Otfried Czaika / Regine Elhs / Heinrich Holze (Hgg.): Von Büchern, Schmuck und Küchenkram. Der Nachlass der schwedischen Prinzessin Elisabeth Wasa in Verzeichnissen, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2024, 309 S., 10 Farb-Abb., ISBN 978-3-412-53049-5, EUR 59,00
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Die Publikation über die Verlassenschaft Elisabeth Wasas, geborener Prinzessin von Schweden (1549-1597), vermählter Herzogin von Mecklenburg, und ihrer Tochter, Margarete Elisabeth (1584-1616), ist im Nachgang zu einer 2009 in Stockholm veranstalteten Tagung zum Thema 'Migration und Kulturtransfer im Ostseeraum' entstanden. Das Editionsprojekt ist eine Gemeinschaftsarbeit von Wissenschaftler*innen aus diversen Disziplinen. Die Herausgeber*innen sind Otfried Bernhard Czaika, Kirchenhistoriker in Oslo, Heinrich Holze, emeritierter Kirchenhistoriker der Theologischen Fakultät der Universität Rostock, und Regine Elhs, Historikerin und Bibliothekarin an der Universitätsbibliothek Rostock. Die Transkription der vier Inventare, die heute im Reichsarchiv Stockholm verwahrt werden, erarbeiteten Sabine Pettke (mittlerweile verstorben; Universität Rostock) und Regine Elhs. Elhs war zudem verantwortlich für das Glossar und die Register.
Im ersten Abschnitt der Publikation werden die Protagonistin Elisabeth Wasa und ihr familiäres Umfeld vorgestellt. Auch erfolgt eine Einordnung ihrer Persönlichkeit in das Milieu der Eliten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts sowie die dynastisch kalkulierte Politik im europäischen Gefüge. Denn Allianzbildungen mit Hilfe gezielter Heiratspolitik waren eben nicht nur bei den Habsburgern praktiziert worden. Vermutlich wegen der wissenschaftlichen Ausrichtung der Herausgeber*innen richtet sich der Fokus sehr auf konfessionelle Aspekte, während kulturhistorische, politische und wirtschaftliche Gesichtspunkte, die nicht weniger prägend waren, unberücksichtigt bleiben. Der zweite Abschnitt beinhaltet, neben der Beschreibung des Quellenmaterials, die Vorstellung der editorischen Arbeitsschritte und kodikologische Eckdaten. Auch wird ein Überblick zur Provenienzgeschichte der Quellen gegeben. Hierauf folgt ein Abbildungsapparat, der die Protagonistinnen, wichtige Lebensstationen (Stadtansichten), einige wenige Gegenstände der Verlassenschaften (Druckwerke) sowie "Probeseiten" aus den editierten Inventaren umfasst. Aufgrund der sehr dicht mit Fakten unterlegten Biografien wäre für Leser*innen, die nicht mit schwedischer bzw. norddeutscher Geschichte vertraut sind, ein graphisch aufbereiteter Stammbaum als didaktisches Hilfsmittel wünschenswert gewesen.
Den Hauptteil nimmt die kritische Quellenedition ein. Das Seitenlayout orientiert sich an der historischen Textgestaltung, Umbrüche werden beibehalten. Die Verlassenschaft wird dabei, wie häufig bei historischen Inventaren, nach Räumlichkeiten aufgeführt. Anhand dieser topografischen Beschreibungen werden manche nicht erhaltene oder inzwischen veränderte historische Gebäude heute wieder erlebbar. Auch im vorliegenden Werk ergibt die Bestandsaufnahme das immer wieder anzutreffende Bild eines "geordneten Durcheinanders" unterschiedlicher Gegenstände. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn sich neben Alltagsobjekten, Textilien und Schmuck auch Geschäftspapiere und Schriften des Haus- oder Familienarchivs finden (155, 161, 183-188).
Inventar I, datiert 1600, listet Elisabeths Besitztümer in Schloss Gadenbusch, ihrem Hauptwohnsitz auf. Damit wird auch das wichtige Erbe ihrer Tochter Margarete, die 1608 Johann Albrecht II. von Mecklenburg heiraten wird, erschlossen. Weshalb dieses Inventar erst im Jahre 1600 also drei Jahre nach dem Tod Elisabeths, angelegt wurde, geht aus dem Buch nicht hervor. Inventar II, datiert 1607, ist als korrespondierende "Mängelliste" über Gegenstände in Gadenbusch zu lesen - auch hier bleibt der Anlass für die Inventarisierung unklar. Inventar III, datiert 1597, ist mit Auflistung von Schmuck, Kleidung und textilem Hausrat als das eigentliche Nachlassinventar der 1597 verstorbenen Elisabeth Wasa zu verstehen. Es beinhaltet zudem ein Insert von 1592, mit dem Kleider- und Bücherbesitz der Tochter Margarete. Inventar IV, datiert 1608, führt schließlich die Besitztümer Margarete Elisabeths als künftiger Herzogin von Mecklenburg auf, die sie in ihre alte/neue Heimat von Schweden aus mitnehmen wird.
Die wissenschaftlich-kritische Arbeit umfasst auch einen Anmerkungsapparat in Form von Fußnoten, worin neben erwähnten Persönlichkeiten wichtige historische Begrifflichkeiten, die heute sprachlich schwer bis unverständlich geworden sind, erläutert werden. Hierin finden sich allerdings Schwächen dieser Publikation. Die Aufschlüsselung erfolgt nicht konsequent, so fehlen essenzielle Termini (z.B. 61, 66, 72, 75, 92, 96), sind salopp formuliert (z.B. Hellebarde, Buckelpokal, Handsteine) oder nicht korrekt ausgewiesen (121f., 212, lint nicht als Flachs-Wolle-Seidengemisch, Kürassier nicht als Reiterharnisch). Auch wird der große Bestand an "Mummereikleidern" zur Verkleidung nicht als solche ausgewiesen (119) und die Identifizierung der großen Anzahl an Büchern, die wünschenswert gewesen wäre, unterbleibt (129-132, 134-138, 248-252).
Der Anhang setzt sich aus Abbildungsverzeichnis, Glossar, aufgefächertem Personen- und Ortsverzeichnis sowie dem obligaten Quellen- und Literaturverzeichnis zusammen. Die kritische Quellenedition über den Besitz Elisabeth Wasas und ihrer Tochter reiht sich in wissenschaftliche Arbeiten zu Besitzaufstellungen der frühen Neuzeit ein. Damit werden auf den ersten Blick wenig aussagekräftige Quellen erschlossen, die jedoch zum Verständnis kulturhistorischer Entwicklungen der Frühneuzeit beitragen können. [1] Gerade Inventare gelten als "vernachlässigte" Quellengattung, die bis in die jüngere Vergangenheit nur partiell, vorzugsweise für kunst- und kulturhistorische Belange zitiert und selten als eigenständige Archivalie vollständig ausgewertet worden sind.
Aus kulturhistorischer Sicht liefern dabei Inventare nicht nur wichtige Einblicke in die nüchterne Kanzleiarbeit und beleuchten administrative Arbeitsabläufe an einem Fürstenhof der frühen Neuzeit (159), sondern die Schriftstücke sind auch als juristisches Instrumentum mit Rechtsgültigkeit zu verstehen. Ebenso erläutern Nachlassinventare Besitzverhältnisse gesellschaftlicher Eliten und gewähren im Idealfall auch Einblicke in oftmals unbekannte Lebens- und Wohnverhältnisse der Zeit.
Es ist daher um so erfreulicher, dass mit der vorliegenden Arbeit über die Verlassenschaft von Elisabeth Wasa und ihrer Tochter eine kritische Edition vorliegt. Positiv zu bewerten ist, dass das Projekt finanziert werden konnte und mit Böhlau ein Verlag zur Drucklegung bereit war. Mit der kritischen Edition der vier Inventare ist ein erster Schritt im "Heben" eines Archivschatzes der Eliten der frühen Neuzeit getan. Nun bedarf es aber eines weiteren Schrittes, nämlich die Inventare auszuwerten und sie unter unterschiedlichen Gesichtspunkten zu interpretieren. Damit fände die verdienstvolle Arbeit der Herausgeber*innen - Czaika, Elhs, Holze - eine für die Geschichtswissenschaft gewinnbringende Fortsetzung.
Anmerkung:
[1] Eine Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, für den deutschen Sprachraum: Christina Antenhofer: Die Familienkiste. Mensch-Objekt-Beziehungen im Mittelalter und in der Renaissance, Ostfildern 2022; dies. (Hg.): Inventare als Texte und Artefakte. Methodische Herangehensweisen und Herausforderungen, in: ÖZG 32/3 (2021); dies.: Das Brautschatzinventar der Paola Gonzaga, verh. Gräfin von Görz (1478). Edition und Kommentar, in: Tiroler Heimat (83) 2019, 11-57; Elisabeth Reitter (Bearb.) / Thomas Kuster / Veronika Sandbichler (Leitung): Das Nachlassinventar Erzherzog Ferdinands II. von 1596. Eine datenbankbasierte Edition (2023); Hans-Jörg Künast / Rolf Kiessling (Hgg.): Die Bibliothek Konrad Peutingers [...] Band 2: Das Nachlassinventar und Ergänzungen zu den Drucken und Handschriften, Berlin 2024.
Thomas Kuster