José Carlos López-Gómez: El ocaso de los dioses en Hispania. Transformaciones religiosas en el siglo III (= Anejos de Archivo español de arqueología; 92), Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Científicas 2021, 305 S., ISBN 978-84-00-10880-9, EUR 28,00
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Juan Manuel Abascal / Martín Almagro-Gorbea / Rosario Cebrián / Ignacio Hotelano: Segóbriga 2007. Resumen de las intervenciones arquelógicas, Cuenca: Consorcio del Parque Arqueológico de Segobriga 2008
Sabine Panzram (Hg.): Städte im Wandel. Bauliche Inszenierung und literarische Stilisierung lokaler Eliten auf der Iberischen Halbinsel, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2007
Elisabeth A. Richert: Native Religion under Roman Domination. Deities, springs and mountains in the north-west of the Iberian Peninsula, Oxford: Archaeopress 2005
Über eine lange Zeitspanne galt, dass die paganen, polytheistischen Kulte vom Christentum unmittelbar verdrängt worden seien. Die Setzung war eine Folge der philologisch-althistorisch ausgerichteten Forschung seit Gibbon. Sie postulierte einen engen Zusammenhang im Sinne von konkreter Ursache und direkter Wirkung flächendeckend an allen Orten und Stellen. Diese Kausalität ist im Laufe der vergangenen Generation aufgrund der Ausgrabungen in einigen, besonders östlichen Provinzen des Römischen Reiches [1] jedoch zu Recht infrage gestellt worden. Sei es, dass die zeitliche Lücke zwischen der Aufgabe der paganen Heiligtümer einerseits und der Einführung des Christentums andererseits zu groß erscheint, sei es, dass an den entsprechenden Fundplätzen christliche Präsenz gar nicht vorliegt bzw. epigraphisch oder archäologisch jedenfalls nicht aufscheint. Es sieht vielmehr ganz allgemein so aus, als ob die paganen Heiligtümer bereits darnieder lagen, als der Siegeszug des Christentums begann. Für den regelhaften Niedergang dieser Heiligtümer und Kulte braucht es daher andere Begründungen, der zeitliche Abstand bis zur Einführung des Christentums ist jeweils gesondert zu bestimmen. Damit ist die Themenstellung der hier anzuzeigenden Arbeit präzise umschrieben, die sich die notwendige Untersuchung für die Iberische Halbinsel vorgenommen hat (22 und 28).
Da von Haus aus Althistoriker, beschreitet der Autor methodisch einen Weg, auf dem er neben den (feld)archäologischen auch die epigraphischen Befunde einbezieht (28-31). Das Vorgehen ist fruchtbringend, da sich die beiden Ansätze gegenseitig ergänzen. Angesichts der Größe des Unterfangens beginnt er mit der Untersuchung der Heiligtumsbefunde in der Tarraconensis, die sämtlich berücksichtigt sind (61-148) und dehnt sie erst in einem zweiten Schritt auf die bätische (149-181) und die lusitanische Provinz (183-202) aus, in denen nur ausgesuchte Fundplätze in den Katalog Aufnahme fanden (30f.). So bilden die Kapitel 4 bis 6 den Hauptteil des Werkes (61-202). Sie enthalten ausführliche Beschreibungen der Befunde und folgen auf die Einführung (Kapitel 1) mit der Darstellung der Forschungsgeschichte und der Begründung zur Gliederung sowie auf Kapitel 2, das in großen Linien das Wesen der römischen polytheistischen Religion schildert. Bei der Untersuchung gerade der tarraconensischen Heiligtümer zeigte sich jedoch sehr bald die Schwierigkeit, dass die Grabungsbefunde eine konkrete Antwort auf die gestellten Fragen oft gar nicht hergaben, etwa deshalb, weil Anzeichen für christliche Präsenz allzu spärlich waren oder sogar fehlten. Dem Problem ist der Autor begegnet, indem er zweistufig klassifiziert hat: in Heiligtümer mit gesteigertem Aussagewert und solche ohne diesen (31). Dadurch wird jedoch das Verständnis für den Leser erschwert. Dieses Problem löst der Autor mit dem geschickten Kunstgriff der Vorschaltung des Kapitel 3. Darin legt der Autor den Fall Carthago Novas exemplarisch dar, um die Vielschichtigkeit der Problematik aufzuzeigen (35-60). Im Hinblick auf eine vergleichende Auswertung erfolgt in Kapitel 7 die Untersuchung der entsprechenden Situation in den benachbarten Provinzen Gallien, Britannien und Nordafrika. Die Kapitel 8 und 9 enthalten schließlich die Auswertung und den Schluss, das Kapitel 10 rundet mit einem Abkürzungsverzeichnis und der Bibliographie das Werk ab. Die Gliederung ist schlüssig, eingängig und geeignet, der Fragestellung entsprechende Antworten abzufordern.
Stellvertretend kann auch für diese Besprechung der Befund aus Carthago Nova dienen (Kapitel 3), da er das Ergebnis der Auswertung des Fundplatzkatalogs (Kapitel 4-6) in allgemeingültiger Weise vorwegnimmt (58-60). Archäologisch hat die Forschung eine Auflassung der Gebäude in der Stadt ab dem 2./3. Jahrhundert festgestellt: so ist das Theater zur Mitte des 2. Jahrhunderts einer Brandzerstörung anheimgefallen und wurde in der Folgezeit Opfer von Steinraub, am Ende des 4. Jahrhunderts lassen sich Handwerksbetriebe/Werkstätten auf dem Ruinengelände nieder; der Steinraub in der Curia auf dem Forum begann am Ende des 2. Jahrhunderts, das Bauwerk brach in der zweiten Hälfte des 3. bzw. am Anfang des 4. Jahrhunderts zusammen; das sogenannte Augusteum in der Nachbarschaft des Forums stellte im zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts seinen Betrieb ein; der Kultbezirk der Isis in der Insula II muss spätestens am Ende des 3. Jahrhunderts nicht mehr als solcher genutzt worden sein, da sich kurz darauf Handwerksbetriebe bzw. Werkstätten auf dem Platz installieren. Das Phänomen des Niedergangs betrifft nicht nur die Stadt selbst, sondern auch das Umland. So haben sich auf einigen Bereichen der Fußböden des Fortuna-Heiligtums in Los Baños de Fortuna Ablagerungen schon im 2. Jahrhundert gebildet, auf denen sich im 4. Jahrhundert dann eine neue Nutzung etablierte. Das Datum im 2. Jahrhundert wird von der Fundkeramik geliefert, die in der Folgezeit kontinuierlich abnimmt.
Gegenüber diesem auch in seiner Masse überwältigend klaren Befund fällt die Aussagekraft der epigraphischen Hinterlassenschaft deutlich ab. Diese kann sich allein darauf stützen, dass - wie überall im westlichen Römischen Reich sonst auch - der epigraphic habit seit der Mitte des 2. Jahrhunderts schrittweise zurückgeht, um am Anfang des 3. Jahrhunderts (in Carthago Nova datiert die letzte Inschrift 225) auszulaufen. Dafür werden reichsweit sowohl äußere wie innere Gründe erkannt (58 Anm. 71).
Allen diesen Auflösungserscheinungen steht das aufkeimende Christentum gegenüber, das in der Region von Carthago Nova im Unterschied zu den meisten der in Kapitel 4-6 aufgelisteten Fundplätzen belegt ist. Es wird im 5. Jahrhundert durch Schmuck, Keramik und Lampen mit christlicher Ikonographie gegenständlich sichtbar. Die sehr geringe Anzahl an beweglichem Fundgut spiegelt aber die Wirklichkeit wahrscheinlich nicht vollends wider: verweist doch das christliche Mausoleum von La Alberca aus dem 4. Jahrhundert in der Zusammenschau mit den Akten des Konzils von Elvira (308-313), in dem ein Presbyter von Carthago Nova als Teilnehmer erwähnt ist, auf eine andere Realität.
Die Schilderung der Situation in Carthago Nova zeigt das zugrunde liegende Problem in anschaulicher Weise. Trotz der Verschiedenheit der geschilderten Einzelbefunde fallen diese zeitlich recht nah zusammen. Demnach ist der Niedergang der paganen Heiligtümer und Kulte ganz allgemein ins 3. Jahrhundert zu datieren. Durch den sakralen wie auch institutionellen und damit politischen Charakter der fraglichen Gebäude und Anlagen ergeben sich Konsequenzen für die Gemeinwesen; denn angesichts der eingestürzten Curia, der ruinösen Tempel und des ausgeraubten Theaters konnte das gewohnte städtische Leben in seinem beständigen Rhythmus keine Fortsetzung finden und wurde einschneidend unterbrochen. Damit war nicht nur das religiöse Leben mit seinen Opfern, Banketts, Festen und Prozessionen betroffen, sondern auch das politische: Wo hätten die Sitzungen des Ordo stattfinden sollen? Die Entwicklung hatte zur Folge, dass sich die Stadtbilder in dieser Zeit im Vergleich zu ihrem Erscheinungsbild im 1. Jahrhundert grundlegend veränderten.
Die Zusammenfassung im Schlusskapitel 9 (249?254) zeigt, dass in den Hispaniae der Niedergang der paganen Heiligtümer und Kulte im ausgehenden 2. Jahrhundert beginnt. Er manifestiert sich in der Regel durch das einsetzende Schweigen der archäologischen und epigraphischen Quellen, das den Schluss auf mangelnde Aktivität zulässt. Die Gründe für die Auflösung bzw. die Profanisierung der öffentlichen wie der privaten Heiligtümer werden einerseits im Abstieg der Wirtschaft als Folge der Krise des 3. Jahrhunderts und andererseits in einer gewandelten Einstellung der Gesellschaft erkannt. Durch die Verarmung der führenden Familien kommt es zum Erliegen der Bautätigkeit, der Unterhaltung der Bauten, der Anfertigung von Inschriften, der aufwändigen Opferungen, der Ausrichtung von Spielen und Prozessionen, der Übernahme der mit erheblichen Kosten verbundenen Priesterämter, der Finanzierung der Collegia. Dies löste bei den unteren Bevölkerungsschichten Desinteresse aus. Die harten Auseinandersetzungen der christlichen Schriftquellen mit dem Heidentum zeigen jedoch, dass der Polytheismus im Römischen Reich weiterlebte. Sie dürften in den Hispaniae aber kaum Nahrung gefunden haben, da die entsprechenden Heiligtümer nicht mehr bestanden bzw. nicht mehr funktionsfähig waren. Auch wenn häufig ein konkreter Ansatzpunkt fehlt, so könnte es in der kultischen Praxis Änderungen im paganen Ritual gegeben haben, indem aufwändige Opfer durch frugale ersetzt wurden, durch Libationen und Gebete. Jedenfalls werden Auseinandersetzungen zwischen Heiden und Christen im Befund nicht sichtbar. So ist bisher etwa kein antiker Tempelbau bekannt, der zeitnah zu einer christlichen Kirche umgewidmet worden wäre. Augusta Emerita, die Hauptstadt Lusitaniens, bildet angesichts ihrer Häufung an archäologischen Befunden die Ausnahme; sie ist die wichtigste Stadt Hispaniens im 5. Jahrhundert.
Das Problem führt zu dem zweiten Grund des gesellschaftlichen Wandels. Die Situation beschreibt der Titel eines berühmten Buches von John Scheid: Quand faire, c'est croire [2]. Wenn aber der äußere Rahmen darnieder liegt, wo spielt sich dann das religiöse Leben in den heidnischen Heiligtümern ab? Inhaltlich eröffnete das Christentum demgegenüber durch seine Verheißung neue Möglichkeiten zur Gotteserfahrung, wie die Transsubstantiation, die eine neue Innerlichkeit bedeutete. Organisatorisch verfügte die Kirche aufgrund ihrer klaren Strukturen über ein wirkungsvolles Instrument, das durch seinen Gleichheitsgrundsatz gerade auch die soziale Kohäsion beförderte. Auf diese Weise erscheint der Übergang von dem untergehenden Polytheismus im 3. Jahrhundert zum neuen Monotheismus, der in Hispanien erst im 5. Jahrhundert bestimmend wird, insofern gleitend, als Quellen fehlen, die eine denkbare, mögliche, unmittelbare Interaktion beschreiben würden. Diese ist angesichts des weit mehr als ein Jahrhundert reichenden zeitlichen Abstandes wohl auch nicht zu erwarten.
Mit diesem Werk werden die hispanischen den übrigen Provinzen an die Seite gestellt und in die eingangs geschilderte Forschungsrichtung integriert. Die methodische Herangehensweise des Autors ist sauber. Sein Blickwinkel ist bei allen Schilderungen von Details doch stets derjenige der Fernsicht. Kurze, treffende Beschreibungen charakterisieren die Befunde an den jeweiligen Fundplätzen, die durch Karten und Pläne gut ergänzt werden, so dass sie sich auch dem auswärtigen Leser erschließen. Seine Auswertung ist unter Einbeziehung der aktuellen Literatur abgewogen, umfassend und knapp. Für künftige Forschungen zur möglichen weiteren Ausdifferenzierung der Einzelfälle und der Eröffnung einer größeren Nahsicht hat er damit den Rahmen gesetzt, den Grund gelegt und für Hispanien das Referenzwerk geschaffen. Das ist nicht nur angesichts des enormen Umfangs der Thematik sowie der zu bewältigenden Literatur nicht wenig.
Anmerkungen:
[1] Zusammenfassend Alan Cameron: The Last Pagans of Rome, Oxford 2011.
[2] Quand faire, c'est croire. Les rites sacrificiels des Romains, Collection historique, Paris 2005.
Thomas Schattner