Samme Zijlstra: Om de ware gemeente en de oude gronden. Geschiedenis van de dopersen in de Nederlanden 1531-1675, Hilversum: Uitgeverij Verloren 2000, 544 S., ISBN 978-90-6550-631-3, EUR 29,95
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Die Frage nach dem Ursprung, den Beweggründen und den Auswirkungen der täuferischen Bewegung ist seit dem 16. Jahrhundert virulent: Welche Merkmale verbanden die unterschiedlichen Gruppen? Auf welche Bekenntnisse stützten sie sich? Wie wurde ein einigendes Band zwischen ihnen hergestellt? Und wie konnte die Einigkeit auf theologischem Gebiet in die täuferischen Kreise vor Ort übertragen werden?
Bemerkenswert ist, dass diese Fragen seit 1952 nicht mehr für das niederländische Täufertum behandelt worden sind. Der Bedarf einer neueren Studie ist also deutlich, zumal die Ergebnisse, die für die übrigen Reichsteile erzielt worden sind, keinesfalls zu übertragen sind. Von dieser Prämisse geht Samme Zijlstra in seiner Untersuchung des niederländischen Täufertums aus. Somit ergibt sich für ihn eine eigene, niederländische Antwort auf die Frage nach täuferischer Identität, also nach dem Verständnis, den Handlungszielen und den Ansprüchen bei der Gestaltung des Gemeindelebens.
Die eigene Identität zu präzisieren war im 16. und 17. Jahrhundert eine zwingende Notwendigkeit für die Täufer. Intern mussten theologische Fragen etwa nach der Inkarnationslehre, dem Bann oder der Zucht verbindlich geklärt werden. Extern wurden die Täufer insbesondere von den Konfessionskirchen bedrängt, in Schriften und Disputationen ihre Positionen zu benennen und zu verteidigen. Dabei bedingten diese Anforderungen einander: Nur durch die Konsolidierung im Inneren konnte es gelingen, den externen Herausforderungen entgegenzutreten.
Zijlstra bewegt sich mit seiner Studie im Zeitraum zwischen 1531 und 1675. Die Untersuchung des Täufertums vor 1530 macht nach seiner Auffassung keinen Sinn. Das Täufertum sei eine Bewegung sui generis, die um 1530 entstand. Ursprünge seien weder bei den Sakramentariern noch in der devotio moderna zu finden. Mit dieser Aussage wendet er sich gegen einen Ansatz der niederländischen Forschung, nach dem der Ursprung des Täufertums in der präreformatorischen Zeit zu verorten ist.
Humanisten, Reformierte, Katholiken, Lutheraner, Sakramentarier, Remonstranten, Sozinianer, Libertiner, Epikureer, Spiritualisten und viele andere Gruppen fanden sich in Zijlstras Untersuchungszeitraum in den Niederlanden. Gegenseitige Beeinflussungen blieben nicht aus, im Gegenteil: Grundtenor der Studie ist es, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Bewegungen, Gemeinden und Denominationen im Alltag fließend waren. Sinnsysteme setzten sich aus verschiedenen Aspekten zusammen, die nicht unbedingt einer einzigen Gruppe oder Konfession zugeschrieben werden konnten. Entsprechend schwierig ist es, die Identität der zahlreichen täuferischen Gruppen präzise zu benennen. Zijlstra behilft sich, indem er die Normen zusammenstellt, die seit dem 16. Jahrhundert die täuferischen Gemeinden prägen sollten: So kommen beispielsweise Melchior Hoffman, David Joris, Menno Simons, Jan van Batenburg, die Münsteraner Täufer und die Melchioriten in der ersten Hälfte der Studie ausführlich zu Wort. Zur Notwendigkeit, eine verbindliche Identität zu formulieren, wurden sie alle von den Ereignissen des frühen 16. Jahrhunderts gedrängt: Insbesondere der Aufbau und Fall des Täuferreichs von Münster 1534/35 stellte eine Zäsur da, die das Überprüfen täuferischer Positionen etwa in Bezug auf den Einsatz von Gewalt dringend erforderlich machte.
Die zunehmende Ausdifferenzierung inhaltlicher Punkte führte zu Trennungen im Täufertum. Eigenständige Gruppen entstanden und lebten diese Trennung rigoros. Andere Kreise wurden schlicht verbannt. Es ist das Verdienst von Zijlstra, diesen zahlreichen Gruppen breiten Raum in seiner Studie zu geben. Dadurch gelingt es ihm, die Vorstellung aufzulösen, die Waterländer hätten die Normen des täuferischen Leben in und nach der Phase der Trennung geprägt, obwohl sie, so Zijlstra, nur zwanzig Prozent der Täufer ausmachten. Bedeutsamer seien die Friesen und die Flaminger gewesen, deren Beschreibung in der Forschung aber bis dato eine tendenziöse gewesen sei. Allein die Waterländer seien bisher in die Nachfolge von Menno Simons gestellt worden.
Zijlstra verbleibt allerdings nicht bei der Beschreibung der Trennungen und der verschiedenen Gruppen: Auch die Gespräche und Bemühungen, die zu den Wiedervereinigungen der Gruppen führten, hat er im Blick. Die Verhandlungen um gemeinsame Positionen zogen sich durch das gesamte 17. Jahrhundert. Basis aller Wiedervereinigungen und einer gemeinsamen Identitätsnorm waren Bekenntnisse, auf die sich die verschiedenen Parteien einigen konnten. Nur die "Harde Friezen" und die "Groninger Oude Vlaminger" entzogen sich allen Vereinigungsbemühungen und blieben eigenständig.
Die Frage nach täuferischer Identität kann jedoch nicht bei der Auswertung theologischer Auseinandersetzungen verhaftet bleiben. Der Blick muss auch in die Gemeinden gehen, die diese Normen umzusetzen hatten. Doch im Vergleich zu den Erwägungen inhaltlicher Positionen, den Trennungen und den Bemühungen um die Wiedervereinigung der verschiedenen Kreise fallen die zwei Kapitel zum Gemeindeleben relativ schmal aus. Zijlstra macht hierfür die dünne Quellenlage verantwortlich. Und so beruft er sich auf Verhöre, Bekenntnisse und Märtyrerberichte, die bereits in gedruckter Form vorliegen. Aus diesen Quellen gewinnt er Aussagen zu den Ältesten, dem sozialen Status der Gemeindeglieder und dem geistlichen Leben. Auch die Beteiligung der Frauen in den täuferischen Gruppen streift er an dieser Stelle. Grundsätzlich, so seine These, sei ein Gleichheitsgrundsatz in den täuferischen Kreisen zu beobachten. Frauen wurden den Männern in allen Aspekten gleichgestellt; mit der Ausnahme, dass sie kein geistliches Amt bekleiden durften. Das zweite Kapitel zum Gemeindeleben ist den Erwägungen zum 17. Jahrhundert angeschlossen. Auch hier arbeitet Zijlstra Statistiken ab, verweist auf die Berufe der Täufer und auf die Rolle der Ältesten, behandelt die geringer werdenden Ansprüche an die Kirchenzucht und stellt das Amt der Diakone vor. Spätestens an dieser Stelle hätten seine Aussagen zur Beteiligung von Frauen am Täufertum präzisiert werden müssen, da mit den Diakonissen auch Frauen Ämter in der Gemeinde übernahmen. Ohne diesen Verweis vermag er es auch nicht, die große Anzahl von Witwen zu verorten, die sich in seiner Statistik finden.
Den Abschluss der Untersuchung bildet die Frage nach dem ökonomischen Erfolg der Täufer. War dieser ein Ausdruck ihrer Identität? Wurde ihnen basierend auf ihrer Theologie ein besonderes Verhalten in der Wirtschaft vorgegeben, das zu diesen Erfolgen führte? Zijlstra verwirft die Theorie, dass Täufer einen theologisch manifestierten Ehrenkodex besaßen, der sie im wirtschaftlichen Leben besonders Vertrauen erweckend machte. Ebenso hält er die Theorie nicht für plausibel, nach der starkes wirtschaftliches Engagement von inhaltlichen Differenzen ablenken sollte. Ihm bleibt einzig der Verweis, dass die Täufer in all den Wirtschaftszweigen zu finden waren, die im 16. und 17. Jahrhundert in den Niederlanden blühten. Außerdem handelten Täufer mit jedem und tätigten sichere Investitionen. Auch wenn Zijlstra zugibt, keine eigene Theorie in dieser Frage zu besitzen, bleibt doch die Anregung, in künftigen Untersuchungen auch diesen Aspekt in den Blick zu nehmen.
Samme Zijlstra hat eine umfangreiche und verdienstvolle Studie vorgelegt, die danach fragt, was täuferische Identität ausmachte und wie sich die Täufer in dem doch recht unübersichtlichen Konfessions- und Denominationsgefüge der frühneuzeitlichen Niederlande profilierten. Dabei rückt er auch die spiritualistischen Gruppen deutlich ins Blickfeld, die in der Historiographie noch nicht hinreichend gewürdigt worden sind. Darüber hinaus hat er eine bemerkenswerte Anzahl zeitgenössischer Quellen zum Sprechen gebracht.
Ausgehend von dieser Untersuchung mit ihrer Zusammenschau der theologischen Schwerpunkte des frühneuzeitlichen Täufertums in den Niederlanden bietet es sich für nachfolgende Studien an, das täuferische Gemeindeleben stärker zu berücksichtigen. Dabei ist in den Blick zu nehmen, wie weit die postulierte und die reale täuferische Identität im Alltag divergierten. Diese Frage ist insbesondere für das 17. Jahrhundert zu stellen, da hier die Quellen reichhaltiger sprudeln als etwa in der Reformationszeit. Damit wäre außerdem der Bogen zu zukünftigen Studien geschlagen, die die täuferische Identität des 18. und 19. Jahrhunderts behandeln - auch dieses Feld ist noch weitestgehend unbeackert.
Nicole Grochowina