Lukas Thommen: Sparta. Verfassungs- und Sozialgeschichte einer griechischen Polis, Stuttgart: J.B. Metzler 2003, IX + 244 S., ISBN 978-3-476-01964-6, EUR 29,95
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Nachdem Lukas Thommen mit seiner Baseler Hablilitationsschrift eine thesenreiche Untersuchung zur Entwicklung Spartas vorgelegt hat, schließt sich mit dem zu rezensierenden Buch nun eine darauf aufbauende Einführung in die Verfassungs- und Sozialgeschichte der Polis an. In 17 Kapiteln verfolgt der Verfasser die Geschichte der Stadt von ihren Anfängen bis in die römische Zeit hinein. Dabei konzentriert sich Thommen neben der Darstellung der Ereignisgeschichte vor allem auf die Entwicklung der Institutionen des spartanischen 'Staates'. Nach einer Einleitung (1-20), in welcher er sich mit Quellen- und Forschungslage ebenso auseinandersetzt wie mit der Topografie Spartas und Lakoniens, bilden die Kapitel II. Anfänge (21-50), III. Der Peloponnesische Bund (51-58), V. Die Perserkriege (73-85), VI. Die Pentekontaetie (86-90), X. Der Peloponnesische Krieg (152-163), XII. Die spartanische Hegemonie (169-175), XIII. Söldnerführer (176-180), XIV. Areus und der hellenistische Königshof (181-183), XV. Agis, Kleomenes und die Reformierung Spartas (184-194), XVI. Nabis und der Achaiische Bund (195-199) und schließlich XVII. Eurykles und das römische Sparta (200-205) den ereignisgeschichtlichen Rahmen dieser Einführung. In diesen werden systematische Untersuchungen zu IV. Entwicklung von Königtum und Ephorat (59-72), VII. Verfassung (91-111), VIII. Gesellschaft (112-147), IX. Die Armee (148-151) und XI. Nauarchen und Harmosten (164-168) eingebettet. Dem Band sind als Anhang Karten sowie eine Königsliste, Zeittafel, Register und eine nach Themen gegliederte umfangreiche Bibliografie beigegeben.
Kritisch zu diskutieren sind bezüglich dieses Buches vor allem drei Bereiche - zum Ersten die Gliederung: Thommen versucht "die systematische Darstellung von politischen Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen mit einer chronologisch aufbauenden Grundstruktur historischen Geschehens zu verbinden" (2). Über die Nachteile eines solchen Aufbaus ist er sich durchaus im Klaren (ebenda). Tatsächlich gelingt es Thommen so - und dies ist sicherlich von Vorteil -, die Entwicklung einzelner Institutionen deutlich herauszuarbeiten. Auf der anderen Seite unterbricht das Verfahren an manchen Stellen den Lesefluss bei den ereignisgeschichtlichen Kapiteln, und auch der Zuschnitt der systematischen Kapitel scheint nicht immer glücklich. So fungiert zum Beispiel der Abschnitt zur "Gesellschaft" (112-147) als Sammelbecken, in dem Vermischtes von der Stratifikation der Gesellschaft über "Gedenkstätten" beziehungsweise "Geld" bis hin zu "Frauen" enthalten ist.
Problematisch bleibt zum Zweiten auch die Entscheidung, den chronologischen Rahmen bis in die Zeit des römischen Sparta hinein auszudehnen. Dazu führt Thommen aus: "Die Spartaner haben im mittleren 3. Jahrhundert aber entscheidende Reformmaßnahmen getroffen, welche die vermeintlich altspartanische Lebensweise wieder einschärfen sollten. Diese trugen in der Folge wesentlich zur Traditionsbildung über Sparta bei. Die Betrachtung der nachklassischen Epochen bringt daher wichtige Erkenntnisse über die Formierung des Mythos Sparta" (2). Dem ist sicher zuzustimmen, jedoch können die fraglichen kurzen Kapitel zu der Zeit nach der spartanischen Hegemonie, auch wegen der problematischen Quellenlage, nur einen sehr knappen Einblick in diesen Abschnitt der Geschichte Spartas geben - für die Zeit zwischen 146 vor Christus und 216 nach Christus bleiben ganze fünf Seiten (200-205). Für die spannende Frage nach der Konstituierung des Mythos Sparta durch die Reformen in hellenistischer Zeit reicht der Platz jedenfalls nicht aus, und so ist zu überlegen, ob dieser nicht sinnvoller dafür hätte verwendet werden können, sich mit den ebenfalls nur kurz beleuchteten Facetten der spartanischen Kultur intensiver zu beschäftigen.
Können die beiden erstgenannten Punkte letztlich als Geschmacksfrage betrachtet werden, ist es abschließend nötig, auf den einzigen gravierenden Nachteil des Buches zu verweisen: Es fehlen Anmerkungen. Zwar gibt Thommen im Text Quellenstellen als Belege an, auf einen Verweis auf Forschungsliteratur oder die Diskussion von Thesen verzichtet er jedoch, und zwar auch dort, wo seine Darstellung auf eigenen Vorarbeiten beruht und von der communis opinio abweicht. Dies gilt zum Beispiel für seine Vorstellungen von der Entwicklung des Ephorats, dessen Aufwertung er als Ergebnis der Auseinandersetzungen der Ephoren mit dem König Kleomenes, der circa von 520 bis 490 regierte (63), sowie im "Zusammenhang mit dem Bemühen der Oberschicht um ihren Machterhalt in der Polis, die in einem vergrößerten Gebiet neue Aufgaben zu bewältigen hatte" (102), sieht. Gleiches gilt auch für seine Spätdatierung des Abschlusses der Ausbildung der besonderen Form des spartanischen Kosmos, den er erst im 5. Jahrhundert als gegeben ansieht (117-122). Gerade aber in einem Buch, das sich ganz wesentlich als Einführung versteht und bei dessen Rezipienten nicht vorausgesetzt werden kann, dass die Besonderheiten der Rekonstruktion Thommens sofort erkannt werden, wäre eine klarere Kennzeichnung von Forschungskontroversen nötig, als dies der kurze Forschungsüberblick leisten kann, den der Autor in seiner Einleitung gibt.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei der von Thommen vorgelegten Arbeit um eine insgesamt gut lesbare Einführung mit sehr hohem Gebrauchswert handelt.
Jan Timmer