Hugo O. Bizzarri / Martin Rohde (éds.): La mort du roi: réalité, littérature, représentation. Der Tod des Königs: Realität, Literatur, Repräsentation (= Scrinium Friburgense; Bd. 52), Wiesbaden: Reichert Verlag 2021, 296 S., 12 Abb., ISBN 978-3-7520-0593-6, EUR 89,00
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Der vorliegende dreisprachige Sammelband beruht auf einem dreitägigen Freiburger Kolloquium, das vom 9. bis zum 11. September 2019 stattfand. Er stellt sich einerseits in die Tradition der kritischen Reflektion des Königstods, hat aber andererseits auch das Ziel, Verflechtungsgeschichte, Zeremonien und literarische Diskurse in den Blick zu nehmen. Er ist in drei Abschnitte geteilt, die sich der Behandlung der literarischen Darstellung des Königstods, der Realität und dem Diskurs rund um den Königstod sowie den einzelnen Königen bzw. ihren Funeralien und ihrem Sterben widmen. In der Einleitung wird knapp in die einzelnen Artikel eingeführt.
Catherine Gaullier-Bougassas untersucht die Todesgeschichte Alexanders des Großen im Alexanderroman und in der Bouquechardiere. Sie kommt zu dem Schluss, dass Alexander in den Texten die Geburt Christi antizipiert und aus ihm auf unterschiedliche Art und Weise eine christologische Figur konstruiert wird. Während im Roman Alexander angesichts der Ohnmacht gegenüber seinem eigenen Tod sein Reich aufteilt, um den Fortbestand seiner Macht zu sichern, wird aus ihm in der Bouquechardiere ein aufrichtiger Gläubiger, der sein Leben dem Dienst Gottes widmet.
Alexander der Große ist auch Thema im Beitrag von Faustina Doufikar-Aerts, die einen bemerkenswerten Einblick in die arabische und islamische Historiographie bietet, indem sie den Archetyp eines arabischen Fürstenspiegels aus dem 8. Jh. sowie eine Fülle weiterer Quellen analysiert. Vor allem der plötzliche Tod Alexanders sei es gewesen, der einen Schreibfluss in Gang gesetzt habe, um die Hintergründe dieses Todes zu beleuchten und dessen Leben zu rekonstruieren.
Gilles Lecuppre befasst sich mit der Moral der Begräbniserzählungen aus der französischen Übersetzung von Boccaccios De casibus virorum illustrium und konstatiert, dass die Anhäufung von Missgeschicken im Werk zwar einen entmutigenden Eindruck macht, die tröstliche Dimension des Genres aber nicht unterschätzt werden darf. Macht, so Lecuppre, sei nun mal zerbrechlich und selbst eine Majestät könne sich dem nicht entziehen.
Im zweiten Teil beleuchtet Michail A. Bojcov den Begriff der Einbalsamierung kritisch und möchte den Nachweis erbringen, dass die Organentnahme ("radikale Methode") nicht der Konservierung des Leichnams für die Ewigkeit gedient hat. Großen Raum nimmt dabei die Bibel ein, während das Spätmittelalter mit seinen Problemfällen (Heinrich V. 1422 / Karl VII. 1461) seltsam unbeleuchtet bleibt und der Erzählstrang durch Bojcov zügig in die Frühe Neuzeit übergeleitet wird. Bojcov rekurriert dabei nicht auf die großen Traditionslinien des englischen Zeremoniells und des französischen Rituals. Die großen Vorgängerwerke von Giesey (1960) und Given-Wilson (2009) sowie neueste Forschung bleiben unberücksichtigt. Nicht eingegangen wird auf die Probleme der Memoriabeeinträchtigung durch schlechte Gerüche, die das Königreich als gestiftetes Gemeinschaftswerk beeinträchtigen, der Funeraleffigies und die Problematik der tendenziösen historiographischen Darstellung königlicher Funeralien, die der jeweils aktuellen Politik durchaus angepasst werden konnte.
Georges Martin betrachtet den rechtlichen Aspekt des Erbens und des weiblichen Einflusses auf diesen Prozess am Beispiel des Todes Ferdinands I. des Großen. Sancha von Leòn und ihre Tochter Urraca zeichnet er dabei als zwei mächtige, entschlossene und intelligente Erbinnen, wobei letztere wohl nach dem Tod ihrer Mutter im ungelösten Machtkampf um das Gesamterbe auch vor einem Attentat nicht zurückschreckte. Der weibliche Einfluss habe entscheidend zur territorialen Zersplitterung der christlichen Königreiche Spaniens im 11. Jahrhundert beigetragen.
Amaia Arizaletas Untersuchungsgegenstand ist das Insert der Epistola de morte Friderici imperatoris in eine Miscellanhandschrift des Klosters Santa Maria de Ripoll, die sich heute in der BnF befindet. Nach einem Abgleich mit Vorgängertexten kommt sie zu dem Schluss, dieser Brief sei inseriert worden, weil die Monarchie Aragons sich einer mächtigen Verbindung habe rühmen können. Um den Brief zu inserieren, wurde zu seinen Gunsten sogar ein anderer Text gelöscht, da man für das Insert Platz benötigt habe.
Literarische Spuren königlicher Bestattungszeremonien in spanischen Chroniken analysiert Ariel Guiance und arbeitet gekonnt heraus, dass die Funeralien des mittelalterlichen Kastilien weder den transzendenten Charakter noch die heilige Dimension derjenigen Funeralien hatten, die sich auf dem restlichen Kontinent etablieren konnten. Damit sei aber keinesfalls Machtlosigkeit ausgedrückt worden, sondern eine eigene historische Tradition, die keine komplexen rituellen Elemente benötigt habe.
Poetisch hingegen kommt der Tod des Herrschers im Beitrag von Hugo O. Bizzarri daher, den er anhand der Grabdichtung der Könige Heinrich II. und III. von Kastilien untersucht. Diese Dichtung habe, so Bizzarri, eine bedeutende Rolle im Legitimationsdiskurs gespielt.
Im dritten Teil zeigt Anne-Marie Helvétius anhand von Quellen zu den letzten Lebensjahren Chlodwigs I., dass sich der Frankenkönig als neuer Konstantin identifizierte habe und so inspiriert wurde, die Basilika der Heiligen Apostel (heute Panthéon/Paris) zu bauen.
Hans-Joachim Schmidt untersucht den Tod Kaiser Heinrichs VII. im Jahr 1313 in Italien. Sein plötzlicher Tod (mors repentina) ließ die Legende, der König sei vergiftet worden, entstehen. Dass der sich auf dem Kriegszug befindliche Kaiser plötzlich starb, verlangte nach Erklärungen und Entschuldigungen. Der Mord am Kaiser wurde in eine Traditionslinie ermordeter Herrscher gestellt und/oder in eine quasi-religiöse Aura gehüllt. Andere Berichte wiesen den Mordverdacht zurück. Schmidt konstatiert: "Die Erzählung vom Giftanschlag war eine Fiktion." Doch die Fiktion in der Historiographie ist vielleicht viel eher mit moralisierender Vorstellungsgeschichte (Goetz) und einer Verflechtung historiographischer Bewältigung (Beumann) zu erklären, da die stark konträren historiographischen Aussagen vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Krankheits- und Gottesstrafenvorstellung agierten, was von Schmidt leider nicht in Betracht gezogen wurde.
Die Performanz der Funeralien Roberts von Anjou (1343) in Neapel betrachtet Mirko Vagnoni. Die Feierlichkeiten seien in eher intimem Rahmen vonstattengegangen, habe man den Leichnam doch nur Wenigen im Chor von Santa Chiara gezeigt. Fakt ist, dass Robert im Mönchshabit zu Grabe getragen wurde, während seine Schwägerin noch im goldenen Mantel aufgebahrt worden war. Unberührt von den unterschiedlichen performativen Elementen bleibt die Frage nach den Wurzeln und Verflechtungen, denn schon auf den ersten Blick zeigen sich sowohl Elemente aus dem Ritus der französischen Funeralien (Zurschaustellen im Chor, goldener Mantel, Prozession zur Kirche), als auch der späteren Performanz in Burgund (in Champmol ließen sich die Herzöge im Kartäuserhabit zu Grabe tragen). Dazu kommt, dass Robert von Anjou dem Älteren Haus von Anjou und nicht dem Ersten Haus von Anjou entstammte, und vermutet werden kann, dass der König von Neapel eine Abgrenzung vom Zeremoniell der englischen Funeralien dezidiert beabsichtigte.
Murielle Gaude-Ferragu beschäftigt sich mit dem Tod König Karls V. Er habe eine wohlüberlegte Begräbnispolitik betrieben und seinen Willen manifestiert, die Legitimität der Valois zu bekräftigen. Seine sepulkralen Innovationen seien lediglich ein Teil der monumentalen, künstlerischen und literarischen Politik des Königs gewesen, deren "Ausmaß Historiker noch immer ermessen müssen".
Ein zweiter Artikel Michail A. Bojcovs schreibt die ereignisgeschichtliche Chronologie des Sterbens Kaiser Friedrichs III. nach dessen Beinamputation fort. Gedeutet werden die kosmologischen Vorzeichen, die die Chronisten in ihren Werken der Krankheit und dem Tod des Monarchen voranstellten. Eine Verknüpfung dieser kosmologischen Interpretation mit der Krankheit und dem Tod des Herrschers unterbleibt jedoch. Ebenso im Dunkeln bleiben die Intentionen der in den Berichten sehr unterschiedlich dargestellten historischen Diagnosen im Hinblick auf die kaiserliche Memoria, während die retrospektive Diagnose, obwohl medizinhistorisch als Methode durch Probst (1994), Leven (1998), Eckart / Jütte (2007) sehr umstritten [1], durch Bojcov gleichzeitig sowohl bemüht ("angeblicher Schlaganfall") als auch relativiert wird. So bleibt am Ende offen, welche Frage der Artikel beantwortet, denn dass ein Aneinanderreihen der Quellenaussagen keinesfalls das Ereignis selbst rekonstruiert, dürfte schon durch die kosmologischen Vorzeichen, die die Berichte gesehen haben wollen, auf der Hand liegen.
Insgesamt ist der Sammelband ein wichtiges interdisziplinäres Werk, das sich in die Traditionslinie seit Hope (1914) [2] stellt und vor allem kastilische Riten in den Blick nimmt. Leider verzichtet der Band auf eine Bibliographie am Ende der Beiträge oder insgesamt, sodass deren Einordnung in den Forschungskontext etwas mühsam ist.
Anmerkungen:
[1] Christian Probst: Reine Spekulation, in: Deutsches Ärzteblatt, A, 91 (1994), 843f.; Karl-Heinz Leven: Krankheiten - historische Deutung versus retrospektive Diagnose, in: Norbert Paul / Thomas Schlich (Hgg.): Medizingeschichte: Aufgaben, Probleme, Perspektiven, Frankfurt / New York 1998, 153-185; Wolfgang U. Eckart / Robert Jütte: Medizingeschichte. Eine Einführung, Köln / Weimar / Wien 2007, 329-331.
[2] William Henry St. John Hope: The Funeral, Monument, and Chantry Chapel of King Henry the Fifth, in: Archaeologia or miscellaneous tracts relating to antiquity 65 (1914), 129-186.
Monja Schünemann