Giovanni Messe: Lettere alla moglie. Dai fronti greco-albanese, russo, tunisino e dalla prigionia 1940-1944, Milano: Mursia 2018, 216 S., ISBN 978-88-425-6013-5, EUR 17,00
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Wahrscheinlich haben nur wenige Offiziere eine ähnlich steile Karriere gemacht wie Giovanni Messe. Der spätere Marschall von Italien wurde im Dezember 1883 in einer apulischen Kleinstadt geboren, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und erlernte zunächst ein Handwerk. Doch die Uniform schien ihm größere Chancen für sozialen Aufstieg zu bieten, und so trat er mit 18 Jahren in die Armee ein. Zwischen 1903 und 1905 bewährte sich der Unteroffizier bei einem italienischen Kontingent in China und konnte anschließend die Kriegsschule in Modena besuchen. 1911 erhielt er sein Offizierspatent und diente die nächsten Jahre in Nordafrika. Vermutlich hätte Messe seine Laufbahn als verdienter Truppenoffizier beschlossen, wäre Italien nicht 1915 in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Die blutigen Schlachten in Norditalien boten ihm jedoch reichlich Gelegenheit sich auszuzeichnen, zuletzt als Kommandeur einer Abteilung der Stoßtruppen, der berühmten Arditi. Bei Kriegsende war Oberstleutnant Messe ein gefeierter Kriegsheld, und dieser Ruhm war es auch, der ihm 1923 eine neue Welt eröffnete; vier Jahre lang diente er als Adjutant am Hof von König Viktor Emanuel III.
Mit den Kriegen des faschistischen Regimes gewann Messes Karriere an Fahrt. Er kämpfte als stellvertretender Divisionskommandeur in Abessinien, führte als stellvertretender Kommandeur des italienischen Expeditionskorps seine Soldaten nach Albanien und kommandierte seit Ende 1940 ein Armeekorps an der griechisch-albanischen Front, wo den Italienern ein Debakel drohte. Im Sommer 1941 übernahm Messe das Kommando über das rund 62.000 Mann starke italienische Expeditionskorps in der Sowjetunion und avancierte zum ranghöchsten militärischen Vertreter Italiens an der Ostfront. Messe wollte den Verbündeten beweisen, was das königlich-italienische Heer unter kompetenter Führung leisten konnte, und holte das Letzte aus seinen drei Divisionen heraus. Dennoch erhielt 1942 Generaloberst Italo Gariboldi das Oberkommando über die Armata Italiana in Russia - eine Entscheidung, die Messe nie verwand. Nach heftigen Auseinandersetzungen bat er im Herbst 1942 um seine Ablösung, und so blieb ihm die katastrophale Niederlage der ARMIR im Winter 1942/43 erspart. Im Januar 1943 wurde Messe mit einem neuen Kommando betraut: Als Oberbefehlshaber der 1. italienischen Armee sollte er in Tunesien den letzten Brückenkopf der "Achse" in Nordafrika verteidigen. Und obwohl das Schicksal seiner Divisionen besiegelt war, tat Messe, was er konnte. Die Anerkennung blieb nicht aus; unmittelbar vor der Kapitulation teilte ihm Benito Mussolini seine Beförderung zum Marschall von Italien mit.
Den Sturz des Duce, den Frontwechsel Italiens und die Besetzung seiner Heimat durch die Wehrmacht erlebte Messe in britischer Kriegsgefangenschaft, aus der er im November 1943 zurückkehrte, um das Amt des Generalstabschefs im sogenannten Königreich des Südens zu übernehmen. Damit hatte er eine exponierte Position bei der Befreiung Italiens und bei der Bewahrung der Tradition der königlichen Streitkräfte inne, wobei er für Kontinuität und nicht für Umbruch stand. Im Mai 1945 wurde Messe als Relikt einer vergangenen Zeit abgelöst, dachte aber nicht daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Vielmehr ließ er sich in den Senat und die Deputiertenkammer der neuen italienischen Republik wählen und verteidigte dort das, was er für die Ehre seiner Armee hielt, ebenso mit Klauen und Zähnen wie in seinen autobiographischen Schriften, die zum Teil auch ins Deutsche übersetzt worden sind [1].
Neben Pietro Badoglio, Ugo Cavallero, Rodolfo Graziani und Mario Roatta ist Giovanni Messe der vielleicht bekannteste italienische General des Zweiten Weltkriegs und der einzige, der auf allen Kriegsschauplätzen mit wichtigen Kommandos betraut war. Wenn jetzt die Briefe veröffentlicht worden sind, die Messe zwischen 1940 und 1944 von der Front oder aus der Kriegsgefangenschaft an seine Frau Maria geschrieben hat, liegt eine Quelle vor, die neue Erkenntnisse zu drei Forschungsfeldern verspricht: zur Biographie Giovanni Messes, die nicht nur wegen seiner militärischen Laufbahn, sondern auch wegen seiner Rolle bei der Konstruktion einer verzerrten Erinnerung an die italienischen Kriege seit 1935 von Bedeutung ist; zum Verhältnis von italienischer Generalität und faschistischem Regime sowie zum Innenleben des italienischen Offizierskorps im Zweiten Weltkrieg; zur Operationsführung auf wichtigen Kriegsschauplätzen und zur Realität der deutsch-italienischen Koalitionskriegführung. Tatsächlich enthalten Messes Briefe Elemente zu allen angesprochenen Forschungsfeldern, auch wenn der Gesamtertrag dürftiger ausfällt, als zu erhoffen war. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Messe zwar häufig zur Feder griff und seine Frau Maria nur selten länger ohne Nachricht ließ, sich aber oft mit kurzen Nachrichten begnügte, die überdies von einer sich immer wiederholenden Trias geprägt wurden, neben der wenig anderes Platz hatte: das gute eigene Befinden und die exzellenten Leistungen der von Messe befehligten Truppen; die Liebe zum Vaterland, die Bedeutung der Pflichterfüllung bis zum Ende und lange Zeit auch der Glaube an den Sieg; die Liebe zu seiner Frau und die Verbundenheit mit der eigenen Familie. Freilich ist es nicht ganz einfach, den Quellenwert der Briefe einzuschätzen, da nur eine Auswahl publiziert worden ist und Giovanni Messes Sohn Gianfranco die veröffentlichten Briefe bearbeitet und um Passagen gekürzt hat, die sich vor allem um Privat- und Familienangelegenheiten drehen.
Messe erscheint in seinem Briefen vor allem als Soldat - als Soldat, der sich unter seinesgleichen am wohlsten fühlte, stets den Kontakt zur Truppe suchte, der er - wie sich selbst - alles abverlangte und die er häufig von vorne führte, was für italienische Kommandeure eher ungewöhnlich war. Und Messe erscheint als glühender Nationalist, dem die Ehre Italiens und der Ruhm der italienischen Waffen alles galten. Diese übersteigerte Vaterlandsliebe dürfte auch das wichtigste Bindeglied zwischen Messe und dem Faschismus gewesen sein, der vor allem in der Person Mussolinis präsent ist. Die Aufmerksamkeit und Wertschätzung des Duce empfand Messe als besondere Auszeichnung, die ihn in der Auseinandersetzung mit geradezu verhassten Kameraden wie Generalstabschef Cavallero den Rücken stärkte. An Selbstbewusstsein mangelte es dem Mann aus Apulien dabei nicht, im Gegenteil. Er fühle sich als "Gigant" in dieser Schlacht der Giganten, schrieb er im Herbst 1941 von der Ostfront, in der verweichlichte Zauderer und Möchtegern-Helden nichts zu suchen hätten (125 f.). Der Grat zwischen Selbstbewusstsein und Selbstüberschätzung war schmal, daher reagierte Messe höchst empfindlich auf Kritik oder ungebetene Ratschläge und war zugleich anfällig für Schmeicheleien aller Art. Diese Ambivalenz spiegelte sich auch im Umgang mit den deutschen Verbündeten wider, denen er nichts schenkte, aber mit denen er ebenso loyal wie erfolgreich zusammenarbeitete, wenn sie ihn zu nehmen wussten. Im Sommer 1942 schrieb er sogar - enttäuscht über seine Zurücksetzung durch das eigene Oberkommando -, die Deutschen seien "aufrichtiger als viele Italiener, die ich kenne" (145). Das Umfeld, in dem sich Messe bewegte und in dem er seine Entscheidungen traf, trat oft hinter diese egozentrische Perspektive zurück; Beschreibungen von Land und Leuten etwa in der Sowjetunion oder in Nordafrika sucht man zumeist vergebens. Der besondere Charakter des Kriegs an der Ostfront tritt dem Leser in Messes Briefen in der Weite des Raums und den harten klimatischen Bedingungen entgegen, nicht aber in der brutalen rassenideologischen Stoßrichtung der deutschen Kriegführung und Besatzungsherrschaft.
Die ausgesprochen spärliche Kommentierung der Briefe und die Einleitung aus der Feder von Maria Teresa Giusti, ihres Zeichens Professorin an der Universität Chieti-Pescara, tragen nur unzureichend dazu bei, die Lücken zu füllen und die Fragen zu beantworten, die die Briefe offen lassen. Anstatt etwa Messes Briefe als investigative Sonde zu nutzen, um seine einflussreiche Deutung der faschistischen Kriege als tapferes Ringen einer ehrenvollen Armee zu dekonstruieren, dienen die nach 1945 entstandenen autobiographischen Schriften gleichsam als unhinterfragte Blaupause, um die Briefe in dieses Gebäude einzufügen und sein Fundament zu stärken. Dazu passt, dass Giusti Messes zweite Karriere als (Geschichts-)Politiker nach 1945 auf eineinhalb Seiten abhandelt. Sorgfältige Quellenkritik sieht anders aus, und es bleibt der schale Nachgeschmack einer verpassten Gelegenheit.
Anmerkung:
[1] Giovanni Messe: La mia armata in Tunisia. Come finì la guerra in Africa. Neuauflage, Mailand 2004; Giovanni Messe: Der Krieg im Osten, Zürich 1948.
Thomas Schlemmer