Rezension über:

Hildegard Wiewelhove (Hg.): Gartenfeste. Das Fest im Garten. Gartenmotive im Fest. Ausstellungskatalog, Bielefeld: Museum Huelsmann 2000, 216 S., zahlr. s/w- u. Farbabb., ISBN 978-3-9805831-1-4, DM 48,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Iris Lauterbach
Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Iris Lauterbach: Rezension von: Hildegard Wiewelhove (Hg.): Gartenfeste. Das Fest im Garten. Gartenmotive im Fest. Ausstellungskatalog, Bielefeld: Museum Huelsmann 2000, in: sehepunkte 1 (2001), Nr. 1 [15.01.2001], URL: https://www.sehepunkte.de
/2001/01/3482.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Andere Journale:

Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.

Hildegard Wiewelhove (Hg.): Gartenfeste

Textgröße: A A A

Der Band verbindet den Katalog der Exponate, bei denen es sich um Gemälde wie auch - den Sammlungsbeständen des Museums Huelsmann entsprechend - vor allem um Gefäße und Tafelzier aus Porzellan und Metall handelte, mit zwölf Aufsätzen, die das Thema der höfischen Festkultur aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Großformatige Farbabbildungen präsentieren die Exponate, die Aufsätze sind zusätzlich mit vergleichenden Schwarzweißabbildungen ausgestattet, so dass es sich um eine auch äusserlich ansprechende Publikation handelt, die man gerne zur Hand nimmt und in der man schon beim bloßen Blättern interessante Neuigkeiten, etwa Abbildungen wenig bekannter Kunstwerke, entdeckt.

Bereits der Titel weist darauf hin, dass es um verschiedene Facetten der Garten- und Festkultur geht. Die Aufsätze berühren Fragen der Ikonographie von Gemälden, Raumdekor und skulpturalen Gartenausstattungen, der Architekturtypologie, der Geschichte der Literatur, des barocken Tanzes und der Tafelkultur bis hin zu immer wieder anklingenden sozialgeschichtlichen Fragestellungen.

Aus dem Füllhorn seines reichen Wissens zum Thema der höfischen Ess- und Festkultur gießt Hans Ottomeyer seine Ausführungen über "Bankett und Hofgarten". Der Begriff des "Hofgartens" meint hier nicht die Anlage selbst, sondern ist - zeitgenössischen Definitionen folgend - die Bezeichnung für höfische Empfänge und Versammlungen im Garten. Die Gestaltung von Gartenräumen und der Ablauf dort stattfindender Zusammenkünfte waren ebenso dem höfischen Zeremoniell unterworfen wie die Schlossarchitektur. Pavillons und Lusthäuser im Garten entsprachen dem Bedürfnis nach Banketts im Freien und waren vom 16. Jahrhundert an fester Bestandteil höfischer Gärten.

Markus Dekiert widmet sich der Bildgattung der "buitenpartijen", der Darstellung modischer Gesellschaften im Freien, die im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts in der niederländischen Genremalerei aufkam. Ikonographie und Bildelemente speisen sich aus verschiedenen Traditionen - etwa aus Darstellungen des Liebesgartens, der Venuskinder, der Fünf Sinne, der Lockeren Gesellschaft - und werden hier in teils moralisierender, teils zum Lebensgenuss auffordernder Absicht zu fiktiven Gartenszenen kombiniert.

Anne Spagnolo-Stiff gibt einen Überblick über die von Ludwig XIV. im Garten von Versailles in den Jahren 1664, 1668 und 1674 veranstalteten berühmten Feste, bei deren Entwurf und Organisation die ersten Künstler des französischen Königshofes mitwirkten.

Ulrike Middendorf widmet sich dem Gemälde "Nymphen und Satyrn" von dem für August den Starken tätigen Louis de Silvestre. Das "schlüpfrige" Thema des Gemäldes animiert die Autorin weniger zu kunsthistorischer Analyse als zu "reizvolle(n) Spekulationen" (43) über die Deutung erotisch konnotierter Früchte und Gesten.

Michaela Kalusok geht ausführlich auf das Programm der Skulpturen von Ferdinand Tietz für Veitshöchheim ein und bemüht sich um eine gründliche, neue Deutung des Ensembles. Das aus Hecken und Berceaux gebildete Rondell als "Kythera" und "bischöflichen Liebesgarten" (53) zu bezeichnen, scheint mir jedoch zu weit gegriffen, zumal mir nicht bekannt ist, dass die von der Autorin herangezogene Referenz, Francesco Colonnas "Hypnerotomachia Poliphili" von 1499, in der deutschen und französischen Gartenkunst des späten 18. Jahrhunderts nennenswert rezipiert worden wäre. Die komplizierte Form des Rondells scheint mit komplizierten Raumschöpfungen in zeitgenössischen Rokokogärten verwandt, wie sie etwa in der Stuttgarter Solitude oder bei Schloss Fantaisie bei Bayreuth zu finden waren. Daß der bischöfliche Auftraggeber bei diesem räumlich raffinierten, modischen Gartendetail eine Deutung des in der Gartenkunst für entsprechende Berceau-Formationen verwendeten Fachbegriffs "cloître" als klösterliche Raumform beabsichtigt hätte, scheint mir zweifelhaft.

Der Beitrag von Günter Herzog über "Kultivierte Gesellschaft in kultivierter Natur - 'Fêtes champêtres' und 'Fêtes galantes'" hat einen literaturwissenschaftlichen und kulturhistorischen Schwerpunkt. Nach einer Zusammenfassung des galanten Verhaltenskodex, der für im Garten angesiedelte Konversationsszenen relevant war, widmet er sich vor allem Watteau.

Der Artikel von Gabriele Uerscheln über "Die Maison de plaisance als 'locus amoenus' für das ländliche Fest" konzentriert sich auf das 18. Jahrhundert im allgemeinen und Benrath im besonderen, zitiert großzügig aber ebenso Vorbilder aus Antike und Renaissance und zeichnet sich durch Allgemeinheiten aus. Die Maison de plaisance etwa wird bereits im Titel kurzerhand mit dem "locus amoenus" gleichgesetzt und mit "Haus der Heiterkeit" übersetzt, wo man dem "Leben nach dem Lustprinzip" (94) frönte.

Andrea Linnebach stellt ein interessantes "gartenprogrammatisches" Gemälde von Johann Heinrich Tischbein d.Ä. von 1766 vor und schließt unter Heranziehen aufschlussreicher Primärquellen sachkundige Äußerungen über höfische Gartenfeste der Aufklärungszeit an, deren Tendenz das im Titel genannte Zitat vorgibt: "Der Rasen ist Tisch und Stuhl zugleich." Sie kommt zu dem Schluss: "Gartenfeste der Aufklärungszeit weisen (...) eine breite Vielfalt von Formen auf, wie sie auch dem aus Empfindungskategorien abgeleiteten Stilpluralismus im Landschaftsgarten (...) entspricht." (110)

Der kurze Beitrag von Walter Salmen nimmt die Nutzung der Konzertgalerie im Landschaftsgarten Bagno bei Burgsteinfurt ins Visier, wobei die langen Zitate nicht oder nur vage nachgewiesen sind.

Sabine Thümmler fasst in ihrem Beitrag "Der ewige Garten - Landschafts- und Gartenzimmer als Ideal" die wichtige Rolle und Entwicklung von Landschafts- und Gartenmotiven im Innenraum zusammen.

Eine interessante Erweiterung des von Gartenhistorikern normalerweise in den Blick genommenen Spektrums bietet der Artikel von Jadwiga Nowaczek über "Getanzte Ornamentik - Aspekte zum höfischen Tanz des Barock". Die Autorin erläutert die präzise definierte Notation barocker Tänze, die auf dem Papier eigenwillige Ornamente ausbildet. Als eine Form bewegter "Raumkunst" sollte man sich den Tanz in architektonischen Räumen vorzustellen versuchen.

Stefan Bursche stellt in seinem Beitrag über "Die Tafel als imaginiertes Paradies" vor, dass es seit dem 15. Jahrhundert bei besonderen Anlässen höfische Schaugerichte und spektakuläre Tafelaufsätze gab, die bis hin zu Gartendekorationen und feuerspeienden Vulkanen Formen der Natur imitierten und einen "phantastischen Mikrokosmos arkadischer Zauberwelten" (154) darstellten.

Die im Katalog aufwendig reproduzierten prächtigen Exponate aus dem Bereich der Tafelzier führen unmittelbar vor Augen, wie berechtigt und aufschlussreich es war, dem Thema Garten und Fest Ausstellung und Katalog zu widmen: Die empfindlichen und vergänglichen Materialien der Natur - Blumen, Früchte, Pflanzen - finden Wiedergabe in den dauerhafteren Materialien Porzellan und Metall. Ebenso flüchtig wie die pflanzlichen Materialien der Natur und historische Gärten sind Feste, Konversationen oder Tänze vergangener Zeiten, deren Kenntnis man durch die Lektüre des Katalogs ein ganzes Stück näherrückt.

Iris Lauterbach