Rezension über:

Giorgio Riello / Ulinka Rublack (eds.): The Right to Dress. Sumptuary Laws in a Global Perspective, c. 1200-1800, Cambridge: Cambridge University Press 2019, XVIII + 505 S., 58 s/w-Abb., eine Kt., eine Tbl., ISBN 978-1-108-47591-4, GBP 95,00
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Rezension von:
Cornelia Aust
Universität Bielefeld
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Cornelia Aust: Rezension von: Giorgio Riello / Ulinka Rublack (eds.): The Right to Dress. Sumptuary Laws in a Global Perspective, c. 1200-1800, Cambridge: Cambridge University Press 2019, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 10 [15.10.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/10/32928.html


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Giorgio Riello / Ulinka Rublack (eds.): The Right to Dress

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Obwohl es sich bei der Erforschung spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Aufwands- und Kleiderordnungen nicht um ein neues Forschungsfeld handelt, so sind doch viele Studien regional oder lokal begrenzt oder bewegen sich im Rahmen der Nationalgeschichte. Selbst bei so relativ umfassenden Werken wie Alan Hunts klassischer Arbeit zur frühneuzeitlichen Aufwandsgesetzgebung mit einem Schwerpunkt auf England [1], die häufig allgemein zur Erklärung dieser Gesetzgebung herangezogen wird, ergibt sich das Problem der Übertragbarkeit auf andere geografische Kontexte, selbst innerhalb Europas.

In dem vorliegenden Sammelband versuchen die Herausgeber und Herausgeberinnen die Entwicklung von Aufwands- und vor allem Kleiderordnungen als globales Phänomen in den Blick zu nehmen und "to evaluate their [sumptuary laws] differing nature, functioning and socio-economic consequences across the early modern world" (4f.). Hier wäre allerdings entweder in der Einleitung oder in den einzelnen Beiträgen, die einen Zeitrahmen vom 13. bis zum 18. Jahrhundert abdecken, eine kurze Diskussion, was Frühe Neuzeit eigentlich außerhalb des europäischen Kontextes - also zum Beispiel in Westafrika, Japan oder China - bedeutet, wünschenswert gewesen.

Die 18 Aufsätze des Bandes sind in vier Teilbereiche gegliedert. Unter der Überschrift "Sumptuary Laws in Medieval and Early Modern Europe" werden der deutschsprachige Raum, die Niederlande, England und Schottland, Schweizer Städte und Schweden behandelt, während die Aufwands- und Kleidergesetzgebung in Italien, mit Schwerpunkten auf Bologna, Mailand und Padua, einen eigenen Teilbereich darstellt. Der dritte Teil des Bandes beschäftigt sich mit den europäischen Seemächten und ihren Imperien. Hier finden sich Überblicksdarstellungen sowohl zu den Aufwandsordnungen der Frühen Neuzeit in Spanien und Portugal, als auch zu kolonialer Gesetzgebung in Batavia, Spanischamerika und der Karibik und Nordamerika. Im letzten Teil des Bandes sind Beiträge zu weiteren frühneuzeitlichen Reichen - Russland, dem Osmanischen Reich, Ming China, Tokugawa Japan und den westafrikanischen Reichen Benin und Dahomey - vereint.

In ihrer Einleitung heben Giorgio Riello und Ulinka Rublack hervor, dass ihnen vor allem daran liege, die Ansicht zu revidieren, Kleidung sei im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, zumindest unterhalb des Adels und sehr wohlhabender Bürger, etwas Statisches gewesen, das Menschen - auch durch Kleiderordnungen - einen klaren Platz in der sozialen Hierarchie zuwies (3). Im Gegenteil würden Aufwands- und Kleiderordnungen "not only tell us about a normative system, but also index a dynamic world of consumer goods and bodily practises that provided a map for social ascent and expression" (7). Die Einleitung bietet gleichzeitig einen breiten Überblick über die bisherige Forschung und verschiedene Themengebiete. Ausgehend von klassischen Fragen nach der Funktion von Aufwands- und Kleiderordnungen sowie deren Umsetzung und Sanktionierung über Fragen materieller Kultur oder der Geschlechtergeschichte bis hin zur Bedeutung von Kleiderordnungen für die Herausbildung ethnischer Differenz und nationaler bzw. globaler Identitäten eröffnet sie so ein breites thematisches Tableau.

Die einzelnen Beiträge, die zum großen Teil als Überblicksdarstellungen angelegt sind, bieten einerseits Teilstudien zu einzelnen Staaten oder geografischen Räumen und machen damit viele Forschungsergebnisse zugänglich, die nicht auf Deutsch oder Englisch vorliegen. Andererseits sind sie durch den Bezug auf ähnliche Fragenkomplexe wie Motivation und Umsetzung von Aufwandsordnungen, die Rolle von Gender und sozialer Differenz und die Zunahme von Konsum in der Frühen Neuzeit eng miteinander verzahnt.

Gleichzeitig zeigen die Beiträge die regionale Vielfalt von Aufwandsordnungen. So arbeitet zum Beispiel Maria Hayward in ihrem Beitrag zu englischen und schottischen Aufwandsordnungen heraus, dass die ersteren fast ausschließlich an Männer adressiert waren, die letzteren sowohl an Frauen als auch Männer. Für italienische Städte weisen sowohl Maria Giuseppina Muzzarelli als auch Luca Molà und Giorgio Riello auf die wichtige fiskalische Funktion von Aufwandsordnungen hin.

Hervorzuheben ist der ausgezeichnete Aufsatz von Rebecca Earle zu Aufwands- und Kleiderordnungen im kolonialen Spanischamerika, die mit einem körpergeschichtlichen Ansatz vor allem auf das transformative Potenzial von Kleidung im kolonialen Kontext hinweist. Das Tragen der "falschen" Kleidung führe nach Auffassung der Zeitgenossen eben nicht nur andere in die Irre, provoziere Unordnung, und sei verschwenderisch und unmoralisch, sondern könne die "transnaturing power" von Kleidung aktivieren und die Körper ihrer Träger und Trägerinnen verändern (344f.). Für den außereuropäischen Kontext zeigt BuYun Chen, dass Aufwandsordnungen in der chinesischen Ming Dynastie (1368-1644) vor allem dazu dienten, mit der Macht über Symbole und die Herstellung rituellen Wissens die Ming Herrschaft zu stärken. In Tokugawa Japan (spätes 17. und frühes 18. Jahrhundert) dagegen, so Katsuya Hiramo, habe Mode ähnliche Funktionen erfüllt wie im frühneuzeitlichen Europa. Für Stadtbewohner ein Feld der Innovation und des aufwendigen Konsums, sei Kleidung zunehmend zu einem unzuverlässigen Signifier geworden. Der Aufsatz von Toby Green zu Aufwandsordnungen im vorkolonialen Westafrika - den Königreichen Benin und Dahomey - führt Möglichkeiten eines globalen Ansatzes vor. Green zeigt, dass in beiden Fällen vor allem die Kontrolle des Handels zentral war und dass die Beschränkung von Konsum strikte soziale Trennungen aufrechterhalten sollte. Mit Zunahme des Handelsvolumens wurden anders als in Europa die Aufwandsgesetze zunehmend strenger. Auch wenn, so der Autor, man im Fall von Benin nicht von Aufwandsgesetzen im europäischen Sinne sprechen könne, so habe die Kontrolle über den Handel doch eine ähnliche Wirkung auf das soziale Gefüge der Gesellschaft gehabt.

Es kann im Rahmen der Rezension nicht auf alle Beiträge eingegangen werden, doch es spricht sicherlich für die Qualität des Bandes, dass der Rezensentin nur bleibt auf bedauerliche Lücken - die sich aber in jedem Sammelband finden lassen - hinzuweisen, so das völlige Fehlen des ostmittel- und südosteuropäischen Raumes, während Italien gleich mit drei Beiträgen vertreten ist. Was den globalen Rahmen betrifft, könnte man fragen, warum weder das Safawiden- noch das Mogulreich mit ihrer großen politischen Bedeutung in der Frühen Neuzeit vertreten sind. Dies soll aber mehr Anregung als Kritik sein, da sich Sammelbände natürlich immer beschränken müssen.

Insgesamt verdeutlicht der Band das hohe Maß an Diversität innerhalb der Aufwands- und Kleidergesetzgebung sowohl in Europa als auch darüber hinaus was die Motivationen, Zielgruppen und angedrohten Sanktionen betrifft. Die Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Ordnung und Distinktion waren in den Augen der jeweiligen Gesetzgeber zentral, allerdings unterstreichen die Beiträge, dass fiskale Motive und die Zulassung bestimmter Luxusgüter ein enger Bestandteil dieser Gesetzgebung waren. Gleichzeitig blieb deren Effizienz meist relativ beschränkt, sie war nur eines von vielen administrativen Instrumenten frühneuzeitlichen Verwaltung. Vor allem aber wirkte sie, wie der Band überzeugend zeigt, stimulierend auf modische Innovationen und Konsum und zwar weit über die sozialen Oberschichten hinaus.


Anmerkung:

[1] Alan Hunt: Governance of the Consuming Passions: A History of Sumptuary Law, Basingstoke 1996.

Cornelia Aust