Doris Behrens-Abouseif: The Book in Mamluk Egypt and Syria (1250-1517). Scribes, Libraries and Market (= Islamic History and Civilization; Vol. 162), Leiden / Boston: Brill 2018, XI + 178 S., ISBN 978-90-04-38700-3 , EUR 100,00
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Doris Behrens-Abouseif legt mit "The Book in Mamluk Egypt and Syria" einen groß angelegten Überblick über mamlukische Buchkultur vor. Die Studie reicht von der ayyubidischen und fatimidischen 'Vorgeschichte' bis zum Jahr 1517, das mit der osmanischen Eroberung Kairos gewöhnlich als Enddatum der Mamlukenherrschaft in Ägypten und Syrien angesehen wird. In acht Kapiteln betrachtet Behrens-Abouseif eine große Spannweite sozialer, spatialer, ökonomischer und künstlerischer Aspekte mamlukischer Buchkultur. Zahlreiche Abbildungen binden architektonische Ansichten und Beispiele materieller Kultur ein, ein Index komplettiert die Studie.
Es ist erstaunlich, dass Buchkultur in der Forschung zur Mamlukenzeit bis in die letzten Jahre hinein kaum ein vielbeachtetes Thema war. Umso erfreulicher ist es, nun neben Studien zu einzelnen Aspekten oder Beispielen etwa zur Wissensproduktion (Frédéric Baudens Maqriziana) und zu Archivierungspraktiken (Konrad Hirschlers Arbeit zur Ashrafiyya und das in dieser Ausgabe besprochene Buch zur Bibliothek des Ibn ʿAbd al-Hādī) nun auch eine Studie vorliegt, die sich dem 'großen Bild' verschrieben hat. Um dieses große Bild zu erzeugen, arbeitet Behrens-Abouseif nicht nur den aktuellen Forschungsstand auf; ihr Überblick beruht in weiten Teilen auf der Auswertung von Primärquellen. Natürlich kann ein solches quasi aus dem Boden gestampftes großes Bild nicht alle Aspekte gleichermaßen betrachten. Gerade für ein Thema wie die Buchkultur, die zwar auch, aber nicht ausschließlich von Herrschaftsgeschichte abhängt, wäre es durchaus wünschenswert gewesen, auch das 'Nachleben' mamlukenzeitlicher Buchkultur nach der osmanischen Eroberung einzuschließen.
Behrens-Abouseifs Fokus liegt auf der Exploration des Zusammenspiels von Patronage, sowohl baulicher als auch der Förderung von Bibliotheken, den daraus entstehenden Institutionen, sowie den Buchmärkten. Rezeptions- und Lesepraktiken sind dagegen kein dezidierter Schwerpunkt der Studie. An der Vielzahl der für diese Studie konsultierten Quellen, die von biographischer Literatur, über narrative Quellen und waqf Dokumente bis hin zu paratextuellen Notizen in Manuskripten reichen, kann man zwei Dinge ablesen: Die Buchkultur und ihre verschiedenen Aspekte waren offensichtlich ein sehr zentraler Bestandteil der mamlukenzeitlichen Gesellschaft. Jedoch bleiben die Informationen in den einzelnen Quellenarten zumeist sehr sporadisch, was das Zusammenfügen eines Gesamtbildes insbesondere jenseits der Elitenkultur erschwert. In Ermangelung von Archivmaterial oder Bibliothekskatalogen, wie wir sie aus der osmanischen Zeit kennen, nähert sich die Studie der Buchkultur über einen Ansatz, der von der Identifikation von Schlüsselfiguren, wie etwa Patronen, oder spezialisierten Künstlern und Handwerkern, wie etwa Kalligraphen ausgeht. Aus der schwierigen Quellenlage erklärt sich auch, warum die Studie trotz ihres im Titel formulierten umfassenden Anspruchs, Buchkultur in Ägypten und Syrien zu untersuchen, in der Hauptsache um hofnahe bzw. von Sultanen und hohen Würdenträgern geförderte Bibliotheken in Kairo kreist: Quellenmaterial für kleinere Institutionen und die Situation außerhalb Kairos ist noch seltener zu finden als Zeugnisse über die großen Bibliotheken der Residenzstadt Kairo.
Im ersten Kapitel zeichnet Behrens-Abouseif die Patronage von Bibliotheken vor der Mamlukenzeit nach und beschäftigt sich insbesondere mit dem Aufkommen von durch Stiftungen (awqāf) finanzierte Bibliotheken unter den Ayyubiden. Das zweite Kapitel ist der schwierigen Aufgabe gewidmet, aus den nur sporadisch vorhandenen Quellen die Funktionsweise mamlukenzeitlicher Bibliotheken in religiösen Institutionen aufzuarbeiten und thematisiert dabei Möglichkeiten und Leerstellen der auf waqf-Dokumenten basierenden Forschung: In der Regel erwähnen diese Dokumente höchstens die Einrichtung einer Bibliothekarsstelle, oft gab es aber auch keine eigene Stelle für die Betreuung der Buchsammlungen. Es ist somit zwar möglich, einige Aussagen über den sozialen Status von Bibliothekaren zu treffen; da weitere Dokumente wie z.B. Bibliothekskataloge nicht erhalten sind, ist es jedoch fast unmöglich, tiefer in die Welt der religiösen Bibliotheken einzutauchen. Noch schwieriger als für Kairo selbst ist die Quellenlage auch in diesem Bereich für Syrien; Konrad Hirschlers in dieser Ausgabe ebenfalls besprochene Studie zeigt jedoch, dass auch einzelne case studies dazu beitragen können, Einblick in die Buchkultur dieser so wichtigen Region zu erhalten.
Behrens-Abouseif unterscheidet religiöse Institutionen, wie etwa Moscheen, Medresen und khanqahs von privat gestifteten Bibliotheken, deren Umfang, insbesondere, wenn sie über Generationen in einer Familie geführt wurden, oft den der Sammlungen in religiösen Institutionen übertraf. Neben großen privaten Stiftungen, etwa dem von Ibn Taghrībirdī gestifteten Komplex, der neben einer Elementarschule (maktab) auch eine Bibliothek enthielt, zählen zum privaten Bereich auch Stiftungen von Buchsammlungen oder einzelnen Bänden, die aus Privathand an religiöse Institutionen gingen. Manche Stiftungsdokumente geben auch sporadisch Informationen über Praktiken der Buchkultur, etwa Ausleihregelungen. In wenigen Fällen finden sich auch Inventarlisten. Insgesamt bleibt auch hier das Bild aber aufgrund der dünnen Quellenlage lückenhaft. Die von Behrens-Abouseif zusammengetragenen Beispiele sind ein faszinierender Einblick.
Das vierte Kapitel widmet sich der Bibliothek selbst als Raum, sowie den mit Bibliotheken verbundenen sozialen Praktiken bezüglich Buchausleihe und Produktion. Hochinteressant ist es festzuhalten, dass anders als etwa im europäischen Kontext die Institutionen nicht selbst der primäre Ort von Buchproduktion waren. Vielmehr übernimmt diese Funktion der private Buchmarkt, an dem Händler, Kopisten, Buchbinder und Kalligraphen ebenso partizipieren wie Autoren. Dieser städtische Sektor der mamlukenzeitlichen Buchkultur, der sich auch durch eigene intellektuelle Vernetzungen auszeichnet, ist Thema des fünften Kapitels, während das sechste noch enger auf die Rolle und das Zusammenspiel von Autoren, Kopisten und Kalligraphen in der Buchproduktion zoomt. Doch nicht nur professionelle Schreiber kopierten Bücher, Gelehrte und Lernende gleichermaßen kopierten Schriften auch für ihre eigenen Sammlungen, eine Tätigkeit, die durch das schon erwähnte Leihwesen erst möglich wurde. Die Engführung auf die Schnittstelle von materieller und sozialer Komponente der Buchproduktion wird im siebten Kapitel weitergeführt, das sich auf die Kalligraphen als 'künstlerische Elite' der Produzenten konzentriert. Während eine kalligraphische Ausbildung, die sowohl in religiösen Institutionen als auch in privaten Schulen zum Curriculum gehörte, Gelehrten und Schreibern gemein war, geht es hier um die künstlerische Umsetzung von Schriftkultur, das Entwerfen neuer Schriftarten und die Produktion von Prunkhandschriften. Die Kalligraphen stellen zudem ein Bindeglied zwischen dem Kanzleiwesen, ihrem Hauptbetätigungsfeld, und der Buchproduktion dar. Das finale achte Kapitel verweilt bei dieser Gruppe und wendet sich der Ausbildung von Kalligraphen zu. Über die Betrachtung der Unterrichtskultur gelingt es Behrens-Abouseif, eine Art Stammbaum der Meisterkalligraphen der Mamlukenzeit zu rekonstruieren.
Doris Behrens-Abouseifs Vorhaben, eine erste Gesamtschau der verfügbaren Informationen über mamlukenzeitliche Buchkultur zusammenzutragen, ist ein gelungener Ausgangspunkt für weitere Forschungen in diese Richtung. Die Buchkultur präsentiert sie als einen zentralen Schnittpunkt der Gesellschaft, an der zahlreiche Gruppen partizipierten. Insbesondere die starke Einbindung des privaten Buchmarktes erscheint als eine wirkmächtige Verankerung der Bibliophilie in der Gesellschaft - nicht zuletzt, da Elementarschulen, gelehrte Bibliotheken und Buchmärkte oft genug Tür an Tür lagen. Somit bietet sich die Buchkultur sicherlich als vielversprechender Einstieg für die weitere Erforschung der materiellen und intellektuellen Kultur der Mamlukenzeit an. Jedoch weist Doris Behrens-Abouseifs Studie gleichzeitig auch auf die Problematik dieses Forschungsgebietes hin: die leider bescheidene Quellenlage, die sich vielleicht (auch) damit erklären lässt, dass gerade die praktischen Aspekte der Buchkultur mamlukenzeitlichen Autoren so selbstverständlich erschienen sein mögen, dass sie kaum umfassend darüber berichteten.
Anna Kollatz