Barbara F. Harvey / Christopher M. Woolgar (eds.): The States of the Manors of Westminster Abbey c.1300-1422. Part 1 (= Records of Social and Economic History. New Series; 57), Oxford: Oxford University Press 2020, XVIII + 316 S., ISBN 978-0-19-726662-5, USD 90,00
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Barbara F. Harvey / Christopher M. Woolgar (eds.): The States of the Manors of Westminster Abbey c.1300-1422. Part 2 (= Records of Social and Economic History. New Series; 58), Oxford: Oxford University Press 2019, XVI + 383 S., ISBN 978-0-19-726663-2, USD 110,00
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James Bothwell / J.S. Hamilton (eds.): Fourteenth Century England XII, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2022
Gerardus Magnus: Opera omnia II, 2: Scripta contra Simoniam et Proprietarios. Cura et studio Rijcklhof Hofman et Marinus van den Berg, Turnhout: Brepols 2016
Margaret Harvey / Linda Rollason (eds.): The Rites of Durham, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2020
Die Benediktinerabtei von Westminster gehörte im Mittelalter zu den reichsten Klöstern im englischen Königreich. Nur Glastonbury war wohlhabender. Das Kloster hütete den Schrein Edwards des Bekenners und war zugleich Grablege und Krönungskirche der englischen Könige. Es besaß Dutzende von zumeist in den Home Counties oder den West Midlands gelegenen Besitzungen. Wie aber wurden diese Besitzungen verwaltet? Die Antwort auf diese Frage liefern die englischen Archive mit ihrem enormen Quellenreichtum, darunter vor allem dasjenige von Westminster Abbey selbst, das sich seit der Klosterauflösung im Besitz der Nachfolgeinstitution, d.h. im Besitz von Dekan und Kanonikerkolleg ("Dean and Chapter") befindet.
Barbara Harvey, die weltweit führende Spezialistin für die Wirtschaftsgeschichte der Abtei, begann um die Jahrtausendwende mit der Sichtung und Transkribierung der einschlägigen, im Archiv von Westminster Abbey verwahrten Wirtschaftsquellen. [1] Ihrem sich sukzessive verschlechternden Gesundheitszustand war es geschuldet, dass zu einem späteren Zeitpunkt Christopher M. Woolgar dem Editionsprojekt beitrat. Seine profunden archivalischen Kenntnisse waren maßgeblich dafür verantwortlich, das Projekt zu einem guten Abschluss zu bringen. Zwei Bände sind das Ergebnis. In ihnen finden sich 75 states of the manors of Westminster Abbey ediert, Wirtschaftsquellen, die die Zeitspanne von 1300 bis 1422 abdecken. Die Definition von states (lat. status) ist ebenso kurz wie treffend: " [...] a description of the overall financial position of the house in a summary - and intelligible - form." (9)
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts verfügte die Abtei mit ihren rund 50 Mönchen über 38.000 acres Land (1 acre = 0,4 ha), von denen 17.000 acres selbst verwaltet wurden (demesne). Die Einkünfte aus diesen Ländereien bzw. Wirtschaftsbetrieben bildeten die wirtschaftliche Grundlage für das monastische Leben, waren aber nicht immer einfach einzutreiben, zumal unterschiedliche Arten von Abgaben einzufordern waren. Gemünztes Geld war nicht in allen Fällen die Regel, häufiger traten an dessen Stelle Naturalien.
Die formale Trennung in Ressourcen, auf die der Abt und solche, auf die der Konvent zuzugreifen hatte, erfolgte 1225. Dies hatte den Vorteil, dass finanzielle Zuständigkeiten mehr oder minder klar geregelt werden konnten. Von diesem Zeitpunkt an oblag es dem Konvent, Amtsträger (obedientiaries) für die Verwaltung seiner eigenen Güter zu bestellen. Hauptverantwortlicher war der sog. bailiff, der aus den Reihen der klösterlichen Thesaurare stammte. Aus verwaltungstechnischen Gründen wurden die dem Abt gehörenden Besitzungen geographisch zwei Gebieten zugewiesen: den Eastern Parts (v.a. Middlesex) und den Western Parts (v.a. Gloucestershire und Worcestershire). Die dem Konvent zufallenden Besitzungen lagen näher an Westminster (Essex, Hertfordshire, Kent, Oxfordshire), was wohl praktischen Gründen geschuldet war: Die zuständigen klösterlichen Amtsträger sollten sich nicht zu weit vom Kloster entfernen.
Eine eigene Gruppe bildeten die sog. royal manors, deren Einkünfte für die Finanzierung königlicher Seelgerätstiftungen in Westminster (v.a. für Eleonore von Kastilien und Anna von Böhmen mit ihrem Gemahl Richard II.) verwendet werden sollten. Geht man vom Gesamteinkommen des Klosters aus, so erhielt der im liturgischen Leben der Abtei kaum präsente Abt rund ein Drittel der Einkünfte, womit sich ein Haushalt finanzieren ließ, der seiner Stellung innerhalb des Königreichs angemessen war.
Die ersten für Westminster Abbey erhaltenen accounts gehen auf das Rechnungsjahr 1252-53 zurück und betreffen den Gutshof (manor) von Todenham. Der früheste account (compotus) eines klösterlichen Amtsträgers datiert von 1282 und stammt vom Cellerar.
Das vorherrschende Ziel, das sich mit der Abfassung von manorial accounts verband, war die Klärung der Frage, was sich Pächter und Besitzer gegenseitig schuldeten. Letztere hatten darüber hinaus großes Interesse daran, etwas über den allgemeinen Zustand, d.h. über den Wert ihres Besitzes zu erfahren. Dies erleichterte zukünftige Entscheidungen in Hinblick auf mögliche Formen der Bewirtschaftung. Für die Abtei von Westminster gehen die frühesten solcher Einträge auf das Rechnungsjahr 1267-68 (für den Konvent) bzw. 1291-92 (für den Abt) zurück. Später wurden diese Informationen, der sog. valor, in einen eigenen Dokumententyp überführt.
Welche Informationen lassen sich konkret finden? Beispielhaft sei hier doc. II 4 (S. 246-272), der status maneriorum conventus Westm' vom Dezember 1312, angeführt, das, gegliedert nach den einzelnen Besitzungen des Konvents, darüber informiert, wieviel Korn (unterschiedlicher Sorten) in den Lagerhäusern vorhanden war, wieviel davon zur Aussaat verwendet werden konnte, wieviel für die Bediensteten (famuli) des Gutshofs gebraucht und ob ein nach Westminster abzugebender Überschuss erzielt wurde oder ob im Gegenteil vom Konvent zusätzliches Korn für den Hof angekauft werden musste. Nach der Auflistung des Viehbestands (staurum) wurden Ausstände und finanzielle Verpflichtungen (denarii) mit dem Ziel aufgelistet, Westminster darüber in Kenntnis zu setzen, ob mit Geldtransfers zu rechnen war. In vorliegendem Fall konnte sich der Konvent von Westminster über die abschließende Bilanzierung freuen: Et sic remanent de claro CCCxxxix li. xvj s. vj d. qua. Die Detailfülle in den Dokumenten war groß, die systematische Darstellung überzeugend - und die Informationen somit leicht verständlich und einzuordnen.
Die Sprache der in vorliegenden Bänden edierten Stücke ist Latein. Die wenigen Ausnahmen von Einsprengseln in anglo-normannischem Französisch und Mittelenglisch bestätigen die Regel. Alle Stücke bis zum Jahr 1375 liefern den vollständigen lateinischen Text mit aufgelösten Abkürzungen unter Beibehaltung der originalen orthographischen Gestalt. Aufgrund der fortschreitenden Vereinheitlichung mit stets wiederkehrenden Elementen erfolgt für die Jahre nach 1375 die Wiedergabe des Inhalts in abgekürzter Form. In einem Anhang, der auf die Edition der abbatialen Rechnungslegung folgt, findet sich die alphabetische Auflistung der in den einzelnen, die Besitzungen des Abtes betreffenden Stücken auftauchenden Namen (207-219), oftmals mit weiteren Angaben zu Lebensdaten bzw. Tätigkeit für die Abtei. Prosopographische Studien zur monastischen Verwaltungsmaschinerie dürften künftig davon profitieren.
Von unschätzbarem Wert für das Verständnis der edierten Rechnungslegung sind Wortliste und Glossar (35-47), in denen Begrifflichkeiten - von affrus (Zugpferd) über muens (Schwan) und rakkes (Futterkrippe) bis hin zu virses (Birkenholz) - verzeichnet und erläutert werden. Ein ausgesprochen zuverlässiger und kleinteilig gearbeiteter Index, der nicht nur Namen und Orte, sondern auch Sachen erfasst, leistet ebenso unschätzbare Dienste.
Die vorbildliche Quellenedition bietet Einblick in die Wirtschaftsgeschichte einer Institution, die das englische Königreich im späten Mittelalter maßgeblich prägte und dokumentiert "one of the most important changes in land management in the later Middle Ages, the transition from demesne farming back to leasing, on the two parts of one of the greatest monastic estates in the country." (30) Ihr ist eine breite Rezeption zu wünschen.
Anmerkung:
[1] Maßgeblich zur Besitzgeschichte der Abtei Barbara F. Harvey: Westminster Abbey and Its Estates in the Middle Ages, Oxford 1977; vgl. daneben zu Einzelaspekten Barbara F. Harvey: Living and Dying in England 1100-1540. The Monastic Experience, Oxford 1993.
Ralf Lützelschwab