Franz-Josef Meiers: Außen- und Sicherheitspolitik im geteilten Deutschland. Eine Verflechtungsgeschichte, Berlin: BeBra Verlag 2023, 745 S., ISBN 978-3-95410-308-9, EUR 36,00
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Zu Beginn seiner Studie behauptet Franz-Josef Meiers, dass das von Christoph Kleßmann formulierte Konzept der "asymmetrisch verflochtenen Parallelgeschichte" zwar auf viele Untersuchungsfelder der deutsch-deutschen Geschichte inzwischen angewandt worden sei, nicht aber auf die Außen- und Sicherheitspolitik, und das, obwohl beide deutsche Staaten gerade auf diesem Gebiet immer sehr eng aufeinander bezogen waren. Dabei macht er zu Recht darauf aufmerksam, dass es nicht ausreiche, nur die Bundesrepublik und die DDR zu betrachten, sondern dass auch das internationale Umfeld in Gestalt der Allianzen, denen beide Staaten angehörten, sowie der weltpolitischen Konstellation in die Analyse mit einbezogen werden müsse. Er identifiziert vier Entwicklungsphasen - 1949-1969, 1969/70-1978/79, 1979-1985 und 1985-1990 -, an deren Ende eine "Umkehr der deutschen Nachkriegsgeschichte" (367), also die Aufhebung der Teilung durch die Wiedervereinigung gelang. Er geht allerdings nicht streng chronologisch vor, sondern untersucht nacheinander vier sich zum Teil zeitlich überlappende Aktionsfelder: die deutsch-deutschen Beziehungen zwischen 1949 und 1985, die Auswirkungen des KSZE-Prozesses auf die Deutschlandpolitik (1973-1989), die Rolle der beiden deutschen Staaten in der Auseinandersetzung um den NATO-Doppelbeschluss, einschließlich der Nachgeschichte (1972-1990), und schließlich die Wiedervereinigung mit ihrer bis zum Amtsantritt Gorbatschows 1985 zurückreichenden Vorgeschichte. Das hat den Vorteil, dass die beiden Komplexe KSZE und Nuklearrüstung separat abgehandelt werden können, bedingt aber die eine oder andere Redundanz.
Bereits das Kapitel zu den deutsch-deutschen Beziehungen - die Besatzungsjahre werden nur knapp gestreift - lässt die zeitliche Schwerpunktsetzung auf die späten 1960er, die 1970er und 1980er Jahre erkennen, in denen es mehr Miteinander gab als "Verflechtung in der Abgrenzung". Die Darstellung des sechsten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts enthält leider nur sehr wenig zu den ostdeutsch-sowjetischen Beziehungen, obwohl diese für die ostdeutsche Haltung zur Bundesrepublik von entscheidender Bedeutung waren. Seit der von westdeutscher Seite initiierten Entspannungspolitik gegenüber der DDR wird die Darstellung dichter, in der zutreffend dargelegt wird, dass der Handlungsspielraum der Bundesrepublik gegenüber den USA weitaus größer war als der der DDR gegenüber der Sowjetunion, die in dieser Phase eine Feinsteuerung ihres ostdeutschen Verbündeten betrieb. Die 1970er Jahre mit dem Auf und Ab der deutsch-deutschen Beziehungen, die zwischen Phasen stärkerer Abgrenzung und engerer Kooperation oszillierten, sind ein Kernbestandteil dieses Kapitels, in dem überdies die Zäsur von 1981 für die DDR-Außenpolitik klar herausgestellt wird. Denn damals kündigte die Sowjetunion an, der DDR künftig statt 19 nur noch 17 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr zu liefern, was diese in erhebliche finanzielle Nöte stürzte und dazu bewog, sich enger als bisher mit der Bundesrepublik einzulassen.
Der KSZE-Prozess, der mit der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki 1975 eingeleitet wurde, war insofern für die deutsch-deutschen Beziehungen von besonderer Relevanz, als die Bundesrepublik darauf achten musste, dass trotz einer grundsätzlichen Anerkennung des territorialen Status quo in Europa ihr die Möglichkeit einer friedlichen Wiedervereinigung erhalten blieb. Für die DDR entpuppte sich die Schlussakte als gefährliches Dokument, da dieses zur Berufungsgrundlage für zahlreiche ausreisewillige Bürger wurde. Die Sowjetunion setzte sich schon bei der Verhandlung der Schlussakte über die Wünsche der DDR hinweg, die für sehr viel restriktivere Formulierungen in dem humanitäre Belange betreffenden Korb III plädierte - ein Verhaltensmuster, das sich in den Folgetreffen von Madrid und Wien fortsetzte. Die Bedeutung der Entspannungspolitik lag daher nicht in der "Bindewirkung für die DDR im Zuge der Vertragspolitik mit der Bundesrepublik und der KSZE" (597), sondern darin, dass die Festlegungen der Schlussakte zu einer Ausreisebewegung aus dem ostdeutschen Staat führte, die diesen destabilisierte.
Dass das Kapitel zu den deutsch-deutschen Beziehungen im Schatten der Stationierung von Mittelstreckenwaffen mit "Sicherheitspartnerschaft" überschrieben ist (313), ist irritierend: Denn die beiden deutschen Staaten waren in den frühen 1980er Jahren keine Partner, sondern Kontrahenten, von denen der eine auf der östlichen, der andere aber auf der westlichen Seite stand. Auch wenn beide danach strebten, ihre Beziehungen zueinander möglichst unbeschadet vom "Zweiten Kalten Krieg" weiterzuführen, suchten sie ihre Sicherheit doch in dem jeweils eigenen Bündnis. Die Position der Bundesregierung, die sehr viel stärker an der Entscheidungsfindung auf westlicher Seite als die DDR auf der östlichen mitwirken konnte, wird ebenso klar herausgearbeitet wie das Dilemma, in dem sich Ost-Berlin befand, das sich auf der einen Seite in Gefolgschaftstreue gegenüber Moskau üben musste, auf der anderen Seite aber aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen war, das Verhältnis zur Bundesrepublik möglichst unbeeinträchtigt zu erhalten. Wie bekannt, nahm die DDR erhöhte Spannungen mit Moskau in Kauf, um weiterhin von den deutsch-deutschen Beziehungen profitieren zu können.
Im letzten großen Abschnitt behandelt Meiers zunächst die Auswirkungen des "Gorbatschow-Faktors" auf beide deutsche Staaten. Dabei war für die Bundesrepublik entscheidend, dass sich unter dem neuen KPdSU-Generalsekretär das westdeutsch-sowjetische Verhältnis ab 1987 entspannte und sich ein zunehmend engeres Verhältnis zwischen Gorbatschow und Kohl entwickelte. Die DDR und die Sowjetunion hingegen entfremdeten sich zusehends angesichts der sowjetischen Reformen, die die ostdeutsche Führung nicht mittragen konnte, wollte sie nicht die Fundamente ihres Staates untergraben. Denn die DDR war, wie klar herausgestellt wird, nun von West und Ost bedroht und ging in den Stürmen der Revolution von 1989 unter, da sie, wie unter Verweis auf das bekannte Diktum von Otto Reinhold wiederholt betont wird, entweder sozialistisch oder gar nicht sein konnte. Im Anschluss wird die internationale Geschichte der Wiedervereinigung erneut erzählt - besonders ausführlich thematisiert Meiers die Finanzverhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion vor Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrags.
Meiers stellt die hier nur kurz skizzierten Zusammenhänge zutreffend dar; allerdings hält sich der Neuigkeitswert in Grenzen. Denn zu allen vier großen Untersuchungsfeldern - die deutsch-deutschen Beziehungen in den 1970er und 1980er Jahren, der KSZE-Prozess, die Entwicklung vom NATO-Doppelbeschluss bis zum INF-Abkommen und die Wiedervereinigung - ist seit Ende der 1990er Jahren sehr intensiv geforscht worden. Wer, wie der Verfasser dieser Rezension, zu diesen Forschungen selbst beigetragen und sich intensiv mit deren Ergebnissen befasst hat, findet kaum Neues. Die Behauptung von Meiers zu Beginn seiner Studie, dass diese Vorgänge noch nicht in ihrer deutsch-deutschen Dimension erforscht worden seien, trifft nicht zu: Das zeigen verschiedene Sammelbände oder auch Monografien, in denen beide Seiten gebührend berücksichtigt werden. Gerade wer sich mit der DDR-Außenpolitik befasst, muss immer auch die Bundesrepublik mit einbeziehen.
Vor dem Hintergrund der zahlreichen einschlägigen, oft quellengestützten Arbeiten - die fast alle in dem ausführlichen Literaturverzeichnis aufgeführt sind - ist zudem unverständlich, dass Meiers seine Aussagen im Text - in denen bisweilen eine große Nähe zu den Formulierungen anderer Historiker festzustellen ist - fast durchgehend entweder mit bereits gedruckt vorliegenden oder ungedruckten Quellen belegt (wobei manche Dokumente nicht nach dem Archiv zitiert werden dürften, da sie schon anderweitig greifbar sind). Hier wurde viel Aufwand getrieben, um einen recht geringen Ertrag zu erzielen.
Diejenigen, die an der außen- und sicherheitspolitischen Dimension der deutsch-deutschen Geschichte in den letzten beiden Jahrzehnten der Teilung interessiert sind, können zwar nun auf ein Werk zurückgreifen, in dem die zentralen Fragen kompakt behandelt sind - ein Mehrwert gegenüber den bereits vorliegenden einschlägigen Studien ist allerdings nicht erkennbar.
Hermann Wentker