Rezension über:

Leszek A. Wierzbicki / Dariusz Kupisz (Hgg.): Chronologia sejmów. Rzeczypospolitej Obojga Narodów (1569-1793), Warszawa: Wydawnictwo Sejmowe 2021, 333 S., ISBN 978-83-7666-714-0, POL 97,00
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Rezension von:
Jacek Kordel
Historisches Institut, Universität Warschau
Redaktionelle Betreuung:
Christoph Schutte
Empfohlene Zitierweise:
Jacek Kordel: Rezension von: Leszek A. Wierzbicki / Dariusz Kupisz (Hgg.): Chronologia sejmów. Rzeczypospolitej Obojga Narodów (1569-1793), Warszawa: Wydawnictwo Sejmowe 2021, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 10 [15.10.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/10/38442.html


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Leszek A. Wierzbicki / Dariusz Kupisz (Hgg.): Chronologia sejmów

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Der Titel des rezensierten Werkes könnte den Anschein erwecken, als handele es sich um ein chronologisches Verzeichnis der einzelnen Sejms. Das vorliegende Werk bietet jedoch weit mehr und stellt tatsächlich ein Kompendium des altpolnischen Parlamentarismus dar.

Władysław Konopczyński, der seit 1917 an der Krakauer Jagiellonen-Universität lehrende Spezialist für Verfassungs- und Diplomatiegeschichte, legte bereits in der Zwischenkriegszeit ein Projekt für eine Chronologie der polnischen Sejms vor. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gelang es ihm, eine umfangreiche Kartothek mit 1700 Einträgen anzusammeln. Die Ergebnisse seiner Arbeit konnten erst nach Kriegsende veröffentlicht werden. [1] Konopczyński stellte eine Liste der Sejms aus den Jahren 1493-1793 zusammen und ergänzte Informationen unter anderem über Beginn und Ende der Sitzungen und die Namen der Marschälle. Er nennt in seinem Werk auch die Archivsignaturen der handschriftlichen Sejm-Protokolle (diariusze sejmowe), die von ganz unterschiedlichen Akteuren (Bürgerschaften, dem polnischen Königshof, ausländischen Mächten) in Auftrag gegeben wurden und eine der grundlegenden Quellen für die Erforschung des Sejms darstellen (gedruckte diariusze wurden erst in den 1760er Jahren unter Stanislaus II. August veröffentlicht).

Schon zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung entsprach das Werk jedoch nicht mehr dem aktuellen Wissensstand. Einerseits wurden viele der von Konopczyński erwähnten handschriftlichen Quellen während des Krieges zerstört (zum Beispiel die Sammlungen, die in der Krasiński-Bibliothek oder im Hauptarchiv Alter Akten in Warschau aufbewahrt wurden). Viele Akten aus anderen Archiven wurden ebenfalls vernichtet, zum Beispiel aus dem Staatsarchiv Danzig, und die Sammlung des Lemberger Ossolineums wurde zwischen Polen und der Sowjetunion aufgeteilt. Andererseits wurden viele Dokumente aus Familienarchiven, die den Historikern bisher nicht zugänglich waren, von Staatsarchiven übernommen. Mit der Zeit eröffnete sich auch die Möglichkeit, in ausländischen Archiven und Bibliotheken zu forschen. Daher konnten in den folgenden Jahren partielle Ergänzungen veröffentlicht werden, die über neue Quellen aus in- und ausländischen Archiven und Bibliotheken, die die Geschichte des polnischen Parlamentarismus beleuchteten, informierten. [2] Dieses Wissen war jedoch verstreut. Daher erschien es den Herausgeber Leszek A. Wierzbicki und Dariusz Kupisz lohnenswert, nicht nur Angaben aus bisher veröffentlichten Werken in einer Publikation zu sammeln, sondern auch neue Forschungen sub specie einer neuen Edition durchzuführen. Vor allem ging es darum, die Quellenbasis zu erweitern und bisher unbekannte diariusze zu finden. Zur Mitarbeit wurden die bedeutendsten Experten auf dem Gebiet des polnischen Parlamentarismus eingeladen, unter anderem Ewa Dubas-Urwanowicz, Edward Opaliński, Anna Filipczak-Kocur, Bogusław Dybaś und Urszula Kosińska.

Das Werk präsentiert Informationen über 175 Sejms aus der Epoche der Wahlmonarchie (1569-1793), darunter ordentliche Sejms (sejmy zwyczajne, die alle zwei Jahre über einen Zeitraum von sechs Wochen abgehalten wurden), außerordentliche Sejms (sejmy nadzwyczajne, die aufgrund besonderer Umstände einberufen wurden und zwei Wochen lang tagten), Konvokationssejms (sejmy konwokacyjne, die nach dem Tod des Monarchen vom Primas ausgeschrieben wurden), Wahlsejms (sejmy elekcyjne, auf denen der König gewählt wurde) und Krönungssejms (sejmy koronacyjne, die nach der feierlichen Krönung stattfanden).

Für jeden Sejm werden Informationen zu folgenden Punkten angeführt: die vom König (beziehungsweise bei Versammlungen, die während eines Interregnums abgehalten wurden, vom Primas) ausgestellten Universalen (uniwersały), mittels derer der Sejm verkündet wurde; Angaben zu den Landtagen, die vor und nach einem Reichstag abgehalten wurden (sejmiki przedsejmowe, sejmiki relacyjne); Zeitpunkt und Ort, an denen der Sejm abgehalten wurde; die Namen der Marschälle der Landbotenkammer (marszałek izby poselskiej); Angaben zu den verabschiedeten Gesetzen (konstytucje sejmowe) einschließlich bibliografischer Hinweise. Besonders wertvoll sind die Informationen über die handschriftlichen Diarien, die in polnischen und ausländischen Archiven und Bibliotheken aufbewahrt werden; hierzu werden Signaturen angegeben, und gegebenenfalls Hinweise zu kritischen Quelleneditionen. Ebenfalls genannt wird die wichtigste Forschungsliteratur zu dem jeweiligen Sejm. Im Vergleich zu Konopczyńskis Werk erweitert der besprochene Band nicht nur deutlich unsere Kenntnis über die handschriftlichen Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus; er korrigiert auch die Anfangs- und Enddaten einiger Sejms, ergänzt die Informationen über sejmiki und nennt die Namen der Landboten, die das liberum veto zum Zerreißen des Sejms nutzten.

Der chronologischen Übersicht ist ein beschreibender Teil vorangestellt. In zwölf kurzen Aufsätzen werden die wichtigsten Probleme des polnischen Parlamentarismus während der Herrschaft der Wahlkönige dargestellt.

Der Klärung bedürfen die von den Herausgebern gewählten chronologischen Zäsuren. Die bisherige Forschung ging davon aus, dass die Anfänge des polnischen Parlamentarismus auf den Sejm in Petrikau im Jahr 1493 zurückgeführt werden können. Nach neueren Forschungen, unter anderem von Wacław Uruszczak, kann diese Grenze um mehrere Jahrzehnte nach hinten verschoben werden, mindestens bis 1468. [3] Die Herausgeber haben daher zu Recht beschlossen, sich auf die Zeit der Wahlmonarchie zu beschränken: Die grundlegenden Befugnisse des damaligen Parlaments ergaben sich aus den Bestimmungen der Articuli Henriciani von 1573.

Abschließend ist zu sagen, dass das besprochene Werk unser Wissen über die Geschichte des polnischen Sejms auf den neuesten Stand bringt und einen Ausgangspunkt für weitere Forschungen zum frühneuzeitlichen polnischen Parlamentarismus bildet. Besonders wertvoll ist neben dem Grundwissen über die einzelnen Sejms die umfangreiche Liste der Archiv- und Bibliothekssignaturen, hinter denen sich die handschriftlichen Sejm-Protokolle verbergen.


Anmerkung:

[1] Władysław Konopczyński: Chronologia Sejmów Polskich 1493-1793 [Chronologie der polnischen Sejms 1493-1793], in: Archiwum Komisji Historycznej PAU, Seria 2 4 (1948), 3, 127-169.

[2] Zum Beispiel Henryk Olszewski: Nowe materiały do chronologii sejmów polskich [Neue Materialien zur Chronologie der polnischen Sejms], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 9 (1957), 2, 229-258; Maria Wrede: Katalog źródeł do dziejów sejmu i sejmików I Rzeczypospolitej w zbiorach rękopisów Biblioteki Narodowej [Katalog der Quellen zur Geschichte des Sejms und der sejmiki der Adelsrepublik in der Handschriften-Sammlung der Nationalbibliothek], in: Rocznik Biblioteki Narodowej 26 (1990), 25-38.

[3] Wacław Uruszczak: Najstarszy sejm walny koronny dwuizbowy w Piotrkowie w 1468 roku [Die früheste Versammlung des Zwei-Kammer-Sejms in Petrikau im Jahre 1468], in: Narodziny Rzeczypospolitej. Studia z dziejów średniowiecza i czasów wczesnonowożytnych, Bd. 2, hgg. von Waldemar Bukowski / Tomasz Jurek, Kraków 2012, 1022-1056; Wacław Uruszczak: Pierwszy sejm walny koronny dwuizbowy od 9 do 31 października 1468 roku [Der erste Zwei-Kammer-Sejm vom 9. bis 31. Oktober 1468], in: Sejm Królestwa Polskiego i Rzeczypospolitej Obojga Narodów a europejskie reprezentacje stanowe, hgg. von Dariusz Kupisz / Wacław Uruszczak, Warszawa 2019, 60-80.

Jacek Kordel