Dawn Mary Hayes: Roger II of Sicily. Family, Faith, and Empire in the Medieval Mediterranean World (= Medieval Identities: Socio-Cultural Spaces; Vol. 7), Turnhout: Brepols 2020, 220 S., 3 Kt., 18 Abb., ISBN 978-2-503-58140-8, EUR 75,00
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Stefan Burkhardt / Thomas Foerster (eds.): Norman Tradition and Transcultural Heritage. Exchange of cultures in the 'Norman' peripheries of Medieval Europe , Aldershot: Ashgate 2013
Philippe Josserand / Mathieu Olivier (eds.): La mémoire des origines dans les ordres religieux-militaires au Moyen Age . Actes des journées d'études de Göttingen, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2012
Charles D. Stanton: Roger of Lauria (c.1250-1305). "Admiral of Admirals", Woodbridge: Boydell Press 2019
Monographien über den ersten König von Sizilien sind rar. Noch heute greift man auf die frühe Untersuchung von Erich Caspar (Roger II. (1101-1154) und die Gründung der normannisch-sicilischen Monarchie, Innsbruck 1904) und auf das Basiswerk von Hubert Houben (neue aktualisierte Auflage Roger II. von Sizilien. Herrscher zwischen Orient und Okzident, Darmstadt 2020) zurück, mitunter auch auf das Werk von Pierre Aubé (Roger II de Sicile: un Normand en Méditerranée, Paris 2001). In englischer Sprache gibt es neben der Übersetzung von Houbens Biographie eine lange Reihe von Studien über spezifische Aspekte, dazu die Quellenedition von Graham A. Loud (Roger II and the Creation of the Kingdom of Sicily, Manchester 2012). Das Buch von Dawn Mary Hayes widmet sich dem Leben Rogers II. nicht im Rahmen einer klassischen Biographie, von der Geburt bis zum Tod, sondern behandelt eine Reihe von Aspekten, die von Historikern noch immer nicht selten als zweitrangig angesehen werden. Es geht um Familie, d.h. um die Ehen und die Frauen des Königs, um Glauben, und um die ideologische und kulturelle Basis des Reichs Rogers.
Im ersten Kapitel werden die Gründe für die Heirat Rogers II. mit Elvira, Tochter Alfons II. von Kastilien, untersucht. Der Blick richtet sich dabei auf die Person des Königs von Kastilien, die von ihm verfolgte Politik und die gemeinsamen Interessen von Normannen in Süditalien und spanischer Dynastie. Das zweite Kapitel beobachtet - im Licht der politischen Projekte des sizilischen Königs zwischen Frankreich und dem Heiligen Land - weitere Gattinnen Rogers, so etwa Sibylla von Burgund und Beatrice von Rethel, mit besonderem Interesse an den Verhältnissen im Osten und der Kreuzzugspolitik den Normannen. Laut Hayes hätte Roger II. in diesem Kontext gerne eine wichtigere Rolle gespielt, allein politische und/oder persönliche Gemengelagen hätten dies verhindert.
Nach allgemeinen Bemerkungen im dritten Kapitel zum Kult des hl. Nikolaus von Myra in Bari, mit seiner Mischung aus unterschiedlichen Traditionen und Einflüssen, geht es im vierten Kapitel um die persönliche Frömmigkeit Rogers II., in deren Zentrum der hl. Nikolaus stand. Es folgt der Blick auf die Ideologie: im fünften Kapitel wird das Verhältnis (auch dessen symbolische Aspekte wie etwa die Bedeutung der fleur-de-lis) zwischen Roger II. und Frankreich thematisiert, während sich das sechste auf die Symbolik eines Kleidungselements konzentriert, des loros, einer langen Stola, von großer Bedeutung innerhalb der politischen Propaganda Rogers.
Jeder der drei großen Teile des Werks umfasst eine eigene Thematik und Methodologie. Im erstem Teil geht es grundsätzlich um die Geschichte der diplomatischen Beziehungen, im zweiten Teil um die Bedeutung des Nikolauskults in und um Bari und um eine Reflexion über die persönliche Frömmigkeit des Königs, wobei Analysen der Mosaiken aus dem Dom von Cefalù, der Capella Palatina und der Kirche Santa Maria dell'Ammiraglio in Palermo gute Dienste leisten. Der letzte Teil ist kunsthistorisch konzipiert, mit einer weiteren Studie über sizilianische Mosaiken und eine Reihe von für die Herrschaft Rogers II. konstitutiven Symbolen. Die Schlussfolgerungen des Bandes führen all diese verschiedenen Elemente zusammen - Elemente, die die Herrschaft Rogers II. mit seiner Ideologie einer mediterranen Thalassokratie zwischen Osten und Westen (mit Neigungen besonders nach Frankreich) gleichsam umfangen.
Die grundlegende Idee einer interdisziplinär angelegten Arbeit ist an sich faszinierend und besonders der erste Teil des Buchs artikuliert neue Ideen und Aufgaben. Das Ganze erscheint jedoch disparat und wenig homogen, so als sei eine Reihe von Einzelstudien mit gewissen Schwierigkeiten zusammengefügt worden. Das Hauptproblem aber ist die Bibliographie. Es fehlen hier leider mehrere wichtige neuere Werke, vor allem die Untersuchungen von Mirko Vagnoni über die Herrschaftsideologie und Repräsentation Rogers II., die besonders die auch von Hayes behandelten Mosaike tiefgreifend analysieren [1], und die Forschungen der Kunsthistorikerin Lucinia Speciale [2], aber auch diejenigen vieler anderer Autoren, die weitere von Hayes behandelte Aspekte des Lebens Rogers II. untersucht haben, wie etwa Rotraud Bauer, Errico Cuozzo oder Francesco Paolo Tocco. Es fehlt darüber hinaus eine ganze Reihe von Sammelbänden der Giornate normanno-sveve von Bari, mit anderen Worten: die gesamte Bibliographie des Buchs müsste aktualisiert werden. Ausführungen über die "Toleranz" Rogers II. (etwa 189) kommen ohne Verweise auf Hubert Houben nicht aus. [3] Als Folge dieser Mängel bleibt das Buch wissenschaftlich unvollständig und präsentiert mitunter fragwürdige Aussagen, etwa mit Blick auf die Hohenstaufen, Anjou und Aragonesen, die Süditalien "aus dem Ausland regierten" (189).
Man darf dieses Werk getrost als fehlgeschlagenes Experiment betrachten: während die Ideen und die Intuition der Autorin ausgesprochen interessant sind, präsentieren sich die archivalischen und bibliographischen Grundlagen unvollständig. Dem Band fehlt es an einer überzeugenden Struktur. Die Hauptidee, Roger II. als ein gescheitertes Genie der Mittelmeerpolitik zu präsentieren, kann man teilen, sollte dabei aber auch bedenken, dass Roger in einer Zeit regierte, in der die Ambitionen des Herrschers auf viele Gebiete ausstrahlten, von Nordafrika über Mittelitalien bis hin nach Byzanz. Ein wichtiges Problem wird bezeichnenderweise nicht behandelt: Das des geringen außenpolitischen Prestiges der Normannen, die mitunter als nullimanni bezeichnet wurden. [4] Die beiden letzten Ehefrauen des Königs sind vor diesem Hintergrund außerordentlich bedeutend: Sie kamen aus hochadligen, aber nicht königlichen Familien.
Anmerkungen:
[1] Um hier nur einen Titel zu zitieren: Mirko Vagnoni: Dei gratia rex Sicilie. Scene d'incoronazione divina nell'iconografia regia normanna, Neapel 2017.
[2] Lucinia Speciale: Immagini per la storia: ideologia e rappresentazione del potere nel Mezzogiorno medievale, Spoleto 2014.
[3] Hubert Houben: Religious toleration in the South Italian peninsula during the Norman and Staufen periods, in: The Society of Norman Italy, ed. by Graham A. Loud, Alex Metcalfe, Leiden 2002, 319-339.
[4] Vgl. unter vielen anderen Beiträgen Timothy Reuter: Vom Parvenü zum Bündnispartner: das Königreich Sizilien in der abendländischen Politik des 12. Jahrhunderts, in: Die Staufer im Süden. Sizilien und das Reich, hg. v. Theo Kölzer, Sigmaringen 1996, 43-56.
Kristian Toomaspoeg