Georg Mölich (Hg.): Rheinische Lebensbilder (= Rheinische Lebensbilder; Bd. 18), Köln: Rheinland-Verlag 2000, 256 S., ISBN 978-3-7927-1752-3, DM 44,80
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Monika Grübel / Georg Mölich (Hgg.): Jüdisches Leben im Rheinland. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2005
Georg Mölich / Joachim Oepen / Wolfgang Rosen (Hgg.): Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland, Essen: Klartext 2002
Georg Mölich / Norbert Nussbaum / Harald Wolter-von dem Knesebeck (Hgg.): Die Zisterzienser im Mittelalter, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2017
Der aufwändig gestaltete 18. Band der von Georg Mölich herausgegebenen Reihe umfasst insgesamt zehn ausführliche Biografien in chronologischer Reihenfolge. Jeder Beitrag ist illustriert und mit einem Quellen- und Literaturverzeichnis versehen. Auf einen Anmerkungsapparat wurde verzichtet. Im Anhang findet sich ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis der bisher in den Rheinischen Lebensbildern porträtierten Personen. Die einzelnen Biografien richten sich an ein breiteres Publikum und sind gut verständlich geschrieben.
Der erste Beitrag widmet sich dem Leben von Irmgard von Hammerstein, die um 1042 gestorben ist. Matthias Koch versucht, das romantisch verklärte Bild, das man sich vor allem im 19. Jahrhundert von Irmgard machte, zurechtzurücken. Gleichzeitig warnt Koch vor voreiligen Spekulationen im Zusammenhang mit dem Hammersteiner Ehestreit, da nur wenige Quellen ausdrücklich Bezug auf die langjährige Auseinandersetzung um die Auflösung der Ehe zwischen Otto und Irmgard von Hammerstein nehmen. Koch spricht verschiedene politische Konfliktbereiche an, die möglicherweise aufseiten der Mainzer Erzbischöfe und des Kaisers (Heinrich II.) in ihren wiederholten Bemühungen um eine Auflösung der Ehe eine Rolle gespielt haben, geht aber davon aus, dass eher das kirchliche Verbot der Verwandtenehe als Hauptmotiv ausschlaggebend war. Irmgard selbst tritt nur an einer Stelle als handelnde Person hervor: Als 1023 die Auflösung der Ehe erneut erzwungen werden sollte, zog sie nach Rom und appellierte bei Papst Benedikt VIII. Eine breite Darstellung der kirchenrechtlichen Hintergründe des Streites um die verbotenen Ehen unter Verwandten und eine Stammtafel, die illustriert, wie Otto und Irmgard von Hammerstein miteinander verwandt waren, runden den Beitrag ab.
Bruno IV. von Sayn, Erzbischof von Köln (um 1150-1208) steht im Mittelpunkt der von Joachim J. Halbekann verfassten zweiten Biografie. Zwar hatte Bruno IV. wenig Möglichkeiten, in seinem Amt als Kölner Erzbischof nachhaltig zu wirken, dennoch verdienen seine Karriere und die territorialpolitischen Interessen seiner Familie eine eingehendere Betrachtung. Den Hintergrund für die Karriere Brunos, dem es gelungen war, Propst mehrerer rheinischer Stifte zu werden, bildete in erster Linie der staufisch-welfische Thronstreit, wobei Bruno und seine beiden Brüder Heinrich II. und Eberhard II. von Sayn sich bereits früh und definitiv für die welfische Partei entschieden. Die konsequente Parteinahme für Otto IV. sowie seine guten Kontakte zu Papst Innozenz III. zahlten sich für Bruno IV. aus: Er wurde, als der Kölner Erzbischof Adolf von Altena in das staufische Lager wechselte, am 25. Juli 1205 auf päpstliche Initiative hin in Köln zum Erzbischof gewählt. Erst drei Jahre später konnte Bruno nach militärischen Auseinandersetzungen, einer einjährigen Gefangenschaft und nach der Ermordung Philipps von Schwaben feierlich sein Amt in Köln anzutreten. Damit war er kurz vor seinem Tod auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt.
Die dritte mittelalterliche Persönlichkeit, deren Leben von Florian Gläser skizziert wird, ist Reinhard von Schönau (um 1305-1376), der vor allem durch seine spektakuläre Beteiligung an der Finanzierung der Königswahl Karls IV. bekannt wurde. Bei Reinhard handelt es sich um einen nachgeborenen Rittersohn, der nicht auf elterliches Erbe hoffen konnte. Dennoch gelang es ihm, der erst die geistliche Laufbahn einschlug, eine bedeutende politische Karriere zu machen und eine eigene größere Herrschaft aufzubauen. Grundlage seiner Laufbahn waren seine diplomatischen Fähigkeiten und sein geschickter Umgang mit Finanzen. Seine erste politische Mission führte Reinhard von Schönau im Dienst des Grafen von Jülich nach England (1337). Seit Dezember 1342 findet man ihn beim Lütticher Bischof Adolf von der Mark. Ab 1345 wechselte Reinhard in das Erzstift Köln, wo er unter Erzbischof Walram von Jülich bis zu dessen Tod 1349 zum "Krisenmanager der desolaten kölnischen Finanzverwaltung" wurde. Nach Walrams Tod wechselte Reinhard von Schönau in die Dienste der Herzöge von Brabant. Entgegen der bisherigen Forschungsmeinung verblieb er dort offenbar auch nach der Niederlage von Baesweiler bis 1373. Der Tod ereilte Reinhard von Schönau 1376 als Mitglied des Johanniterordens auf Rhodos.
Mit Nikolaus Lauxen (1722-1791) wird das Mittelalter verlassen. Die Biografie des im 18. Jahrhundert an Rhein, Mosel und Main sehr bekannten Architekten wurde von Claudia Euskirchen verfasst. Neues Interesse an dem Architekten erwachte erst 1988, als überraschend der Grundstein der spätbarocken Dreiflügelanlage des ehemaligen Benediktinerklosters Brauweiler gefunden wurde. Lauxen, der aus einer Bopparder Handwerkerfamilie stammte, machte erst eine Maurerlehre, danach eine militärische Ausbildung als Fortifikationstechniker und Ingenieur. Später findet man ihn als Kunstmaler und Dekorateur (1760, Dekoration des kurfürstlichen Audienzzimmers im Jagdschloss Engers), als Brunnerbauer (Cochemer Marktbrunnen, 1767). Danach war er in der Residenzstadt Koblenz als Baudirektor an fast allen großen Baumaßnahmen der Stadt beteiligt. Zwischen 1769 und 1791 verwirklichte Lauxen zahlreiche Bauten und Projekte zwischen Köln und Boppard, Trier und dem Westerwald sowie im kurmainzischen Höchst.
Im fünften Beitrag des Bandes versucht Wolfgang Löhr das gängige Bild über Ferdinand von Hompesch (1744-1805) zurechtzurücken. Ferdinand wurde bis vor kurzem in seinem Amt als letzter Großmeister des Malteserordens (1797-1798) in erster Linie als "unfähiger Feigling, der Napoleon die Insel Malta kampflos übergeben habe" (100), kritisiert. Der aus einer alten adligen Familie vom Niederrhein stammende Ferdinand kam bereits mit 12 Jahren als Page nach Malta an den Hof des Großmeisters des Johanniterordens. Innerhalb des Ordens gelang dem ehrgeizigen jungen Mann ein rascher Aufstieg. Bereits seit 1775 vertrat Ferdinand von Hompesch den Wiener Hof als Botschafter in Malta. Der daraus resultierende rege Briefwechsel mit seinen Wiener Auftraggebern sowie die große Korrespendenz von Hompeschs mit seinem in Deutschland lebenden Bruder Karl Franz bilden eine wichtige Quelle, die nicht nur viel über Ferdinands Persönlichkeit und seine politschen Ansichten aussagt, sondern auch ein bezeichnendes Licht auf die Politik des Ordens etwa in Russland oder auf die Folgen der Französischen Revolution für den Orden wirft. Eine detaillierte und ausgewogene Schilderung der politischen Ereignisse um die französische Eroberung Maltas runden den Beitrag ab und relativieren die herbe Kritik der Zeitgenossen an der verfehlten Ordenspolitik von Hompeschs.
Mit dem bekannten Städteplaner Hermann Josef Stübben (1845-1936) beschäftigt sich Oliver Karnau. Der am Niederrhein geborene, katholische Stübben schaffte den Aufstieg in das Großbürgertum der wilhelminischen Gesellschaft. Den Hintergrund für den Beginn seiner Karriere bildeten die Gründerjahre mit der starken Urbanisierung des Rheinlandes, die ihm als Städteplaner ein großes Betätigungsfeld wie die Konzeption der Ringstraße in Köln boten. Nach seinem Umzug nach Berlin (1904) war er als Oberbaurat weiterhin an zahlreichen Projekten beteiligt, unter anderem an der Planung der Residenzstadt Posen. Stübben, der sich bereits seit den 1880er-Jahren internationalen Ruhm erworben hatte, arbeitete bis ins hohe Alter an insgesamt 90 städtebaulichen Entwürfen im In- und Ausland, gewann zahlreiche internationale Wettbewerbe und erhielt viele Auszeichnungen und Ehrungen. Bekannt machte ihn auch sein 1890 erschienenes Handbuch "Der Städtebau".
Das Leben des bekannten, im Londoner Exil verstorbenen Kunsthändlers, Sammlers und Verlegers Alfred Flechtheim (1878-1937) skizziert Ottfried Dascher. Als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns aus Münster war Flechtheim erst selbst im Getreidehandel tätig, wobei er bereits kurz nach der Jahrhundertwende als Kunstsammler an Ausstellungen moderner Kunst im Rheinland beteiligt war. 1913 wechselte Flechtheim endgültig in den Kunsthandel und eröffnete seine erste Galerie in Düsseldorf. Anfang der Zwanzigerjahre siedelte Flechtheim nach Berlin über und gründete Filialen in Köln, Wien, Frankfurt und Berlin. Flechtheim veranstaltete zahlreiche Ausstellungen zur modernen Kunst (Fauvismus, Kubismus, Expressionismus, Bauhaus), wovon allein 170 Kataloge Zeugnis ablegen. Daneben betätigte er sich auch als Verleger von Kunstzeitschriften, Mappenwerken und illustrierten Büchern. Als Jude und Sammler "entarteter" Kunst geriet Flechtheim unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in große wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste Deutschland verlassen. Die NS-Propaganda stilisierte ihn als jüdischen Kunsthändler zur "Feindfigur des Systems" schlechthin.
Auch für Thea Sternheim (1883-1971), die von Birgit Bernard porträtiert wird, war Flechtheim als Kunsthändler tätig. Die als Thea Bauer in Köln geborene Industriellentochter ist vor allem wegen ihrer Ehe mit dem Dramatiker Carl Sternheim und als enge Vertraute des französischen Schriftstellers André Gide bekannt. Neben Thea Sternheims schillerndem, manchmal auch skandalträchtigem Lebensweg hebt Bernard nicht nur ihre Bedeutung als Gefährtin Sternheims hervor, sondern zeigt sie auch als eigenständige Schriftstellerin, Pazifistin, Kosmopolitin mit engen Beziehungen nach Frankreich und als intelligente und gebildete Frau, die mit fast allen großen Schriftstellern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt beziehungsweise befreundet war. Dabei wird auch die Zeit nach der Scheidung von Sternheim (1927), ihr Leben in Paris seit 1932 und seit 1963 in Basel detailliert beschrieben und gewürdigt.
Mit dem Leben von Johannes Hoffmann (1890-1967), der von 1947-1955 saarländischer Ministerpräsident war, beschäftigt sich Heinrich Küppers. Der im saarländischen Landsweiler-Reden geborene Hoffmann begann seine Karriere als politischer Journalist in Berlin. 1929 kehrte er ins Saarland zurück und wurde Chefredakteur der katholischen "Saarbrücker Landeszeitung". Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung und mit der auch an der Saar in Gang gekommenen Gleichschaltung verlor Hoffmann 1934 seine Stellung und gründete die "Neue Saarpost", ein katholisches Blatt, das vor der Saarabstimmung eindeutig Stellung gegen die Nationalsozialisten bezog. Nach der fatalen Niederlage bei der Abstimmung begab sich Hoffmann ins Exil nach Luxemburg. Das ein Jahrzehnt dauernde Exil führte ihn über Paris nach Brasilien. Bereits Mitte September 1945 kehrte Hoffmann an die Saar zurück. Küppers versucht vor allem Hoffmanns Arbeit als saarländischer Ministerpräsident ins rechte Licht zu rücken. Gegen die Unterstellung vonseiten seiner politischen Gegner, Hoffmann sei lediglich ein Handlager Frankreichs gewesen, führt Küppers die tiefe katholische Grundhaltung Hoffmanns sowie seine frühe europäische Perspektive an. Verständlich werde Hoffmanns Opposition gegen den Zusammenschluss mit der Bundesrepublik durch seinen Lebenslauf und seinen Widerstand gegen Hitler. Küppers würdigt die in Hoffmanns Regierungszeit erbrachten Aufbauleistungen und hebt dessen noch heute modern anmutende Vision eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes aus Lothringen, dem Saarland und Luxemburg hervor.
Everhard Hofsümmer entwirft ein Lebensbild des Verlegers Joseph Caspar Witsch (1906-1967), der mit dem Verlag Kiepenheuer & Witsch einen der ersten international renommierten Verlage in der jungen Bundesrepublik gründete. Witsch, der Anfang der 30er-Jahre als Bibliothekar in Köln arbeitete, wurde 1933 aus politischen Gründen aus dem Büchereidienst entlassen. Erst nachdem er in die SA eingetreten war, konnte er 1936 in Jena Leiter der Ernst-Abbe-Bücherei und zugleich Leiter der Staatlichen Landesstelle für das volkstümliche Büchereiwesen werden. Nach Kriegsende wurde Witsch in der SBZ in seinem Amt bestätigt, geriet aber bald in Konflikt mit der sowjetischen Besatzungsmacht und floh 1948 in den Westen. In der westdeutschen Verlagslandschaft wurde Witsch rasch zum anerkannten und erfolgreichen Unternehmer, der auch bereit war, neue Wege im Verlagsgeschäft einzugehen (Bücherverkauf in Kaufhäusern, Gründung des Deutschen Taschenbuch Verlags). Zugleich zeigte er sich als literarisch und politisch ambitionierter Verleger und baute bei Kiepenheuer & Witsch ein antikommunistisches Sachbuchprogramm auf.
Insgesamt bietet dieser ansprechend gemachte in doppeltem Sinne vielseitige 18. Band der Reihe eine beachtliche Anzahl lesenswerter Biografien wichtiger und schillernder Persönlichkeiten. Gerade auch die unterschiedlichen Schicksale von Alfred Flechtheim, Thea Sternheim, Johannes Hoffmann und Joseph Caspar Witsch sowie ihrer Angehörigen in der Zeit des Dritten Reiches stimmen immer wieder nachdenklich.
Elisabeth Biesel