Stephan Lauper: Das 'Briefbuch' der Strassburger Johanniterkommende Zum Grünen Wörth. Untersuchungen und Edition (= Scrinium Friburgense; Bd. 53), Wiesbaden: Reichert Verlag 2021, 464 S., 26 Abb., ISBN 978-3-7520-0599-8, EUR 110,00
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Die an der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg / Schweiz entstandene Dissertation von Stephan Lauper widmet sich dem jüngsten der als "Memorialbücher" bezeichneten Urkundenbücher der Strassburger Johanniterkommende Zum Grünen Wörth. In ihnen sind die wichtigsten Schriften zur Sicherung der Gründung des Strassburger Patriziers Rulman Merswin (♰ 1382) einschliesslich der ihm als "Autographen" zugeschriebenen literarischen Werke enthalten. Im Original überliefert sind davon das sog. "Grosse deutsche Memorial" (datiert 1382-1391), das "Pflegermemorial" (ab 1390), das "Briefbuch" (1395-1408) sowie die nur in späten Abschriften erhaltenen "Lateinischen Memoriale". Das Briefbuch nimmt darin insofern eine Sonderstellung ein, als es auch die Korrespondenz des Gründers mit der Figur des "Gottesfreundes im Oberland", enthält, die die ältere Forschung stark beschäftigt hat. Laupers Untersuchung geht nur kurz auf die vergangenen Kontroversen ein, bietet hingegen eine Neuedition des Briefbuches. Er ergänzt damit in willkommener Weise die umfangreiche, wichtige Studie der Kölner Germanistin Christiane Krusenbaum-Verheugen aus dem Jahr 2013, die der ganzen Forschung zur sog. Gottesfreundliteratur eine neue Grundlage verliehen hat. [1]
Der Edition voraus geht ein ausführlicher Untersuchungsteil, in dem zunächst die kodikologischen und paläographischen Aspekte der Handschrift des Briefbuches (Strassburg, Archives departementales du Bas-Rhin, H 2185) in den Blick genommen werden. Sehr detailliert beschäftigt sich Lauper mit dem Einband der Handschrift, die als einzige der Memorialbücher Spuren eines Kettenbandes aufweist. Es folgen Beobachtungen zum Schreibmaterial, Schriftspiegel und zur Interpunktion sowie zu den verschiedenen Schreiberhänden, zu denen auch die Hand des Nikolaus von Löwen gehörte, den Karl Rieger früher als Fälscher der Gottesfreundfiktion ansah. Hinsichtlich der "Autographen" Rulman Merswins, die im Briefbuch eingenäht worden waren, kommt er zum Ergebnis, dass sie tatsächlich von Merswin stammen könnten. Interessant ist seine Beobachtung, dass eine der Schreiberhände einer Hand in einer Sammelhandschrift zugewiesen werden kann, die Auszüge aus Tauler und dem "Büchlein der ewigen Weisheit" enthält und vermutlich aus dem Skriptorium eines Strassburger Dominikanerinnenkloster stammt.
Zwei weitere Kapitel beschäftigen sich mit der inhaltlichen Konzeption des Briefbuchs und seinem historischen Kontext. In der Interpretation der sogenannten Gottesfreundliteratur folgt der Autor weitgehend der Auffassung von Christiane Krusenbaum-Verheugen. So wird die Figur des Gottesfreundes aus dem Oberland definitiv als Fiktion abgehandelt. Sein Briefwechsel mit Rulman Merswin und anderen an der Gründung und am Bau der Johanniterkirche beteiligten Personen diente Lauper zufolge der Selbstvergewisserung der in der Kommende Zum Grünen Wörth vereinten Gemeinschaft von frommen Laien und Priestern. Das Gleiche gilt auch für die literarischen Texte des Briefbuches, mit Hilfe derer die Weltabkehr der Mitglieder spirituell fundiert werden sollte. Nur knapp behandelt Lauper die Überlieferung und Herkunft dieser geistlichen "Hausbibliothek" (Krusenbaum-Verhoegen). So geht er auch nicht weiter ein auf die von Krusenbaum-Verhoegen aufgedeckte Verbindung des Grünen Wörth zur frühen Observanzbewegung.
Mit Blick auf die nachfolgende Edition des Briefbuches konzentriert sich Lauper vielmehr ganz auf die Strassburger Memorialbücher in ihrer Gesamtheit und des Briefbuches im Besonderen. So untersucht er erstmals genauer die Funktion der Rubriken in roter Tinte, die Auskunft geben über den Zeitpunkt und den inneren Zusammenhang der Briefe. Interessant sind auch seine Ausführungen zum historischen Kontext der Gründung des Grünen Wörth. Sie beleuchten sowohl die finanziellen Beweggründe des Johanniterordens als auch die in den Stifterviten dargelegten Motive der Laienmitglieder. In diesem Zusammenhang untersucht Lauper erstmals auch die Bildthemen der Miniaturen des "Meistermemorials" mit Darstellung der beiden Klosterpatrone Johannes des Täufers sowie Johannes Evangelista.
Die Edition selber basiert auf dem Text der Strassburger Handschrift, berücksichtigt aber auch andere Varianten, die bei Krusenbaum-Verheugen näher beschrieben sind. Ziel ist ein gut lesbarer Text, bei dem die in den Rubriken erkennbaren Absichten ebenfalls in roter Farbe kenntlich gemacht werden. Der Apparat beschränkt sich auf sprachliche Anmerkungen und gelegentliche Zusätze im Text.
Ein ausführliches Register erleichtert die Benützung von einleitendem Text und Edition. Besonders hervorzuheben ist die hervorragende Qualität der Abbildungen. In ihnen wird sichtbar die vom Verfasser herausgearbeitete zentrale Bedeutung des Briefbuches im Leben der Kommende Zum Grünen Wörth.
Anmerkung:
[1] Christine Krusenbaum-Verheugen: Figuren der Referenz. Untersuchungen zu Überlieferung und Komposition der 'Gottesfreundliteratur' in der Straßburger Johanniterkomturei zum 'Grünen Wörth', Tübingen / Basel 2013.
Vgl. ferner ihren Beitrag: Briefe ohne Referenz. Imaginäre Korrespondenz des Gottesfreundes aus dem Oberland, in: Friends of God. Vernacular Literature and Religious Elites in the Rhineland and the Low Countries (1300-1500) (= Temi e Testi, 171), hg. v. Wybren Scheepsma, Gijs van Vliet, Geert Warnar, Rom 2018, 137-161.
Martina Wehrli-Johns