Kathrin Bierther (Bearb.): Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Zweiter Teil, Sechster Band 1631. Die Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618-1651. Zwei Teilbände, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2022, L + 1783 S., ISBN 978-3-486-56623-9, EUR 399,00
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Dass gedruckte Quelleneditionen allen Unkenrufen zum Trotz selbst in Zeiten voranschreitender Digitalisierung für die Geschichtswissenschaft einen nach wie vor immensen Wert besitzen, illustriert der 2022 in der Reihe "Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" erschienene sechste Band zur Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618-1651 in eindrucksvoller Manier. Im konzeptionellen Mittelpunkt der von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter Helmut Neuhaus in Form von zwei Teilbänden herausgegebenen und von Kathrin Bierther bearbeiteten opulenten Brief- und Aktenedition stehen die Politik und die Kriegsführung Maximilians I. von Bayern, der Katholischen Liga und des Kaisers im Jahr 1631.
Mit der überwiegenden Konzentration auf das Jahr 1631 folgt der Band zeitlich der 1964 publizierten Quellenedition (Band II/5) von Dieter Albrecht, der auf das Kriegsjahr 1630 Bezug nahm. Das Jahr 1631 gilt, wie Bierther berechtigt in ihrem Vorwort hervorhebt, als eine der großen Zäsuren des Dreißigjährigen Krieges. Zu den Kippmomenten dieses Jahres zählten unter anderem das sich intensivierende militärische Eingreifen Schwedens, dessen Einfluss auf die protestantischen Reichsstände und die Niederlage der kaiserlich-ligistischen Armee in der Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631, die die seit der Schlacht am Weißen Berg im Jahr 1620 vorherrschende militärische und politische katholische Superiorität im Alten Reich beendete (XIII). Dem allen war der Regensburger Kurfürstentag von 1630 vorausgegangen, der unter der tatkräftigen Mitwirkung des aufstrebenden bayerischen Kurfürsten Lage und Autorität des Kaisers massiv geschwächt hatte (IX).
Die Quellen der Edition liegen mit Ausnahme von punktuellen französischen, italienischen und lateinischen Dokumenten überwiegend in deutscher Sprache vor. Für die ungedruckten Quellen wurden zahlreiche nationale und internationale Archive konsultiert; exemplarisch zu nennen sind etwa neben dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, dem Geheimen Hausarchiv und dem Staatsarchiv in München das Österreichische Staatsarchiv in Wien, das Hessische Staatsarchiv in Darmstadt, das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden und das Archives du Ministère des Affaires étrangères in La Courneuve.
Zum vereinfachten Studium beginnt der erste Teilband mit einem Inhaltsverzeichnis für beide Teilbände (V-VII). Dieses ist gut strukturiert, auch wenn es für die Übersichtlichkeit besser gewesen wäre, die Seitenangaben nicht direkt nach den Kapitelüberschriften und einem längeren Bindestrich, sondern untereinander am rechten Seitenrand zu positionieren. Nach einführenden Worten von Helmut Neuhaus (IX-X) präzisiert Kathrin Bierther in ihrem Vorwort sowohl die Hintergründe, Konzeption und Editionsrichtlinien des Bandes als auch den für die Edition relevanten historischen Kontext des Jahres 1631 (XI-XXVII). Obwohl die kurze Darstellung der historischen Gemengelage des Jahres 1631 mit Maximilian I. von Bayern im Zentrum naturgemäß äußerst zugespitzt erscheint, ist sie durchaus substanziell. Ein Verzeichnis zu den ungedruckten (XXIX-XXXI) und gedruckten Quellen, der Literatur sowie den digitalen Hilfsmitteln (XXXIII-XLII) runden den Anfang des ersten Teilbandes ebenso ab wie eine Liste mit der Zitierweise der ungedruckten und gedruckten Quellen, Zeichen und Schrifttypen (XLII-XLIV) und eine Aufzählung der in den deutschen Quellen gängigen Abkürzungen mit entsprechender Erklärung (XLV-XLVI). Die Quellen sind in den Teilbänden chronologisch, numerisch und im Falle einer thematischen Kategorisierung zusätzlich mit Großbuchstaben geordnet. Im ersten Teilband befinden sich Briefe und Akten vom 03. November 1630 bis Mitte Oktober 1631 (3-1050); im zweiten Teilband vom 11. August bis zum 31. Dezember 1631 (1051-1635). Der zweite Teilband endet mit einem chronologischen Aktenregister mitsamt alphabetischem Anhang (1637-1732) und einem für die Forschungspraxis hilfreichen Orts- und Personenregister von Martin Hille (1733-1783).
Insgesamt handelt es sich um eine sehr akribisch und aufwendig bearbeitete Quellenedition, die Historikerinnen und Historikern, Studierenden und interessierten Laien einen vertieften Einblick in das politisch-militärische Denken und Handeln im Dunstkreis von Maximilian I. von Bayern, der Katholischen Liga und des Kaisers in einem Wendejahr des Dreißigjährigen Krieges ermöglicht. Dazu liefert sie umfassendes Material für viele zukünftige politik-, militär-, diplomatie-, kommunikations- und ideengeschichtliche Forschungsarbeiten. Die erwähnenswerte Tatsache, dass Kathrin Bierther seit dem Jahr 2000 an diesem Band arbeitete, veranschaulicht die enormen Mühen, die mit einem solchen Projekt verbunden sind, weshalb den Mitwirkenden Respekt und Anerkennung zu zollen ist.
Demungeachtet sind an dieser Stelle Denkanstöße zu vermerken: So ist es hinsichtlich der chronologischen Gliederung der Briefe und Akten bedauerlich, dass nur ein gewisser Teil thematisch kategorisiert wurde, was doch einen etwas uneinheitlichen Eindruck hinterlässt und die Arbeit mit den Quellen hinsichtlich konkreterer Recherchen nicht gerade erleichtert. Beispielsweise sind die Briefe und Akten Nr. 32-166 ohne thematische Etikettierung auf den Seiten 62 bis 287 gedruckt, während die nachfolgenden Briefe und Akten unter der Nr. 167 A-167 H. kompakt unter dem Unterkapitel "Der Ligatag in Dinkelsbühl, 7. bis 21. Mai 1631" zusammengefasst sind (288-412). Es wäre daher trotz der gegebenen Herausforderung für die Mitwirkenden gewiss studierfreundlicher gewesen, alle Quellen systematisch zu ordnen.
Bezüglich der Quellenauswahl ist die Bearbeiterin wohl gewissenhaft der traditionellen Stoßrichtung der Editionsreihe gefolgt. Dementsprechend soll ohne Vorwurf nur auf eine sich daraus ergebende Problematik hingewiesen werden. Denn die in der Quellenedition zwar gewinnbringende, aber zu dominierende Darlegung der direkten Korrespondenz zwischen Maximilian I. von Bayern, einigen Fürsten der Katholischen Liga, der Militärführung und dem Kaiser korreliert zugleich mit einer vergleichsweise marginalen Abbildung der eigentlichen politischen und militärischen Entscheidungsprozesse im "Hintergrund" der Fürstenhöfe. Gerade vormoderne politische "Influencer" wie Geheime Räte, Kriegsräte und andere Ratgeber werden in der Quellenauswahl bis auf wenige Ausnahmen nur im geringen Maß berücksichtigt (beispielhaft: 1246-1250, 1252-1255, 1268-1270).
Dennoch handelt es sich bei dieser Quellenedition um eine beeindruckende Leistung, die für die weitere Forschung einen vielfältigen Mehrwert bietet. Digitalisierte Quellen mögen durch die interaktiven Recherchemöglichkeiten schneller zum Ziel führen; das besondere Gefühl durch die haptische Nutzung von gut aufbereiteten gedruckten Quelleneditionen wie die hier rezensierte können diese jedoch niemals ersetzen.
Philip Steiner