Andreas Huber / Linda Erker / Klaus Taschwer: Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg, Wien: Czernin-Verlag 2020, 299 S., ISBN 978-3-7076-0651-5, EUR 25,00
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Ein mächtiges, aber praktisch unbekanntes Eliten-Netzwerk macht die hier zu besprechende Studie kenntlich: Der von 1908 bis 1939 bestehende "Deutsche Klub" war an der nationalsozialistischen Unterwanderung Österreichs federführend beteiligt. Der Verein residierte zwischen 1923 und 1938 im Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg, direkt unter den heutigen Amtsräumlichkeiten des österreichischen Bundespräsidenten. Dieser Sitz verdeutlicht das elitäre Selbstverständnis des "Deutschen Klubs", der seine insgesamt fast 2.000 männlichen Mitglieder aus dem Wiener Bürgertum (Industrielle, Rechtsanwälte, Universitätsprofessoren, Ärzte, Beamte, frühere Offiziere) und aus Adelskreisen rekrutierte. Gestützt auf Primärquellen aus österreichischen und deutschen Archiven ist die Studie von Huber, Erker und Taschwer die erste umfassende Gesamtdarstellung zum "Deutschen Klub" [1], dessen Rolle in der Zwischenkriegszeit und vor allem während der nationalsozialistischen Machtübernahme bislang kaum reflektiert wurde. Insofern handelt es sich um einen wichtigen und gut lesbaren Beitrag zur österreichischen Zeitgeschichte.
Knapp 20 Regierungsmitglieder der Ersten Republik gehörten dem "Deutschen Klub" an - ebenso wie fünf Minister der neunköpfigen "Anschlussregierung" österreichischer Nationalsozialisten, die am Vorabend des Einmarschs deutscher Truppen am 12. März 1938 die Macht übernahm. Auch wenn diese Regierung nur bis zum 13. März 1938 Bestand hatte und der "Deutsche Klub" ein Jahr später aufgelöst wurde, gelangten zahllose seiner Mitglieder infolge der nationalsozialistischen "Gleichschaltung" in Spitzenpositionen von Politik, Wirtschaft, Justiz, Wissenschaft und Kultur. Auf diese "große Stunde" hatte der Verein jahrzehntelang hingearbeitet. Der Erfolg brachte ihm aber spätestens 1939 die Nachrede einer "Nebenregierung" ein, die in Konkurrenz zum Alleinherrschaftsanspruch der NSDAP stand. Die umkämpfte Auflösung des "Deutschen Klubs" im selben Jahr enttäuschte zwar die Hoffnungen österreichischer Nationalsozialisten auf eine privilegierte Position der nunmehrigen "Ostmark" im Deutschen Reich, tat den Karrieren seiner Mitglieder aber keinen Abbruch.
Gegründet wurde der "Deutsche Klub" 1908 im Milieu deutschnationaler Studentenverbindungen, verstand sich aber als "Sammelpunkt aller übrigen deutschnationalen Männer". (33 f.) Zu diesem Zeitpunkt war Österreich noch Teil der Habsburgermonarchie, und der "Deutsche Klub" positionierte sich laut Darstellung eines seiner Vorstandsmitglieder von 1939 "auf dem Boden des Anschlussgedankens und der rassisch-radikalen Ablehnung des Judentums". Neben diesen politischen Zielen habe sich "Deutsche Klub" durchwegs für die Karrieren seiner Mitglieder eingesetzt und sei ebenso wie andere Vereine eine Stellenvermittlungsagentur gewesen.
Der Zerfall der Monarchie und die Niederlage im Ersten Weltkrieg bedeuteten in diesem Zusammenhang einen massiven Einschnitt. Im polarisierten Klima der Ersten Republik wurde der "Deutsche Klub" zu einem "wichtigen Umschlagplatz" für antidemokratische, revanchistische, antisemitische, rassistisch-biologistische Ideen. (69) Aber nicht nur das: Die Durchdringung der staatlichen Strukturen durch das Vereinsnetzwerk - sowohl personell als auch ideell - zeigte sich exemplarisch während des Schattendorf-Prozesses gegen zwei "Frontkämpfer", die Anfang 1927 auf Teilnehmer einer sozialdemokratischen Demonstration geschossen und dabei zwei Menschen getötet hatten. Der vorsitzende Richter und der Verteidiger waren Clubmitglieder. Die als unangemessen milde empfundenen Urteile führten am folgenden Tag, dem 15. Juli 1927, zu einer Demonstration und später zu Unruhen vor dem Justizpalast, die von der Polizei blutig niedergeschlagen wurden.
Ab 1930 wandte sich der "Deutsche Klub" verstärkt der NSDAP zu, während man versuchte, eine "Aussöhnung und Zusammenschluss der nationalen bzw. völkischen Kräfte" zu erreichen. (122) Denn diese Entwicklung ging einher mit wachsenden Spannungen nicht nur zwischen Links und Rechts, sondern auch zwischen den österreichischen Nationalsozialisten sowie den ab 1933 diktatorisch regierenden Christlichsozialen. Spätestens Anfang 1934 waren die Bande zur NSDAP aber so eng, dass der "Deutsche Klub" wegen Verdachts auf nationalsozialistische Propaganda überwacht wurde. Und nachdem im Juli 1934 österreichische Nationalsozialisten geputscht hatten, konnte ein NS-Nachrichtendienst ausgeforscht werden, dem einige Mitglieder und Gäste des Clubs angehört hatten. Außerdem waren in den Klubräumlichkeiten Nachrichten ausgetauscht und weitergeleitet worden. Zwei der Putschisten - Otto Wächter und Harald Leithe-Jasper - gehörten sogar dem Klubvorstand an. Diese Verwicklungen hatten aber wegen der guten Vernetzung - darunter mit zahlreichen (ehemaligen) Regierungsmitgliedern - keine Konsequenzen.
Mit dem "Anschluss" 1938 hatte der "Deutsche Klub" nicht nur sein "größtes Ziel" erreicht, sondern befand sich nun selbst im Zentrum der Macht. (14) Mit Arthur Seyß-Inquart wurde ein Clubmitglied kurzfristig Bundeskanzler und danach bis 1939 Reichsstatthalter, was ihn zu einer Schlüsselperson in Sachen Personalveränderungen machte. Wie bereits erwähnt, übernahmen zahlreiche Clubmitglieder Führungspositionen im "angeschlossenen" Österreich und profitierten unter anderem von rassistischen "Säuberungen". (157) Als der "Deutsche Klub" dann mit 21. Oktober 1939 aufgelöst wurde, gehörten laut dem nicht ganz vollständigen Mitgliederverzeichnis 28 Prozent der NSDAP an.
Eben diese Auflösung erlaubte es Klubmitgliedern, sich nach 1945 vom NS-Regime zu distanzieren und den "Deutschen Klub" als unpolitisch darzustellen. Zwar wurden der letzte Obmann Carl von Bardolff und einige Vorstandsmitglieder auf Kriegsverbrecherlisten gesetzt, doch schon 1947/48 wurden sie wie andere "Minderbelastete" amnestiert und von Sühnemaßnahmen befreit. Zugute kam den Betroffenen nicht zuletzt "die weiter bestehende Vernetzung mit den Eliten, die nach Kriegsende an die Macht kamen". (210 f.) Allerdings, so das Fazit der Autoren, sei die "wichtige Rolle des Vereins bei der nationalsozialistischen Unterwanderung insbesondere von 1933 bis 1938" der Öffentlichkeit wie der Justiz zumindest "kurz nach dem Krieg" bekannt gewesen. (203)
1957 erlebte der "Deutsche Klub" als "Neuer Klub" eine Art Wiederauferstehung. Der bis heue bestehende Verein, in dessen Archiv die Autoren keinen Einblick erhielten, bietet bis heute Exponenten des rechten bis rechtsextremen Lagers ein Podium - ohne freilich in irgendeiner Form an den Einfluss des "Deutschen Klubs" heranzureichen. (246 ff.)
In einem Exkurs gehen Huber, Erker und Taschwer noch auf einen weiteren Elitenzirkel ein: Diese "Deutsche Gemeinschaft" war 1919 aus dem "Deutschen Klub" hervorgegangen, wirkte aber im Unterschied dazu bis 1930 als "strikt antisemitische" Geheimgesellschaft mit dem Ziel, die eigenen Leute zu protegieren und Juden, Freimaurer, Linke und Liberale von allen gesellschaftlichen Führungspositionen zu verdrängen und auszuschließen. Nachträglich gesehen hatte die "Deutsche Gemeinschaft" zwei österreichischen Bundeskanzler in ihren Reihen: Engelbert Dollfuß, der 1919 als Schreibkraft dort tätig war, und Seyß-Inquart, der 1924 auch dem "Deutschen Klub" beitrat.
Darüber hinaus wollen die Autoren den Blick dafür schärfen, "dass bereits vor über 100 Jahren und lange vor dem Internet die 'Alte Rechte' über ganz ähnliche Strukturen mit damals zeitgemäßen Foren verfügte". Anderseits weisen sie darauf hin, "dass informelle Netzwerke in Österreich neben den politischen Parteien eine traditionell wichtige Rolle spielen". (252) Grundsätzlich ist das Buch auch als Anstoß zu sehen, anhand von Netzwerkrecherchen "neues Licht" auf historische Entwicklungen zu werfen (253) - im Fall des "Deutschen Klubs" ist das als gelungen zu bewerten.
Anmerkung:
[1] Vgl. auch: Linda Erker / Andreas Huber / Klaus Taschwer: Von der "Pflegestätte nationalsozialistischer Opposition" zur "äußerst bedrohlichen Nebenregierung". Der Deutsche Klub vor und nach dem "Anschluss" 1938, in: Zeitgeschichte 44 (2017), 78-97.
Thomas Riegler