Constance Hoffman Berman: The White Nuns. Cistercian Abbeys for Women in Medieval France (= The Middle Ages Series), Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2018, XVIII + 345 S., 8 Kt., 13 s/w-Abb., 36 Tbl., ISBN 978-0-8122-5010-7, USD 89,95
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Der vorliegende Band "The White Nuns. Cistercian Abbeys for Women in Medieval France" von Constance H. Berman basiert auf umfangreichen Archivstudien, die mehrere Jahre in Anspruch genommen haben müssen. Die beeindruckende Liste an genutzten Archivalien umfasst 3.000 Urkunden, einige Abgabelisten, Inventare, Chartulare und ein Rechnungsbuch und bezeugt die akribische Grundlagenarbeit. Diese unedierten Quellen aus vorwiegend französischen Archiven wurden mit einer ganzen Reihe an edierten Quellen angereichert, darunter weitere Chartulare, die frühen Quellen des Ordens (etwa das Exordium Magnum Cisterciense und die Statuten) sowie regionale bischöfliche und adelige Überlieferung.
Diese Quellendichte ist die Stärke dieser Arbeit. Bermans Umgang mit den Quellen ist ein überraschend traditioneller, sie wertet nach historischer Methode aus und gesteht den pragmatischen Quellen, wie Urkunden, Urkundenbüchern, Rechnungsbüchern, mehr Aussagekraft zu als normativen und historiographischen Texten.
Auf dieser, aufgrund akribischer Recherche dichten Quellenbasis kann Berman ihre bereits in früheren Arbeiten formulierten Thesen zu den zisterziensischen Frauenklöstern untermauern. Ausgangspunkt ist nämlich ein ähnlicher wie in ihren früheren Arbeiten [1]: Die frühe Geschichte des Zisterzienserordens soll neu geschrieben, indem den zisterziensischen Frauenklöstern eine wichtige Rolle in dieser Narration zugestanden wird. Dieses Umschreiben sollte, so Bermans Idee, auf umfangreichen quellenbasierten Untersuchungen zu den Frauenklöstern des Ordens erfolgen. Sie plädiert dafür, den "hyperromanticized view of the Middle Ages as consisting only of strong and knightly men fighting dragons" endlich zu überwinden (xvi).
Das Buch ist in drei Teile mit unterschiedlicher Gewichtung gegliedert. Teil 1 fasst die Forschung zu Zisterzienserinnen in Europa zusammen. Hier liegt ein starker Fokus auf der englisch- und französischsprachigen Forschung.
Der zweite Teil, das Kernstück des Buches, bietet die Ergebnisse aus Bermans umfangreichen Quellenstudien, dabei konzentriert sie sich auf das Erzbistum Sens in Nordfrankreich mit seinen Suffraganen Chartres, Orléans, Auxerre, Troyes, Meaux und Paris. Im Untersuchungszeitraum (1190er-1250) wurden in diesem Erzbistum 25 Zisterzienserinnenklöster gegründet. In den einzelnen Unterkapiteln werden Fallbeispiele untersucht, die Berman nach unterschiedlichen Schwerpunkten generiert. In Kapitel 4-6 stehen die adeligen Gründerinnen von Zisterzienserinnenklöstern, in Kapitel 7 ein einzelnes Kloster (Saint-Antoine-des-Champs) und im 8. Kapitel mehrere Klöster einer Region (Champagne) im Mittelpunkt.
Der dritte Teil ist als Zusammenfassung konzipiert, verbunden mit einem Ausblick und dem Vergleich mit den Gründungen im Erzbistum Sens des 12. Jahrhunderts. Berman fragt sich, warum im 12. Jahrhundert in der Untersuchungsregion nur wenige Zisterzienserinnenklöster gegründet worden sind und kommt zu dem Schluss, dass die Anziehungskraft von Robert von Arbrissel (Fontevraud) und Heloise (Paraclet) größer gewesen sei, als diejenige der Zisterzienser.
Berman bietet einen Personen-, Orts- und Sachindex, der einen schnellen Zugang zur Monographie ermöglicht. Fünf Anhänge wurden bereitgestellt. Hier werden ökonomische Grundbegriffe und die Quellengattung der Urkunden und Urkundenbücher erklärt und Listen mit der Ersterwähnung der Klöster und den festgelegten Größenlimits für Konvente bereitgestellt. Besonders interessant sind die zusammengetragenen Annahmen von Historiker*innen zur Zahl der Zisterzienserinnenklöster, die von ein paar bei Grundmann [2] bis zu 837 bei Fontette [3] reichen - wobei die neuste Schätzung von Williams [4] in den Haupttext (45, Abbildung 2) aufgenommen wurde.
Gut aufgearbeitete Karten (etwa 48, 50, 112, 115, 141, 218) sind ebenso hervorzuheben wie die gelungene Visualisierung genealogischer Zusammenhänge (etwa 52, 75, 92, 161, 193) und Überblickstabellen zu Stiftungen, Schenkungen und Abgaben (etwa 58f., 64, 66f., 84f.).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Berman über den im Titel vermuteten räumlichen und zeitlichen Fokus hinausgeht, indem sie ihre Ergebnisse den Großnarrationen der Ordensgeschichtsschreibung entgegenstellt. Im Grundtenor ihrer Narration wiederholt Berman ihre eigene Forschung. Die zisterziensischen Frauenklöster waren im Orden wichtig und kein ephemeres Anhängsel. Den Regeltexten und den Statuten als normative Quellen sowie den misogynen Stimmen mancher Ordensbrüder vor allem nach 1400 wurde bisher zu viel Gewicht beigemessen. In der Frage der Zuordnung von Frauen- und Männerklöster zum Orden wird immer noch ein doppelter Standard angelegt. Für Männerklöster reicht es aus, dass sie sich zisterziensisch nennen, bei Frauenklöstern müssen für eine in der Forschung anerkannte Ordenszugehörigkeit darüber hinaus noch weitere Kriterien erfüllt sein (z.B. Inkorporationsvermerk in den Statuten, Exemtion aus dem Bistum, Privilegierung durch den Papst).[5]
Weiter konnte Berman zeigen, dass Frauenklöster wichtige ökonomische Akteure waren. Die Äbtissinnen konnten relativ frei und selbstständig agieren und wirtschaftlich bedeutende Zentren aufbauen. Einen neuen Fokus legt das Buch auf die adeligen Gründerinnen von Zisterzienserinnenklöstern. Berman kann zeigen, dass im 12. Jahrhundert in einer Zeit, die durch ein starkes Bevölkerungswachstum gekennzeichnet war, aufgrund von Fehde und Kriegen adelige Männer und vor allem Erben fehlten. Diese Konstellation eröffnete den Frauen größere Handlungsspielräume, die sie für die Gründung, Unterstützung und Leitung von Zisterzienserinnenklöstern nutzen konnten.
Der Idee der spezifisch zisterziensischen Ökonomie, die in den Regeltexten zu finden ist, stellt sie die aus pragmatischen Quellen erarbeitete Erkenntnis über die Flexibilität der einzelnen Häuser, auch der Männerklöster, gegenüber. So ähneln im wirtschaftlichen Bereich die Frauenklöster den Männerklöstern. Die Unterschiede liegen darin begründet, dass die Frauenklöster Laienschwestern und weniger Laienbrüder beherbergten. Die ausfallende Arbeitskraft wurde durch Lohnarbeit und Verpachtung ausgeglichen. Die Nonnen nutzten ebenso wie die Mönche Schriftlichkeit, um ihr Kloster zu organisieren und Herrschaft auszuüben. Klöster unterschieden sich weniger aufgrund eines Geschlechteraspektes, sondern vielmehr durch andere Faktoren, etwa Reichtum oder Gründungsumstände.
Julia Bruch