Stefanie Kollmann: Niederländische Künstler im London des 17. Jahrhunderts (= Studien zur Kunstgeschichte; Bd. 135), Hildesheim: Olms 2000, 302 S., 2 Karten, ISBN 978-3-487-11155-1, DM 70,02
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Aufgrund der politischen Verhältnisse (Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden, dynastische Beziehungen der Königshäuser) kamen im 16. Jahrhundert zahlreiche niederländische Künstler nach England beziehungsweise London. Auch im 17. Jahrhundert kamen sie, jetzt aber auf Grund der guten Verdienstmöglichkeiten, und beherrschten die dortige Kunstszene. Diese Tatsache ist bekannt; sie wurde von den zeitgenössischen einheimischen, das heißt englischen Malern weiter nicht problematisiert, soweit wir das auf Grund von Quellen sagen können. Die bedeutenderen ausländischen Künstler wurden in der englischen Kunstgeschichtsschreibung sogar gerne zu englischen Malern ehrenhalber gemacht. Erstmals liegt jetzt eine Untersuchung zu den niederländischen Künstlern in London im 17. Jahrhundert vor.
In der Erfassung ausländischer Künstler geht Stefanie Kollmann mitunter über das hinaus, was sie im Titel verspricht und nimmt auch nicht-niederländische Künstler in ihre Studie auf. Das sind durchaus Bereicherungen, selbst wenn sie im Text nur beiläufig auftauchen. So erscheint bei ihr zum Beispiel Francis Cleyn, der 1582 in Rostock geboren wurde, nach einem Aufenthalt in Italien Hofmaler Christians IV. von Dänemark wurde und ab 1625 in England lebte. Federigo Zuccaro ist ebenfalls erwähnt, sogar mit eigenem Katalogeintrag.
Grundlagen der Darstellung Kollmanns sind neben der Sekundärliteratur die Volkszählungen, die sogenannten "returns", die auch publiziert sind, sowie die Register der ausländischen Kirchen, waren doch fast alle Maler Mitglieder ihrer Kirche. Bei allen Problemen dieser Archivalen, die Kollmann schildert, liefern sie Namen, mitunter Lebensdaten und manchmal Angaben zu Beruf und Lebensverhältnissen, sind also wertvolle Quellen.
In relativ kurzen Abschnitten erklärt Kollmann den rechtlichen Status der ausländischen Maler, den Schutz ihrer Rechte durch Staat und Kirche, sowie ihr Verhältnis zur Malergilde. Dieser Abschnitt vermittelt neue Kenntnisse über die Situation der Maler, ist aber leider nur dreizehn Seiten lang. Daran schließt sich ein chronologischer Abriss des Wirkens der einzelnen niederländischen Künstler in London an. Dieser Teil enttäuscht, denn einen ausführlicheren Überblick über Ausländer in London beziehungsweise England gewinnt man durch den betreffenden Band der Pelican History of Art von Ellis Waterhouse: "Painting in Britain". Die Künstler werden bei Waterhouse schärfer charakterisiert, und sein Buch hat zahlreiche Abbildungen (wenn auch oft mehr als Gedächtnisstütze brauchbar) sowie ein Register - all das geht dem Werk von Kollmann ab. Aus Kostengründen musste sie auf Abbildungen verzichten. Stattdessen verweist Kollmann vor allem auf zwei Werke, in denen Interessierte nachschlagen können, deren Existenz man aber längst nicht in jeder Instituts- oder Universitätsbibliothek voraussetzen kann. Über die unbekannten Maler, die bei Waterhouse nicht erwähnt sind, kann auch Kollmann mangels Quellen und Werke nur wenig sagen, und die bekannteren sind bei Waterhouse ausführlicher behandelt.
Kollmanns Verdienst ist es hingegen, in den Fußnoten auf die verstreute Literatur gerade zu den Unbekannteren hinzuweisen und ein Faktengerüst zu liefern. Die Werke selbst aber bleiben mangels Abbildungen und mangels Diskussion ganz im Hintergrund.
Ein Kapitel ist den herausragenden englischen Kunstsammlungen gewidmet, wobei Stefanie Kollmann auch den Kunsthandel mit berücksichtigt. Hier geht sie vor allem auf die Zusammensetzung der Sammlung und den Geldwert der Gemälde ein. Da niederländische Gemälde preisgünstiger als die meist großformatigen italienischen Gemälde waren (der Zoll wurde nach Format berechnet), fand sich für sie ein breiterer Markt; außerdem passten sie auch in kleinere Häuser.
Das Kapitel über die Tagebücher mit ihren Äußerungen zu Kunst fußt explizit auf der Dissertation von Michael Wiemers und behandelt vor allem die Tagebücher des Samuel Pepys. Parallel dazu bemühen sich Traktate in der Nachfolge des "Cortegiano", dem angehenden Gentleman den Wert von Kunst bzw. Malerei nahe zu bringen. In die selbe Kerbe hauen Kunstschriftsteller, wobei vor allem Drydens Übersetzung von du Fresnoys "De arte graphica" geschmacksbildend wirkte. Das ist alles bekannt; Kollmann hebt hier auf den damaligen Stellenwert der niederländischen Malerei ab, die sich gegen die Vorliebe für die italienische erst durchsetzen musste.
Der zweite Teil umfasst einen Katalog mit gut 230 Einträgen der in England tätigen Niederländer. Auf Grund der Überlieferungssituation kann man nicht davon ausgehen, dass er vollständig ist - vermutlich würde Vollständigkeit auch nur weiter bestätigen, dass viele heute ganz unbekannte Maler in England arbeiteten, von denen sich auch keine Werke dem Zufallsprinzip eingestreut worden: so findet man keinerlei Angaben zu Rubens' Tätigkeit in London, wohl aber zu Abraham Staphorst, Maximilian Poutrain und anderen nicht berühmten Meistern. Warum sind hier nicht Werke wie die von Houbraken, Vertue oder auch Waterhouse systematisch verwertet worden? Nur mitunter finden sich Verweise auf diese Autoren in den Fußnoten. Wer über die unbekannteren Künstler weiterarbeiten will, dem nimmt dieses Buch diese zugegebener Weise mühsame Recherche nicht ab - die aber wäre die eigentlich sinnvolle Aufgabe eines solchen Katalogs.
Der Katalog bereitet auch sonst nur begrenzte Freude. Bei Willem Scrots ist unter "Werk" aufgeführt: "Porträtstil für Edward VI." - was auch immer damit gemeint sein mag. Godfried Schalcken mutiert zu Schalken, und im Katalogtext sogar zu Schagen - oder ist hier ein Satz des vorhergehenden Eintrags zu Gilles Schagen hineingeraten? Dass Namen damals unterschiedlich geschrieben wurden, ist banal. Dass die Schreibweise derselben Namen aber auch in diesem Buch wechselt, ist ärgerlich: so wird zum Beispiel Prosper Henricus Lankirk als Mitarbeiter Lelys genannt, weitere Schreibweisen sind nicht aufgeführt. Im Eintrag zu Lely heißt er plötzlich Lankrink und der Leser wird sich schon denken, dass dies ein und dieselbe Person ist. Umgekehrt sind die bei Lely aufgeführten Assistenten längst nicht alle mit einem eigenen Katalogeintrag bedacht worden. Federigo Zuccaro ist im Katalog plötzlich Federigo Zucchero; sein Bruder heißt Tadeo [sic].
Inwieweit der Katalog zuverlässig ist, könnte nur im Vergleich mit den Quellen geklärt werden. Bei einigen Stellen wird man stutzig. So lebt zum Beispiel Nicasius Russel laut Katalogtext Kollmanns seit 1567 in England. Derselbe Eintrag vermerkt, dass er laut Register der holländischen Kirche von London im Jahre 1617 schon seit 44 Jahren in England lebt, demnach seit 1573. Der Widerspruch wird nicht einmal thematisiert. Auch ist Kollmann offensichtlich entgangen, dass zwei Städte mit dem Namen Soest existieren: einmal in den Niederlanden, und einmal in Westfalen. Letztere ist der Geburtsort Peter Lelys, weil sein Vater damals dort stationiert war. Das hätte die Autorin zwar Waterhouse´s Standardwerk "Painting in Britain" entnehmen können, aber auch hier nimmt sie es nicht so genau. Ob Gerard Soest ebenfalls in Westfalen zur Welt kam, wie Waterhouse nur vermuten kann, oder in den Niederlanden, ist für Kollmann kein Thema. Bei diesem Maler entfällt im Katalog auch die Kategorie "Werk", obwohl signierte Gemälde erhalten sind und ihm weitere zugeschrieben werden können. - Dünkirchen ist und bleibt bei Kollmann Dünnkirchen (51 und Katalogeintrag zu Jan de Reyn).
Die zahlreichen Grammatikfehler erleichtern die Lektüre nicht gerade; besonders im Katalog tauchen sie gehäuft auf. Im Katalogteil wären Seitenverweise auf den Textteil sinnvoll gewesen, und es ist nur ein schwacher Trost, dass im Text nicht viel mehr Information als im Katalog enthalten ist. Weil das Buch auch kein Register enthält und der Katalogteil nur selten Literaturhinweise aufnimmt, ist es umständlich zu benutzen.
Als Fazit bleibt, dass Kollmanns Buch unser Wissen um diese Maler nicht sonderlich vermehrt und die Bearbeitung des Themas weiterhin ein Desiderat bleibt.
Renate Prochno-Schinkel