Michael D. Barbezat: Burning Bodies. Communities, Eschatology, and the Punishment of Heresy in the Middle Ages, Ithaca / London: Cornell University Press 2018, XII + 271 S., ISBN 978-1-5017-1680-5, USD 55,00
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Dieses Buch greift ein interessantes Thema aus der Häresieforschung auf, indem es die Verbrennungsstrafe in den Fokus des Forschungsinteresses rückt. Nach einer Einleitung, in der Barbezat den aktuellen historischen Diskurs zwischen den Polen derjenigen entfaltet, die an eine tatsächliche Existenz konkreter, heterodoxer Gruppen glauben, und jenen, die die Häresien vor allem für Imaginationen einer (zumeist klerikalen, gebildeten) Elite halten, gliedert er das Buch in sieben Hauptkapitel. Den für die zentrale Argumentation wichtigen Ausgangspunkt bilden dabei die ersten beiden Kapitel, in denen zunächst die Metapher von der für Gott (und analog zu Gott) entflammten Gemeinschaft der Christen in ihren Grundlagen beleuchtet wird. Zudem geht Barbezat auf das in der mittelalterlichen Exegese in diesem Zusammenhang entscheidende Gleichnis Jesu vom Weizen und vom Unkraut aus Mt 13 ein, demzufolge der Herr das vom Feind unter die gute Saat gesäte Unkraut bei der Ernte (und damit am Jüngsten Tag) sammeln und verbrennen lassen werde. Die hierin liegende Toleranz gegenüber den Bösen, die Jesu Wort und Gottes Willen entsprechend mit den Guten zusammen und mit diesen gemeinsam wachsen sollten, um dem göttlichen Urteilsspruch schließlich erst bei der Ernte allein vorbehalten zu werden, sei bereits bei den Kirchenvätern auch aktiv gegen die Häretiker und Schismatiker gewendet worden. Die gemäßigten Stimmen des 11. Jahrhunderts - wie Wazo von Lüttich, der die Belehrung der Häretiker forderte - spricht Barbezat hier ebenfalls an; tatsächlich war die Verbrennung zumindest vor der Mitte des 12. Jahrhunderts ja nur eine Strafe von mehreren möglichen Umgangsweisen mit den Häretikern.
Das dritte und das vierte Kapitel sind dann einzelnen Tiefenbohrungen vorbehalten, in denen die Quellen zu bestimmten Fallkomplexen näher beleuchtet werden. Dies sind der bekannte Fall der Häretiker von Orléans von 1022, der mit der hier neuen Anwendung der Verbrennungsstrafe für Ketzer für die Argumentation des Buches von besonderer Bedeutung ist, und die in der Häresieforschung nicht weniger prominenten, frühen Verbrennungen von Katharern im Rheinland in der Mitte des 12. Jahrhunderts.
Das fünfte Kapitel geht von einer Erzählung des "Libellus adversus errores Alberonis sacerdotis Merkensis" aus, derzufolge der Priester Albero selbst die Verbrennung als Feuerprobe für die Richtigkeit seiner kirchenkritischen Thesen von den Autoritäten gefordert habe. Gemeinsam mit einer Episode bei Caesarius von Heisterbach, in der ein Bischof Nekromantie einsetzt, um den Trick einer Gruppe von Häretikern in Form von Bundeszetteln mit den Dämonen auffliegen zu lassen, bindet Barbezat diese Quellen aus zisterziensischem Umfeld in seine Sicht der steten Analogie und Abhängigkeit von Häretikern und ihren orthodoxen Verfolgern in den Schriftquellen ein; das gilt für die eingesetzten Mittel in der Auseinandersetzung ebenso wie für die Feuersymbolik.
Dass dies auch in Bezug auf Gender und sexuelle Vorwürfe gegenüber den heterodoxen Gruppen gilt, zeigt das sechste Kapitel über Hexen und orgiastische Rituale; hier ist der Ausgangspunkt eine Erzählung des Ralph von Coggeshall über den jungen Gervasius von Tilbury, der am Anfang seiner Klerikerlaufbahn einer jungen Frau nachgestellt habe, was aufgrund seiner Zurückweisung in deren Verbrennung als Hexe endete. Auch in diesem Themenbereich zeigt sich die Imagination der klerikalen Elite als funktional, um im Vorwurf ritueller Nachtorgien an die religiösen Dissidenten die Überlegenheit der Rechtgläubigen umso deutlicher zu erweisen. Das siebte Kapitel schließt die Untersuchung mit einem Blick auf die Verbrennungsstrafe im Umfeld des Albigenserkreuzzugs ab. Der zeitliche Fokus der Studie bleibt also auf die Frühzeit der Verbrennungsstrafe zwischen dem 11. und frühen 13. Jahrhundert beschränkt. Kurze, abschließende Zusammenfassungen jedes Kapitels helfen, den Inhalt des übersichtlich gegliederten Buches schneller zu erfassen; zusätzlich erschließt ein Index den Band.
Wenn Barbezat in seinem Schlusswort bemerkt, dass ein Buch wie dieses Gefahr läuft, die Perspektive der verurteilenden kirchlichen Orthodoxie zu übernehmen, so kann man diesen Einwand tatsächlich nur bestätigen. Das Buch unterstreicht den bereits bestehenden Konsens der Forschung, dass die Verfolgung der Häresie in einem engen Zusammenhang mit der Etablierung der Vorstellung einer rechtgläubigen Kirche und Gesellschaft einherging, die sich durch den Ausschluss selbst immer klarer definierte und wechselseitig bestätigte. Die Herangehensweise, die Barbezat in seiner engen Lesung der Quellen zu ausgewählten Häresiefällen wählt, hätte noch weiter davon profitieren können, wenn sie etwa die theoretischen Überlegungen von Hans-Werner Goetz zur Vorstellungsgeschichte aufgegriffen hätte, an die sie sich unbewusst anlehnt; überhaupt ist die deutschsprachige Forschung, die sich mit der Konstruktion von Häresie und der Einstellung des mittelalterlichen Christentums zur Gewalt in den letzten Jahren eingehend befasst hat (genannt seien nur Althoff, Angenendt, Ragg, Utz-Tremp), praktisch gar nicht berücksichtigt worden. Dass zentrale Quellen dieses Buches das Rheinland betreffen, macht dieses Manko nicht weniger bedeutsam. Wichtige Impulse aus der Forschung fehlen, denn es ist eben vereinfachend, von nur zwei Schulen in der Häresieforschung zu sprechen: Zwischen den in der Einleitung genannten Realisten und den Konstruktivisten haben insbesondere Überlegungen zur Körpergeschichte sowie zu sozialen Aspekten häretischer Bewegungen und ihrer Verfolgung eine wichtige Rolle gespielt. Doch verpasst es Barbezat, Aspekte wie die konkrete Folge der Verbrennung (die physische Vernichtung der leiblichen Überreste) oder die Beteiligung des "Volkes" in den frühen Fällen der Verurteilung in seine Argumentation einzubauen. Zudem blendet er mit seiner sehr punktuellen Auswahl von Beispielen, die gerade im 11. und frühen 12. Jahrhundert die wichtigen Fälle auslässt, in denen nicht die Verbrennungsstrafe gewählt wurde, den zentralen Aspekt der Verhandlung über die richtige Reaktion gegenüber den neu aufkommenden Häresien innerhalb der kirchlichen Hierarchie aus.
So bleibt am Ende auch die zentrale Frage letztlich offen und eigentlich ungestellt, warum überhaupt die Verbrennung zur etablierten Strafe für die Ketzer wurde; der Hinweis alleine auf die biblische Vorlage, die eben gerade nicht eindeutig eine Verbrennung durch die christliche Gemeinde vorschrieb, und die sehr knappe, eher beiläufige Behandlung rechtshistorischer Vorbilder des Frühmittelalters (etwa S. 64) reichen hierfür nicht aus. Die Stärke des Buches liegt in der Betonung der Verbindung von gesellschaftlicher Selbstversicherung, also sozialer Orthodoxie, durch die Verfolgung der Häretiker; das letzte Wort in der Diskussion um die Verbrennungsstrafe hat dieses Buch aber aufgrund seines einseitigen Fokus auf die biblischen Referenzen und die jenseitigen Implikationen der Verbrennungsstrafe noch nicht gesprochen.
Romedio Schmitz-Esser