Siegfried Suckut: Blockparteien und Blockpolitik in der SBZ/DDR 1945-1990, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2018, 173 S., 17 s/w-Abb., ISBN 978-3-96023-196-7, EUR 16,00
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Siegfried Suckut hat sich über Jahrzehnte hinweg zu Themen der Parteiengeschichte und der Blockparteien in der DDR, insbesondere zur CDU geäußert; er muss als einer der besten Kenner dieser Thematik gelten. Er fragt in der vorliegenden Arbeit vor allem nach Rolle und Funktion der kleineren Blockparteien im DDR-Sozialismus vor dem Hintergrund der führenden Rolle der SED, die er - wenig überzeugend - gar nicht zu den Blockparteien zählt. Sein Hauptaugenmerk liegt naturgemäß auf der CDU, denn sie war die stärkste DDR-Partei nach der SED. Waren diese Parteien, wie es die Blockflöten-These besagt, nur willfährige Exekutivorgane der SED, ohne wirklich eigenes Profil und ohne echten Anspruch auf Teilhabe an der politischen Macht? Oder gab es gar einen konkurrierenden Machtanspruch gegenüber der SED? Für die ersten Jahre nach der Gründung der DDR galt Letzteres im Blick auf die "bürgerlichen Parteien" CDU und Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) durchaus, wie er in seinen ersten beiden Kapiteln zeigen kann.
Suckut unterteilt den Untersuchungszeitraum in die drei bei dieser Thematik gängigen Perioden: Die erste von 1945 bis 1952, in der die "bürgerlichen Parteien" unter großen persönlichen Opfern um Unabhängigkeit und Eigenständigkeit gegenüber dem von der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED gemeinsam ausgeübten Gleichschaltungsdruck rangen. Im Blick auf die CDU endete diese Phase mit deren vorbehaltloser Anerkennung des Führungsanspruchs der SED im Oktober 1952. Auf diesem Zeitraum liegt ein Schwerpunkt der Darstellung.
Es folgt die Phase von 1952 bis Mitte der 1980er Jahre, in der die 'gesäuberten' bürgerlichen Parteien im Wesentlichen ohne eigenen Machtanspruch als Erfüllungsgehilfen bzw. Ausführungsorgane der SED-Politik agierten und sich nach Weisung der SED als Transformationsriemen gegenüber solchen Bevölkerungsschichten bewähren sollten, die die Staatspartei selbst ideologisch nur schwer erreichen und gewinnen konnte - vor allem christlich und kirchlich orientierte Bürger und selbstständige Handwerker. Diesen Auftrag erfüllten die Blockparteien allerdings nur unzulänglich, weshalb es etwa im Blick auf die Kirchenpolitik seit Mitte der 1970er Jahre die SED selbst übernahm, kirchenleitende Persönlichkeiten als Multiplikatoren für den DDR-Sozialismus zu vereinnahmen - allerdings ähnlich wenig erfolgreich wie die bislang dafür zuständige CDU. Letztlich war der Blick der SED auf die "befreundeten Parteien" immer von unterschwelligem Misstrauen geprägt.
Als Auffangbecken für landwirtschaftlich Tätige war auf Weisung und unter massiver Mitwirkung der SED 1948 die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) entstanden. Als Ansprechpartner für ehemalige NS-Sympathisanten und Wehrmachtsoffiziere hatte die SED im selben Jahr die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) ins Leben gerufen und beiden Parteien ohne jede demokratische Legitimation Sitz und Stimme in den parlamentarischen Gremien zugewiesen. Beide Parteien finden in Suckuts Darstellung verständlicherweise nur geringe Berücksichtigung.
Schließlich die dritte und letzte Phase der DDR-Blockpolitik, in der sich im Gefolge von Gorbatschows Reformpolitik und der Umbruchprozesse in Polen und Ungarn wichtige Vorboten des radikalen Wandels zeigten, die schließlich innerhalb weniger Monate zum Ende der Blockparteien in der DDR überhaupt führten. In ihnen wuchs der Druck der Mitglieder auf ihre Leitungen, sich von der Last der SED-Dominanz zu befreien und eigenes Profil zu zeigen, zumal ganz offensichtlich die SED ihre verfassungsmäßig garantierte Führungsrolle nur noch unzulänglich wahrnahm.
In der CDU war es insbesondere der "Brief aus Weimar" vom September 1989, mit dem vier Kirchenleute als Sprachrohr der Mitgliedschaft im Blick auf die Vorgänge in der Sowjetunion innerparteiliche, aber auch gesamtgesellschaftliche Reformen in den Bereichen der Wirtschaft, der Medien, des Reisens anmahnten und vor allem die Lösung aus der Vormundschaft der SED forderten. Parteichef Gerald Götting, der den im Gang befindlichen Aufbruchprozessen starrsinniger gegenüberstand als etwa LDP-Chef Manfred Gerlach, versuchte den Brief in der Partei zu unterdrücken, was aber letztlich zu seinem Sturz führte. Suckut misst dem Brief und dem ihm Mitte Dezember folgenden Sonderparteitag der CDU quantitativ und qualitativ zu geringe Bedeutung bei. Zwar sprang die CDU mit dem Weimarer Brief und dem Sonderparteitag eher auf einen bereits in Fahrt befindlichen Zug auf. Und natürlich kam die Einleitung der "Wende" nicht aus den kleineren Blockparteien, sondern aus den alternativen Zirkeln und Oppositionsgruppen, die im weiteren Verlauf zum Teil zu Parteien mutierten. Dazu kamen der massenhafte Unmut und die Verweigerung der DDR-Bürger, die die Scheindemokratie der SED längst als Diktatur enttarnt hatten. Immerhin müssen der Weimarer Brief, der einen ähnlichen Vorläufer in einem Schreiben der CDU-Ortsgruppe Neuenhagen an den Parteivorstand bereits im Juni 1988 hatte und der Sonderparteitag als die entscheidenden Reformdokumente bzw. -vorgänge innerhalb der Ost-CDU gelten. Beide setzten eine völlige Neuorientierung der Partei in Gang.
Unter ihrem neuen Vorsitzenden Lothar de Maizière kehrte sie sich vom Sozialismus als einer "leeren Hülse" ab, und bekannte ihre Mitschuld an den politisch-ideologischen Verwerfungen in der DDR. Zugleich sprach sie sich für demokratische, pluralistische, marktwirtschaftliche und rechtsstaatliche Strukturen auf christlicher Grundlage aus und ließ den Wunsch nach deutscher Einheit erkennen. Mit ihrem offiziellen Austritt aus dem "Block" am 4. Dezember 1989 besiegelten CDU und LDP das Ende der Blockpolitik in der DDR überhaupt. Mit diesen Optionen ging die CDU im Bündnis mit den vom alten DDR-Sozialismus unbelasteten Kräften Demokratischer Aufbruch und Demokratisch-Soziale Union als klare Siegerin aus der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 hervor und konnte unter dem neuen Regierungschef de Maizière und mit tatkräftiger Unterstützung der Regierung Kohl den Weg in die deutsche Einheit gehen.
Die Frage nach dem Verhältnis der kleineren Blockparteien, insbesondere der "bürgerlichen" Parteien und vor allem der CDU zur SED, behandelt Suckut angemessen ambivalent. Ein Anhänger der Blockflöten-These ist er keineswegs, dafür sieht er bei ihnen - offensichtlich bei der LDPD mehr als bei der CDU - zu viele Beispiele für ein gewisses Maß an Eigensinn, worauf er auch in früheren Arbeiten schon hingewiesen hat. Dabei kommt es auf die Differenzierung zwischen der Funktionselite der Partei und Kräften an der Basis an. So muss man an neuralgischen Punkten der DDR-Geschichte wie dem Aufstand am 17. Juni 1953, dem Mauerbau oder der Solidarność-Krise eine klare SED-Gefolgschaft und -Loyalität der CDU-Leitungsebenen konstatieren - nicht unbedingt immer gleichzusetzen mit Staatskonformität, während sich an der Basis der Partei zum Teil massiver Unmut regte.
Gleichwohl weist Suckut zu Recht darauf hin, dass die kleineren Blockparteien durch ihre massenhafte Mitarbeit in Ausschüssen der Nationalen Front, durch Ehrenamtsfunktionen im sozialistischen Dienst, durch weitgehende Akzeptanz der von der SED provozierten Entfernung von Christentum und Kirchen "ein höheres Maß an Systemloyalität bewiesen, als die übrige Bevölkerung" (180).
Suckut hat keine neuen Forschungsergebnisse geliefert, die auf bisher unbekannten oder unzulänglich ausgeschöpften Quellen basieren; das war auch gar nicht seine Absicht. Aber er hat den bislang erreichten Forschungsstand, zu dem er ja über Jahrzehnte maßgeblich beigetragen hat, erschöpfend, stringent und sprachlich anspruchsvoll zusammengefasst und zugleich zu weiteren Forschungen angeregt; so weist er etwa auf den im Bundesarchiv noch der endgültigen Erschließung harrenden Bestand "Vorläufig SED" hin. (10) Diesem mag es vorbehalten bleiben, den einen oder anderen Akzent zur Rolle und Bedeutung der Blockparteien hinzuzufügen oder zu modifizieren. Das generelle Urteil über diese als willfährige, allerdings im Ursprung dazu gezwungene Erfüllungsgehilfen der SED-Politik wird das nicht substanziell verändern.
Manfred Agethen