. Die Osmanen betrachteten das Ausfechten der Thronfolge unter gleichberechtigten Sultanssöhnen als positive Auswahl des Besten, die allerdings mit dem Tod der Verlierer endete. Diese besondere Konstellation macht ein Ausschöpfen von Roxolanes Handlungsspielraum wahrscheinlich und erfolgversprechend. Das musste bei ihrer wichtigen Funktion im Herrschaftssystem nicht als Liebesentzug geschehen, von dem Botschafter de Busbecq zu berichten wusste, der längst etablierten Erzählung von der gefährlichen "Liebeskrankheit" Suleymans folgend. (113-120)
Die Herrschaftsvorstellungen der Osmanen, in die sich Roxolane einfügte, handelt Peirce anhand des Aufbaus der drei Innenhöfe des Neuen Palasts und der Veränderungen, die Suleyman und Hürrem vornahmen, ab. Nicht ein kolossaler Palastbau zeigte die Macht des Sultans, sondern sein Gebieten über eine große Masse Menschen. Je weiter nach Innen eine Person in den Palast vordringen durfte, desto wichtiger war sie. Der Sultan entzog sich den Augen der Untertanen, wie dies auch andere Bewohner des Harems (des inneren Palasthofes) taten; gleichzeitig nutzte er diese Arrangements zur Überwachung seiner Verwaltung und des Diwans und machte seltene öffentliche Auftritte umso eindrucksvoller. Im dritten, innersten Hof erwarb sich Roxolane dauerhaften Zutritt und Wohnung in einem eigenen Garten, der an den Suleymans grenzte. Das Persönliche, wie es wohl statt "Privates" hier heißen müsste, entging dem Politischen nicht: Im selben innersten Hof fand sich auch die Kaderschmiede für aufgrund körperlicher und geistiger Vorzüge ausgewählte Sklaven, die nach diszipliniertem Training und Schulung in Sprachfertigkeiten, Gesetz und anderen Künsten und Kenntnissen Befehlshaber und Verwalter wurden. Sie heirateten ähnlich ausgewählte und ausgebildete Absolventinnen des Alten Palastes. Machiavelli urteilte, das Osmanenreich sei teils deshalb schwer zu erobern, weil diese Offiziellen nicht korrumpierbar waren. (128-138)
Für die verbreitete Anklage, Roxolane habe hinter der Ermordung des Favoriten, Großwesirs und Sklaven Ibrahim gestanden, finden sich außer allgemeinen Motiven keine Hinweise. Suleyman hatte gute Gründe, sich des mächtigen Großwesirs und Vertrauten zu entledigen. Einen Wesir musste auch ein Sultan vor Gericht stellen, doch war er der Herr über Leben und Tod seines Sklaven. (145-169)
Als Freigelassene und Gemahlin des Sultans stiftete Roxolane 1538 erstmals einen Baukomplex, bestehend aus einer Moschee, einer Grundschule, Medrese, Suppenküche und einem öffentlichen Brunnen. Aus mehreren Gründen war dies ungewöhnlich: Am Hof durfte nur stiften, wessen Loyalität zweifelsfrei der Dynastie galt - etwa Sklaven, die nach langer Ausbildung die Kultur ihrer Eltern vergaßen. Für Konkubinen galt dies in ihrer postsexuellen Phase, wenn sie sich ausschließlich dem Thronfolger widmeten. Roxolane hatte diese Tradition durch die Ehe aufgehoben und stiftete sogar in Istanbul, am "Frauenmarkt". Tatsächlich stellt Peirce die Frage, ob Roxolane die Wohlfahrt speziell von Frauen, Sklaven und einfachen Menschen im Sinn hatte; dafür gibt es zahlreiche Hinweise (240). Das Ziel dieser Stiftung, die Kritiker zu beschwichtigen, erweist sich in den Details der Ausstattung und Verhaltensregeln. Ihre zahlreichen Stiftungen wurden wegweisend für die Politik der Dynastie. (170-194)
Im letzten Teil schlägt Peirce Roxolanes Kritikern das wichtigste Argument für ihren angeblichen Egoismus, der vor den Interessen des Reiches nicht haltgemacht habe, aus der Hand. Mustafa war ein aussichtsreicher Kandidat für den Thron. Als seine Anhänger von seiner Hinrichtung erfuhren, musste Suleyman alles aufbieten, um die Stimmung zu wenden. Daraus abzuleiten, dass er den Einflüsterungen seiner angeblich selbstsüchtigen Ehefrau erlegen sei, hieße die Situation grundsätzlich missverstehen. Zum Auftakt der dritten persischen Kampagne erfuhr der gesundheitlich beeinträchtigte Suleyman vom Großwesir, Mustafa sei von seinen Anhängern zur Absetzung seines Vaters gedrängt worden. In der instabilen außenpolitischen Lage konnte eine dann unvermeidliche innere Auseinandersetzung um die Thronfolge eine Krise der Dynastie heraufbeschwören, bei ungesicherten Grenzen in West und Ost. Für Suleyman stand also alles auf dem Spiel: Sein gesamtes Erbe, die Dynastie und akut die Sicherheit des Reiches. In dieser Situation entschloss er sich, folgert Peirce nachvollziehbar, seinen ältesten Sohn zu opfern.
Sklaven als solche sind nicht das Thema dieses Buches. Ihre Schicksale scheinen nur kurz am Rande der Darstellung auf. Fälle, in denen Sklaven nach Jahrzehnten harter Arbeit, besonders als Galeerensklave, mittellos an ihren Geburtsort zurückkehrten, standen neben dem Leben in Luxus am Hof oder in der Provinz. [2] Peirce ist berechtigterweise bemüht, Roxolane in der Palastwelt zu rehabilitieren, wobei sie Chancen auslässt, die eine ausgewogenere Untersuchung der Wirkungen von Versklavung eröffnen könnte. Doch das ist nicht ihr Ziel.
Leslie Peirce gelingt es auf der Basis ihrer erprobten Expertise und unter Hinzuziehung einer breiten Auswahl von Quellengattungen, entscheidende dunkle Stellen in der gewohnten Darstellung aufzuklären. Ihre entschiedene Parteinahme für die "erste und letzte Kaiserin" der Osmanen, wie sie Roxolane aus guten Gründen nennt, produziert eine Geschichte des Herrscherpaares, die über eine reine Rehabilitierung aus der Perspektive der Frau und ehemaligen Sklavin als Akteur hinausgeht und an Erklärungskraft neben den gewohnten Darstellungen besteht oder diese sogar übertrifft. Wenngleich es in den einzeln auskoppelbaren Kapiteln gelegentlich zu Redundanzen kommt, ist dieses anregende Buch als lesbare einführende Lektüre in die Geschichte des osmanischen Reiches im 16. Jahrhundert zu empfehlen.
Anmerkungen:
[1] Brian J. Boeck: Identity as Commodity. Tournaments of value in the Tatar ransom business, in: Russian History/Histoire Russe 35, 3/4 (2008), 259-266.
[2] Ehud Toledano: As If Silent and Absent. Bonds of Enslavement in the Islamic Middle East, New Haven 2007.
Christoph Witzenrath