Guido von Büren / Ralf-Peter Fuchs / Georg Mölich (Hgg.): Herrschaft, Hof und Humanismus. Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg und seine Zeit (= Schriftenreihe der Niederrhein-Akademie / Academia Nederrijn; Bd. 11), Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2018, 608 S., 29 Farb-, 86 s/w-Abb., ISBN 978-3-7395-1101-6, EUR 34,00
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Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516-1592) war im 16. Jahrhundert eine der bedeutendsten Figuren im Nordwesten des Reichs. Sein dynastisch angewachsener Herrschaftsbereich musste ebenso viele Spannungen aushalten wie seine Religionspolitik, die mit der "via media" einen eigenständigen Weg zwischen Reform und Beharrung zu gehen versuchte.
Die niederrheinischen Herzöge und ihr Territorium stoßen bereits seit Jahrzehnten auf das Interesse der Forschung [1], und der vorliegende Tagungsband bereichert das Feld mit zahlreichen Facetten. Er dokumentiert die Beiträge einer Tagung, die im August 2016 aus Anlass des 500. Geburtstags Wilhelms V. als gemeinsame Veranstaltung der Universität Duisburg-Essen, des Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte im Landschaftsverband Rheinland sowie zweier niederrheinischer Geschichtsvereine ausgerichtet wurde. Die 22 Beiträge in den vier Sektionen Biografie, Herrschaft, Hof und Humanismus fragen nach den Handlungsmöglichkeiten des Fürsten, nach seinem Selbstverständnis und Repräsentationsbedürfnis sowie seinem Bemühen um Machterhalt in einer Zeit, in der die konfessionellen Gegensätze Bewegung in die politischen Verhältnisse brachten.
Eine umfassende Biografie Wilhelms V. ist seit Langem ein Desiderat, die Schwierigkeiten der Realisierung liegen im Fehlen der Quellen. Auch deshalb konnte diese Sektion im Band nur mit zwei Beiträgen bestückt werden. Andreas Rutz stellt den Nachruf des Kölner Ratsherrn und Chronisten Hermann Weinsberg (1518-1597) auf Wilhelm V. vor. Mit seiner kommentierten Edition des Texts erschließt Rutz eine der Forschung bislang unbekannte Quelle, in der die dynastischen Verbindungen und politischen Verwicklungen des Herzogs aufgezeigt werden. Demgegenüber beleuchtet Guido von Büren die Familiengeschichte anhand zeitgenössischer Bildnisse, vom Portrait in Öl bis zu figürlichen Ofenkacheln, auf denen Wilhelm V. selbst ausgesprochen häufig zu finden ist.
Politische Herrschaft war das zentrale Element fürstlichen Selbstverständnisses. Andreas Rutz gibt einen allgemeinen Überblick zu den Möglichkeiten und Grenzen fürstlicher Macht im Reich während des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Er führt die Regierungsgewalt als einen kommunikativen Prozess vor Augen, in dem der Landesherr mit seinen Räten sowie örtlichen Amtsträgern und weiteren Personengruppen interagierte. Michael Kaiser knüpft mit seiner Untersuchung zum politischen Zusammenspiel des Herzogs mit den Landständen daran an.
Wilhelms V. Herrschaftsbereich umfasste die niederrheinischen Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg sowie die westfälischen Grafschaften Ravensberg und Mark. Sein Machtbereich war ein komplexes territoriales Gebilde, das von der Maas bis zur Weser reichte. Es bildete jedoch keinen zusammenhängenden Flächenstaat und musste fortwährend gegen Besitzansprüche anderer Territorialherren verteidigt werden. Matthias Böck lenkt den Blick auf den Geldrischen Erbfolgekrieg (1543), in dem sich Wilhelm V. und Karl V. gegenüberstanden. Auf Seiten des Herzogs ging es um territorialpolitische Interessen, auf Seiten des Kaisers um universelle Machtansprüche. Innenpolitisch suchte Wilhelm V. die einzelnen Landesteile durch Maßnahmen auf den Gebieten von Justiz und "Policey" zu einen, wie Lothar Schilling in seinem Beitrag zeigt.
Mathias Schmoeckel untersucht Stadt und Zitadelle Jülich im 16. Jahrhundert und stellt die Architektur der Festungsanlage als rechtshistorisches Denkmal heraus: Die öffentliche Gewalt wurde gewissermaßen baulich auf den Fürsten zentriert und lässt folglich bereits frühabsolutistische Züge erkennen.
Fürstliche Macht war im 16. Jahrhundert eng verbunden mit der konfessionellen Differenzierung. In den Vereinigten Herzogtümern traf die evangelische Bewegung auf eine geistige Situation, die von der Devotio moderna, humanistischen Strömungen und einem reformfreudigen landesherrlichen Kirchenregiment geprägt war. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Kurköln und dem Herzogtum Geldern konnten kirchliche Reformen in Kleve-Jülich-Berg nur bedingt umgesetzt werden. Ein offener Schritt an die Seite der evangelischen Reichsstände hätte die Machtfülle der Herzöge erheblich gefährdet. Folglich wurden nur solche kirchlichen Reformen vorangetrieben, mit denen man sich nicht aus dem Schoß der römischen Amtskirche entfernte. Antje Flüchter betont den eigenständigen Charakter der herzoglichen Kirchenpolitik, die mit der "via media" versuchte, die konfessionelle Einheit innerhalb des Territoriums zu bewahren. Der Beitrag von Susanne Becker zeigt, dass Wilhelms Reformpolitik nach 1567 nicht - wie vielfach angenommen - von gegenreformatorischen Kräften bestimmt war, sondern dass es zunehmend schwieriger wurde, die kirchliche Einheit von Katholiken und Protestanten unter dem formalen Dach des Reformkatholizismus vereint zu halten. Ralf-Peter Fuchs unterstreicht schließlich die Flexibilität der herzoglichen Religionspolitik, die zwischen Bekenntnis und konfessioneller Ambiguitätstoleranz oszillierte.
Der Hof mit seinen zahlreichen Funktionen und Bedeutungsebenen, die von der repräsentativen Selbstdarstellung bis zur Lustbarkeit reichen, stellt einen weiteren fürstlichen Handlungsraum dar. Guido von Büren legt in seinem umfassenden, reich bebilderten Beitrag dar, wie Wilhelm V. über die Architektur (Residenz und Festung Jülich), die Organisation des Hofs (Hofordnungen) sowie mittels Festen und Hochzeitsfeierlichkeiten seinen fürstlichen Rang einnahm und seine Position sichtbar machte. In den Untersuchungen von Martin Lubenow, Rebecca Anna und Stefan Heinz steht die repräsentative Selbstinszenierung Herzog Wilhelms V. ebenfalls im Focus. Anhand von Hofmusik, Festbeschreibungen sowie des figürlichen Grabmals Wilhelms V. in Düsseldorf führen sie unterschiedliche Facetten fürstlicher Repräsentation und Herrschaft vor Augen.
Der durch Erasmus von Rotterdam geprägte Humanismus spielte am Niederrhein eine bedeutende Rolle. Johannes Helmrath präsentiert in seinem Beitrag zunächst allgemeine Voraussetzungen, Bedingungen und Entwicklungslinien dieser geistigen Strömung. Peter Arnold Heuser befasst sich mit dem rheinischen Humanismus und insbesondere den Netzwerken Georg Cassanders, der in den 1550er-Jahren zu den Beratern Herzog Wilhelms V. zählte. Cassander vertrat eine irenische Haltung, die das Gegensätzliche der Konfessionen zurückdrängte und das Gemeinsame hervorhob. Martin Szameitat und Marc Laureys gehen auf humanistische Elemente in der Fürstenerziehung anhand von Schriften der beiden Prinzenerzieher Konrad Heresbach und Stefan Pighius ein.
Schließlich stellt Hans de Waardt den aus Nordbrabant stammenden Johann Weyer vor, der von 1550 bis 1578 als herzoglicher Leibarzt am Düsseldorfer Hof tätig war. Weyer, eine schillernde Persönlichkeit, machte sich auch auf den Gebieten von Astrologie und Magie einen Namen und war ein früher Bekämpfer der Hexenverfolgung, wie die Beiträge von Rita Voltmer und Erika Münster-Schröer zeigen.
Die Trias von "Herrschaft, Hof und Humanismus", so der Titel des Sammelbandes, führt die wichtigsten Facetten zusammen, in denen das Bild des Fürsten und seiner Handlungsspielräume sichtbar wird. Der Band besticht durch das breite Spektrum der Themen, wobei sich zwischen den einzelnen Beiträgen erfreulich viele inhaltliche Schnittmengen ergeben, sei es der Blick auf die Zitadelle Jülich bei Schmoeckel und von Büren, auf die Person Johann Weyers bei de Waardt, Voltmer und Münster-Schröer oder auf die fürstlichen Hochzeiten bei von Büren und Lubenow.
Mit der Fülle des gebotenen Materials trägt der Band wesentlich dazu bei, die Konturen der politischen Biografie Wilhelms V. zu schärfen. Das in der Forschung seit Jahren anhaltende Interesse an der Person des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg wird damit nicht nur unterstrichen, sondern es werden auch neue Impulse für die künftige Auseinandersetzung mit dem Herzogtum Jülich-Kleve-Berg im Zeitalter der Konfessionalisierung gegeben.
Anmerkung:
[1] Susanne Becker: Zwischen Duldung und Dialog. Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg als Kirchenpolitiker (= Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte; Bd. 184), Bonn 2014, Rezension dazu: http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-24414; Antje Flüchter: Der Zölibat zwischen Devianz und Norm. Kirchenpolitik und Gemeindealltag in den Herzogtümern Jülich und Berg im 16. und 17. Jahrhundert, Köln 2006; Christian Schulte: Versuchte konfessionelle Neutralität im Reformationszeitalter. Die Herzogtümer Jülich Kleve Berg unter Johann III. und Wilhelm V. und das Fürstbistum Münster unter Wilhelm von Ketteler, Münster 1995.
Sabine Arend