Caterina Ciccopiedi: La figura del vescovo nellepistolario di Pier Damiani. Tra ideale e reale (= Istituzioni e Società; 25), Spoleto: Fondazione Centro Italiano di Studi sull'alto Medioevo 2019, XII + 345 S., ISBN 978-88-6809-267-2, EUR 48,00
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"Contra episcopum loqui superbum est". So schrieb lapidar der Mönch und Eremit Petrus Damiani († 1072), und widerlegte diesen Grundsatz sofort, indem er hinzufügte, dass man sich eher dafür entscheiden sollte, wegen nicht diskreter Äußerungen vom Urteil der Bischöfe erfasst zu werden ("in episcoporum iudicio corripi") als wegen des eigenen Schweigens vor dem Gericht des himmlischen Richters verurteilt zu werden ("ante tribunal superni iudicis de silentio condemnari"). Aus diesen, wie üblich rhetorisch fein gewählten, Worten kann man die von Petrus Damiani dargestellte und höchstwahrscheinlich erlebte grundlegende Spannung zwischen institutionellem Respekt und ermahnender Haltung herauslesen, die man in seinen Briefen an die Bischöfe finden kann. Umso aussagekräftiger sind die zitierten Überlegungen, weil sie aus einem Brief stammen, in dem er die kommunikative Situation einer Rede gegen einen fiktiven Bischof Maurus inszeniert. Es handelt sich um eine der bezeichnenden textuellen Architekturen, die in den Briefen des Eremiten immer wieder vorkommen.[1]
Eben der Figur des Bischofs in dieser wichtigen Briefsammlung widmet Caterina Ciccopiedi eine Monografie, die ihre eigenen Untersuchungen über Bischöfe und Reformen im 11. Jahrhundert erweitert [2] und insbesondere die Studie von Nicolangelo D'Acunto über die Laien in denselben Briefen ergänzt.[3] Ciccopiedi arbeitet drei mehrgliedrige Zugänge zum Thema heraus, die den drei Teilen des Buches entsprechen.
Im ersten Teil (1-148) betrachtet Ciccopiedi die Beziehungen Petrus' Damiani zu verschiedenen Bischöfen anhand der an sie adressierten Briefe. Zunächst wird die vergleichsweise umfangreiche Gruppe der mehr oder weniger in der Nähe seines Klosters Fonte Avellana liegenden Bischofssitze betrachtet (1-80), mit deren Inhabern Petrus Damiani früh und direkter Kontakte hatte. Einerseits waren die Erzbischöfe von Ravenna und andere Bischöfe aus Romagna, Marken und Umbrien hauptsächlich Ansprechpartner bezüglich der Reformanliegen des Eremiten, der eine Art ermahnende Predigtautorität über diese Diözesen beanspruchte. Simonie, Priesterzölibat, vita communis des Klerus sowie Entfremdung von Kirchengut kommen immer wieder als Hauptthemen vor. Andererseits tauchen nicht selten auch konkrete Interessenverflechtungen um Petrus Damiani als Prior von Fonte Avellana auf, die Ciccopiedi jeweils kontextualisiert. Adressatenkreis und Interessenslage änderten sich deutlich, als sich die Handlungsreichweite des Eremiten infolge der engeren Zusammenarbeit mit der römischen Kurie ausdehnte. Es geht nicht nur um Schriften an prominente Geistliche wie den Erzbischof Alfano von Salerno und den Bischof Kunibert von Turin, sondern auch um Briefe, denen sogar eine diplomatische Relevanz zukam: wie zum Beispiel dem an den byzantinischen Patriarchen Konstantinos Leichoudes (1062) oder dem an den Erzbischof Anno von Köln (1063). Beides lässt eine eher unabhängige Vermittlerposition Petrus' Damiani zwischen Empfängern und römischer Kurie vermuten. Seine komplexen Beziehungen zu Rom zeigen vor allem seine schwierigen Aufgaben als Legat in Mailand und informell in Florenz. Die Haltung Petrus' Damiani war laut Ciccopiedi oft zwiespältig, weil er einem grundlegenden Respekt für die Position der Bischöfe und für ihre häufig gute Verwaltung der Diözesen die negativen Effekte der Vermischung von kirchlichen und weltlichen Aufgaben gegenüberstellte. Nur gegenüber Bischöfen, die aus lokalen Eliten stammten und deren Interessen (auch gegen die seines Klosters) vertraten, war die Haltung des Eremiten weder respektvoll noch flexibel.
Im zweiten Teil (149-229) ändert Ciccopiedi die Perspektive ihrer Untersuchung und setzt sich mit der späteren Lebensphase Petrus' Damiani als Kardinalbischof von Ostia auseinander. Der Eremit wollte schon bald nach seiner Ernennung (1057) von seinen Aufgaben befreit werden. Der Rücktritt vom Bischofsamt war jedoch kanonisch sehr problematisch. Ciccopiedi rekonstruiert die angespannte Situation und konzentriert sich auf die über dreißig exempla, die Petrus Damiani zur Rechtfertigung seiner Entscheidung aufführte. Anschließend skizziert sie anhand einiger Briefe aus dieser Phase ein Profil des Bischofs des 11. Jahrhunderts. In diesen Briefen stellt Petrus Damiani überwiegend kritische Aspekte der Amtswahrnehmung in den Vordergrund, wie die häufig weltliche Lebensweise der Bischöfe und deren Teilnahme an militärischen Unternehmen. Im Hinblick auf den Aufbau und das methodische Vorgehen dieses Unterkapitels (177-199) wäre eine systematische und ausführliche Weiterentwicklung der stichprobenartig durchgeführten Analyse wünschenswert gewesen. Anschließend betrachtet Ciccopiedi anders gelagerte Themen: die 'subversive' Positionierung Petrus' Damiani zur Immunität der Bischöfe gegenüber Anklagen von Laien und untergeordneten Klerikern, das Schweigen der Quellen über seine Regierung der Diözese Ostia und zuletzt verschiedene Aspekte des Kardinals- und Bischofsamts in den Briefen an seine Amtskollegen.
Im dritten Teil (231-288) betrachtet die Studie zwei von Petrus Damiani verfasste Lebensbeschreibungen von Bischöfen - Mauro von Cesena und Rudolf von Gubbio. Diese in unterschiedlichen Phasen entstandenen hagiographischen Texte ergänzen das Bild des Bischofs, dessen ideales Profil aus einem Gleichgewicht zwischen kontemplativem und aktivem Leben besteht. Ciccopiedi analysiert auch die Spezifizität der Motive in diesen Vitae im Vergleich zu anderen damaligen Mustern und schlägt eine kontextualisierende Deutung der hagiographischen Texte Petrus' Damiani vor.
Ciccopiedis Monografie bestätigt die absolute Relevanz der Briefe Petrus' Damiani als Quellen über Konflikte und Transformationen in den kirchlichen Institutionen um die Mitte des 11. Jahrhunderts, insbesondere in Reichsitalien. Zielführend ist die Wahl der Figur des Bischofs als Fokus verschiedener Textanalysen, die durch die überwiegend biographische Lesart leider nicht immer miteinander integriert werden.
Während Ciccopiedis Kontextualisierung der einzelnen Texte als methodisches Vorgehen allgemein positiv zu bewerten ist, stellen einige Betrachtungen wenig stringente Exkurse dar. Vor allem wirken Deutungen der Interaktion zwischen Petrus Damiani und den Bischöfen durch Begriffe wie 'kaiserlich', 'Reichskirche' oder 'Reform' veraltet und sollten überprüft werden.
Nur punktuell deutet Ciccopiedi eine andere Strategie an, durch die der Kontext zunächst im Text selbst, in seinen Wörtern und literarischen Strukturen, untersucht wird. Diese außerordentliche Briefsammlung bleibt nämlich ein vielversprechendes Forschungsobjekt für eine systematische Diskursanalyse. Die von Ciccopiedi hervorgehobene "Schwankung zwischen Idealen und Wirklichkeit", die die historische "Größe einer Persönlichkeit wie Petrus Damiani" (278) ausmacht, ist für uns letztendlich ein Effekt der wechselseitigen Positionierung von Aussagen im Zusammenhang der damaligen diskursiven Formationen.
Anmerkungen:
[1] Die Briefe des Petrus Damiani, ed. K. Reindel (MGH, Briefe der deutschen Kaiserzeit; IV/1), B. 1, München 1983, 38, 350-351.
[2] C. Ciccopiedi: Diocesi e riforme nel Medioevo. Orientamenti ecclesiastici e religiosi dei vescovi nel Piemonte dei secoli X e XI, Cantalupa (To) 2012; Dies.: Governare le diocesi. Assestamenti riformatori in Italia settentrionale fra linee guida conciliari e pratiche vescovili (secoli XI-XII) (= Istituzioni e società; 25), Spoleto 2016.
[3] N. D'Acunto: I laici nella Chiesa e nella società secondo Pier Damiani. Ceti dominanti e riforma ecclesiastica nel secolo XI (= NSS 50), Rom 1999.
Eugenio Riversi