Paul E. J. Hammer: The Polarisation of Elizabethan Politics. The Political Career of Robert Devereux, 2nd Earl of Essex, 1585-1597 (= Cambridge Studies in Early Modern British History), Cambridge: Cambridge University Press 1999, 446 S., ISBN 978-0-521-43485-0, GBP 47,50
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Unter den adligen Magnaten des 16. Jahrhunderts wird der Typus des Rebellen, der sich an der Spitze seiner Klienten und bäuerlichen Untertanen, gestützt auf eine traditionelle regionale oder lokale Vormachtstellung seiner Familie, gegen einen fernen Monarchen auflehnt, oft dem Typus des Höflings und Favoriten gegenübergestellt. Bei näherer Betrachtung handelte es sich hier jedoch weniger um gegensätzliche Persönlichkeitstypen als um soziale und politische Rollen, die von ein und derselben Person zu unterschiedlichen Zeiten gespielt werden konnten. In Frankreich bietet etwa die Biografie von Louis Prince de Condé (1621-86), des Siegers von Rocroi und späteren Frondeurs, ein Beispiel für einen solchen situationsbedingten Rollenwechsel.
Der englischen Geschichte scheint der Höfling, der zum Rebellen wird, fremder zu sein, auch wenn unter den Gegnern Karls I. in der Anfangsphase des Bürgerkrieges sich der eine oder andere Magnat befand, dessen Verhalten diesem Rollenmuster entsprach. Ein bekannteres Beispiel ist freilich der Günstling der letzten Lebensjahre Elisabeths I., Essex. Robert Devereux, zweiter Earl of Essex (1566-1601), war am Hofe zunächst in den späten 1580er-Jahren im Schatten seines Stiefvaters, des Earl of Leicester, aufgestiegen und erhielt bald die wichtige Position des Oberststallmeisters. Sein Einfluss wuchs in einer Zeit, als die Berater aus der Jugendzeit der Königin starben oder an Einfluss verloren. Essex verstand es, der alternden Elisabeth I. auch als Frau zu schmeicheln und seine eigene glänzende Erscheinung ins rechte Licht zu setzen. Dennoch wurde aus dem Höfling am Ende ein Rebell, der nach einem gescheiterten Putsch gegen die Königin 1601 als Hochverräter hingerichtet wurde.
Die Biografie von Hammer, eines der letzten Schüler des Cambridger Historikers Geoffrey Elton, spart freilich die letzten vier Lebensjahre aus, also die Zeit, in der Essex den Oberbefehl im aufständischen Irland übernahm (1599), wo schon sein Vater gescheitert war, in Ungnade fiel und sich am Ende offen gegen die Monarchin wandte; die Wurzeln des späteren Konfliktes mit der Königin werden jedoch schon vor 1597 sichtbar. Essex sah sich, wie Hammer betont, als Wahrer eines traditionellen Ideals von adliger Ehre, die auf Herkunft ("lineage") und militärischer Leistung ("virtue") beruhte. Einerseits war er bereit anzuerkennen, dass die Ehre eines Aristokraten letztlich von der Anerkennung seiner Verdienste durch die Krone abhing, andererseits bestand er darauf, dass die Königin eine Pflicht habe, militärische Erfolge und persönlichen Mut zu belohnen. Entzog sich die Monarchin dieser Pflicht, war die Gehorsamsbindung des Adels an die Krone potenziell aufgehoben.
In den 1590er-Jahren wurde Essex zunehmend zum Vertreter eines aristokratischen Konstitutionalismus, wie man ihn auch in Frankreich fand, der auf den gegenseitigen Loyalitätsverpflichtungen zwischen Monarch und jenen Untertanen, die durch Herkunft und Verdienste eine herausgehobene Stellung einnahmen, bestand. In seiner Eigenschaft als Earl Marshal (ein Amt, das er 1597 statt der auf Grund von erblichen Rechten beanspruchten mittelalterlichen Position des Constable des Königreiches erhielt) und somit als präsidierender Amtsträger des Court of Chivalry, der für Status- und Ehrfragen zuständig war, verstand Essex sich als "chief officer of the community of honour, the guardian of its values". Am Ende sah er sich berechtigt, in dieser Funktion auch gegen den Monarchen zu handeln.
Schon vorher hatte sein Auftreten bei Hofe und in den Turnieren, die regelmäßig zu Ehren der Königin abgehalten wurden, oft ein Element der kalkulierten Provokation enthalten, die zum Beispiel in den subtil gewählten "impresen" deutlich wurde, die seinen Schild schmückten. Essex verstand sich, wie Hammer betont, als Vorkämpfer für eine Neudefinition des englischen Adels, der Peerage und Gentry, als militärischer Elite, ein Ideal, das sich nicht zuletzt gegen die sehr viel weniger kriegerischen Wertvorstellungen der Dynastie der Cecils, seiner einflussreichsten Gegner, richtete. Nur eine solche Neudefinition schien Essex die Gewähr für einen dauerhaften Sieg über Spanien und für einen Erfolg der "Protestant cause" in Europa gegen die Kräfte der Gegenreformation zu bieten.
Die Königin ermunterte, wie Hammer zeigt, zunächst bis zu einem gewissen Grade die konsequente Selbststilisierung des Earl of Essex als Vorbild adliger Tugend. Mangels hinreichender eigener finanzieller Mittel war sie auf Magnaten wie Essex angewiesen, die auch auf eigene Kosten Truppen aufstellten, um dadurch Prestige zu gewinnen, und Freiwillige aus der Oberschicht dazu animierten, in ihrer Gefolgschaft auf eigene Kosten, als "gentlemen volunteers", ins Feld zu ziehen. Aber die Tatsache, dass Essex in der Armee und in den Regionen, in denen sein Einfluss besonders groß war, wie etwa Wales, ein umfangreiches Netzwerk von Klienten aufbaute, das er unter anderem auch durch selbstständige Erhebungen in den Ritterstand auf dem Schlachtfeld an sich band, wurde von der Monarchin und ihren zivilen Beratern zunehmend als bedrohlich empfunden, zumal Essex jede Verweigerung einer Vergünstigung für einen Klienten als unmittelbaren Angriff nicht nur auf seine Machtstellung, sondern auch auf seine Ehre als Aristokrat empfand. Von Beratern - und Essex besaß enge Kontakte auch zu universitären und gelehrten Kreisen - ließ er schon vor 1601 Denkschriften verfassen, die ein adliges Widerstandsrecht gegen einen Monarchen legitimieren sollten, der den Anspruch der militärischen Elite und des alten Adels auf Auszeichnungen und Ehrenvorrechte nicht anerkannte.
Hammer kann deutlich machen, dass die Revolte von 1601 nicht einfach nur die törichte Trotzreaktion eines auch finanziell gescheiterten Höflings, eines "playboy of the Western world", als den ihn manche Interpreten hingestellt haben, war. Vielmehr lag ihr - so wenig durchdacht sie unter taktischen Gesichtspunkten war - durchaus ein politisches Konzept zu Grunde, eine ganz spezifische Vorstellung von der Rolle des Adels als militärischer Elite im monarchischen Staat. Mit der Hinrichtung des Earl fand auch dieses Ideal in England weitgehend sein Ende. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich eine neue politische Kultur, in der Ehre noch stärker als in der Vergangenheit über den Besitz von lokalen und höfischen Ämtern und über politischen Einfluss im Parlament, weniger hingegen über militärische Leistung definiert wurde. Die Stuarts vertraten zeitweilig ein bewusst unmilitärisches Adelsideal für das zum Beispiel Bildung und Geschmack, auch in Fragen der Kunst, wichtiger war als das Waffenhandwerk. Das Friedensideal der Stuarts - auch eine nachträgliche Antwort auf die Essex-Revolte - hatte allerdings seinen Preis, denn feinsinnige adlige Kunstsammler und Ästheten führten zwar vielleicht keine Revolten an, aber mit ihnen ließ sich auch kein Bürgerkrieg gewinnen, und schlimmer noch, letztlich bedurften sie der Legitimation durch den Monarchen viel weniger als Heerführer und Soldaten wie Essex, der zum Rebellen erst geworden war, als ihm diese Legitimation vorenthalten wurde.
Hammers Arbeit ist weit mehr als Biografie. Sie ist vielmehr zugleich eine scharfsinnige und hochreflektierte Analyse der sich wandelnden politischen Kultur der 1590er-Jahre, in der sich ganz widersprüchliche Elemente - eine späte Renaissance des Rittertums, der militante Kampf für den Protestantismus, adlige Ehrvorstellungen und ein Herrscherkult mit erotischen Untertönen - verbanden. Die Krise der späten Jahre der letzten Tudor-Herrscherin ist selten in einer solchen Tiefe analysiert worden wie hier.
Ronald G. Asch