Federico De Romanis: The Indo-Roman Pepper Trade and the Muziris Papyrus (= Oxford Studies on the Roman Economy), Oxford: Oxford University Press 2020, XXIV + 381 S., ISBN 978-0-19-884234-7, GBP 85,00
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Matthew Adam Cobb (ed.): The Indian Ocean Trade in Antiquity. Political, Cultural, and Economic Impacts, London / New York: Routledge 2019
Das 21. Jahrhundert hat ein überaus starkes Interesse der Forschung an Fragen des Handels zwischen der römischen Welt und der des Indischen Ozeans sowie generell den Austauschbeziehungen in Afro-Eurasien in der Antike mit sich gebracht [1], was sich nicht zuletzt etwa an der Publikation eines Handbuches zu den Ökonomien dieses Raumes zeigt. [2] Freilich beschränkte sich dieses Interesse nicht nur auf die Zeit der Alten Welt, sondern das Gesagte gilt auch für Studien zu anderen Epochen. [3]
Federico De Romanis hingegen darf als ein Pionier der Forschungen zum römischen Osthandel gelten, der sich seit dem Ende der 80er Jahre und mithin seit mehr als 30 Jahren diesem Thema intensiv widmet. Aus der großen Anzahl seiner diesbezüglichen Veröffentlichungen sei hier nur auf seine fundamentale, im Jahr 1996 veröffentlichte Monographie zu diesem Themenbereich verwiesen. [4]
Für die diesbezügliche Forschung war die im Jahr 1985 von dem damaligen Direktor der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek Herrmann Harrauer und dem leider allzu früh verstorbenen niederländischen Papyrologen Pieter J. Sijpesteijn publizierte Stück der Wiener Papyrussammlung P. Vindob G 40822 eine Art Sensation. [5] Die in das zweite nachchristliche Jahrhundert datierende Urkunde, die als SB XVIII 13167 in das Sammelbuch der griechischen Papyrusurkunden aufgenommen wurde [6], enthält auf dem Rekto einen Darlehensvertrag, der für die Abwicklung eines Geschäfts im Rahmen des Osthandels abgeschlossen wurde; auf dem Verso findet sich eine Abrechnung im Kontext der Entrichtung des 25%-Zolles für den Import von Waren aus Indien nach Ägypten. In der Forschung wird die Urkunde meistens schlicht als der 'Muziris-Papyrus' bezeichnet.
Die hier anzuzeigende Monographie aus der Feder von De Romanis ist dementsprechend die Frucht einer jahrzehntelangen intensiven Auseinandersetzung des römischen Gelehrten mit dieser Urkunde und den auf ihr erhaltenen Texten, was auf jeder Seite des Buches offenbar wird. Die Arbeit ist in vier größere Teile gegliedert, von denen der erste der Kontextualisierung der Texte dient, während der zweite und der dritte Teil Fragen zum Darlehensvertrag auf dem Rekto und zur Abrechnung auf dem Verso adressieren. Der abschließende vierte Teil thematisiert Fragen des Zollwesens und der in die Abwicklung des Geschäfts involvierten Personen. Bequemerweise hat De Romanis den eigentlichen Darlegungen die 23 Schlussfolgerungen, die er aus der Analyse des Papyrus zieht, ebenso vorangestellt (4-7) wie die Texte in der aktuellen reconstructio textus und eine Übersetzung derselben (11-27). Abgeschlossen wird der Band durch zwei Appendizes, von denen die eine dem Tausch von römischen Münzen in Barygaza (327-332) und die andere Axum und Silis in einem manichäischen Text in Gestalt der koptischen Kephalaia gewidmet ist (333-334).
Der erste Teil der Darlegungen besteht nun aus fünf Kapiteln. Das erste derselben (31-58) behandelt die nautischen Herausforderungen im Roten Meer insbesondere nördlich von 20 o Nördlicher Breite, die auf die Strukturen des Handels einen starken Einfluss insofern nahmen, als es den großen Pfefferfrachtern der römischen Kaiserzeit nicht möglich war, Häfen im Norden von dem im Südosten der Östlichen Wüste gelegenen Berenike anzulaufen. Darüber hinaus werden die daraus resultierende Verkehrsgeographie und die Anbindung der Häfen an den Nil und damit nach Alexandria thematisiert, darunter nicht zuletzt auch der Trajans-Kanal, den De Romanis insbesondere als dem Handel dienend charakterisiert (36-41). Darüber hinaus unterscheidet De Romanis sehr deutlich zwischen den Schiffstypen für die nördlichen Destinationen in Indien und den südlichen Zielorten, da er davon ausgeht, dass große Frachter wie die im Papyrus genannte Hermapollon, die ein Ladegewicht von mehr 600 t bewältigen konnte (248-249), nur den Süden des Subkontinents anliefen (55). Das zweite Kapitel ist den Reisen unter Ausnutzung der Monsun-Winde und den Zeiten für die Hin- und Rückreise gewidmet (59-83), wobei De Romanis wiederum zwischen den direkten Fahrten und denen mit einer Anzahl von Zwischenstopps bzw. von Umschlagsplätzen unterscheidet. Hernach betrachtet er die Verhältnisse in Südindien insofern, als hier die Produktion und der Austausch von Pfeffer zwischen den Häfen an der Küste und den Produzenten im Hochland im Mittelpunkt der Erörterung stehen. Dabei werden auch und gerade die frühneuzeitlichen Verhältnisse und ihre Übertragung auf die Antike erörtert (84-106). Die eben genannten, in der Forschung diskutierten Austauschbeziehungen in Südindien werden dann im vierten Kapitel thematisiert (107-124). Unter der Überschrift 'Supporting Sources' widmet sich De Romanis dann den strabonischen Geographika und den ihnen zu entnehmenden Informationen über das Zollwesen, dem Periplus Maris Erythraei und den in diesem für südindische Häfen genannten Waren, der plinianischen Naturgeschichte und dem in ihr zu eruierenden Zeitplan für Handelsreisen nach Indien sowie schließlich der bei Ptolemaios zu erkennenden politischen Geographie Südindiens (125-155).
Wie bereits erwähnt, ist der zweite Teil Einzelproblemen der beiden Texte auf dem Rekto und dem Verso des Papyrus gewidmet, namentlich zunächst der Frage, was die im Darlehen genannte Formel κατὰ Μουζεῖριν zu bedeuten hat, wobei De Romanis zu dem Schluss gelangt, dass der Darlehensvertrag in Alexandrien errichtet wurde und die Hin- und Rückreise von/nach Muziris zum Gegenstand hatte (157-172). Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage des Verkaufs der Waren und der Rückzahlung des Darlehens (173-187), während De Romanis im folgenden achten Kapitel der Arbeit zeigt, dass das Darlehen ausschließlich der Finanzierung des Transportes durch die östliche Wüste und des Flusstransports nach Alexandria diente; beide Transportwege werden in diesem Kontext ausführlich erörtert (188-208).
Im dritten Teil steht dann die Abrechnung auf dem Verso im Fokus des Interesses. Im neunten Kapitel zeigt De Romanis, dass die Abrechnung drei Viertel der ursprünglichen Waren zum Gegenstand hat und macht insbesondere Ausführungen zur gangetischen Narde und zu Elfenbeinabschnitten, die hier genannt werden. Ferner diskutiert er die Zusatzabgaben an den Arabarchen (211-230). Das zehnte Kapitel ist der Rekonstruktion der Waren gewidmet, von denen im Text nur Zahlen und Gewichtsangaben erhalten sind, namentlich also Pfeffer, Malabathron und Schildpatt, wodurch der Verfasser in die Lage versetzt wird, das Gesamtgewicht der Ladung der Hermapollon auf ca. 635 t zu veranschlagen (231-250). Seine Ergebnisse werden dann im folgenden elften Kapitel insofern kontrastiert, als er die Größe der Hermapollon mit Schiffsgrößen in der Frühen Neuzeit vergleicht und zu dem Ergebnis kommt, dass solche Schiffsgrößen in der langen Geschichte des Pfefferhandels einzigartig gewesen sind und gleichzeitig einen Hinweis darauf liefern, dass Südindien in der Lage war, einige Tausend Tonnen Pfeffer im Jahr zu exportieren. Ferner werden hier noch einmal im Periplus Maris Erythraei für Südindien genannte Waren in den Griff genommen, die sich in der Ladung der Hermapollon nicht finden, was insbesondere für Perlen gilt. [7] Ferner äußert De Romanis sich hier zu verschiedenen Qualitäten von Stoßzähnen (251-274).
Der vierte Teil beginnt mit einer Erörterung des vectigal Maris Rubri (277-297), wobei De Romanis ausgehend von Strabon unter Hinzuziehung der Abrechnung zu der Auffassung gelangt, dass die Waren bei der Einfuhr nach Ägypten bzw. Alexandria zunächst mit einem Zoll von 25% belegt wurden und bei der Ausfuhr aus Ägypten die verbleibenden 75% wiederum eine Zoll von 25% fällig wurde (285-286), was bedeuten würde, dass insgesamt nicht weniger als 43,75% Zoll erhoben worden wären (323). Ferner zeigt er eine Zugrundelegung von fiskalischen Werten für die Waren auf, die sich nicht an Marktpreisen orientiert (293-294), um anschließend Gewichtsstandards zu thematisieren (294-297). Im 13. Kapitel werden dann die an der Einziehung der Zölle und dem Abschluss des Vertragsgeschäfts beteiligten Personen näher konturiert (298-320). De Romanis zufolge wurde die Summe der Steuerpacht nicht beim Abschluss des Geschäfts entrichtet, sondern im Zuge der Hebung in Raten an den römischen Staat abgeführt (299). Ferner gelangt er zu dem Schluss, dass es sich bei dem Kreditgeber und dem Zolleinnehmer um dieselbe Person gehandelt hätte (309). Nach einer Betrachtung des Schiffseigners, die auch die Terminologie für Händler und erstere einschließt, beendet De Romanis dieses Kapitel mit Ausführungen zur Höhe der Gesamteinnahmen des römischen Staates aus den Zöllen im Indienhandel, die nur unter Zugrundelegung des Handels über das Rote Meer nach Südindien im Bereich von einigen Millionen Sesterzen gelegen haben dürften und dementsprechend eine wesentliche Einkunftsquelle waren (318-320).
Der die Darstellung abschließende Epilog liefert eine kurze Zusammenfassung des von De Romanis rekonstruierten Bildes (321-324).
Nun wird man nicht allen Schlussfolgerungen, zu denen der Verfasser gelangt zustimmen wollen bzw. manches zumindest diskutieren wollen. Das ist aber für eine Gesamtwürdigung der Monographie Nebensache. De Romanis hat eine skrupulöse Analyse des Papyrus und der Quellen zum Handel mit Südindien über Ägypten vorgelegt, die - wie bereits erwähnt - Frucht einer mehr als drei Jahrzehnte währenden Auseinandersetzung mit dem Muziris-Papyrus im speziellen und dem Indienhandel im Allgemeinen ist. Dabei wird die Situation in Indien selbst ebenso miteinbezogen wie der Gewürzhandel in der Frühen Neuzeit als Vergleichsfolie. Mit anderen Worten: Es handelt sich bei dieser Monographie um eine herausragende Arbeit, die für jede Beschäftigung mit dem Papyrus sowie insbesondere seine wirtschaftsgeschichtlichen Informationen Bezugs- und Ausgangspunkt sein wird.
Anmerkungen:
[1] Einen kurzen Überblick über die entsprechende Literatur findet sich bei Kai Ruffing: Kasper Grønlund Evers: Worlds Apart Trading Together. The Organisation of Long-Distance Trade between Rome and India in Antiquity, Oxford 2017. (Rez.), in: Gnomon 92 (2020), 621-627, hier 621-622.
[2] Sitta von Reden (ed.): Handbook of Ancient Afro-Eurasian Economies Vol. 1: Contexts, Berlin / Boston 2020. Vgl. ferner Craig Benjamin: Empires of Ancient Eurasia. The First Silk Roads Era, 100 BCE-250 CE, Cambridge 2018.
[3] Vgl. nur David Abulafia: The Boundless Sea. A Human History of the Oceans, London 2019, 43-296; Philippe Beaujard: The Worlds of the Indian Ocean. A Global History Vol. 1-2, Cambridge 2019; Angela Schottenhammer: Early Global Interconnectivity across the Indian Ocean World Vol. I-II, Cham 2019; Elizabeth A. Lambourn: Abraham's Luggage. A Social Life of Things in the Medieval Indian Ocean World, Cambrigde 2018.
[4] Frederico De Romanis: Cassia, cinnamomo, ossidiana. Uuomini e merci tra Oceaono Indiano e Mediterraneo, Roma 1996.
[5] Hermann Harrauer / Pieter J. Sijpesteijn: Ein neues Dokument zu Roms Indienhandel. P. Vindob. G 40822, Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse 122 (1985), 124-155. Siehe zum Text https://search.onb.ac.at/primo-explore/fulldisplay?docid=ONB_alma21305918940003338&context=L&vid=ONB&lang=de_DE [25.03.2021]. S.a. B. Palmes Blogeintrag zu diesem Stück der ÖNB: https://www.onb.ac.at/news-einzelansicht/der-muziris-papyrus [25.03.2021].
[6] Siehe dazu den Eintrag im Heidelberger Gesamtverzeichnis: https://aquila.zaw.uni-heidelberg.de/hgv/27666 [25.03.2021].
[7] Zu diesen als Handelsgut vgl. den instruktiven Beitrag von Pierre Schneider: Erythraean Pearls in the Roman World: Features and Aspects of Luxury Consumption (Late Second Century BCE - Second Century CE), in: The Indian Ocean Trade in Antiquity. Political, Cultural and Economic Impacts, ed. by Matthew A. Cobb, London / New York 2019, 135-156.
Kai Ruffing