Pavel Maršálek: Protektorát Čechy a Morava. Státoprávní a politické aspekty nacistického okupačního režimu v českých zemích 1939-1945. [Das Protektorat Böhmen und Mähren. Staatsrechtliche und politische Aspekte des nationalsozialistischen Besatzungsregimes in den Böhmischen Ländern 1939-1945], Praha: Karolinum 2002, 347 S., ISBN 978-80-246-0302-5
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Jan Boris Uhlíř: Ve stínu říšské orlice. Protektorát Čechy a Morava, odboj a kolaborace. [Im Schatten des Reichsadlers. Das Protektorat Böhmen und Mähren. Widerstand und Kollaboration], Praha: Aleš Skřivan 2002, 286 S., ISBN 978-80-86493-05-3
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Monika Glettler / Alena Míšková (Hgg.): Prager Professoren 1938-1948. Zwischen Wissenschaft und Politik, Essen: Klartext 2001
Jan Björn Potthast: Das jüdische Zentralmuseum der SS in Prag. Gegnerforschung und Völkermord im Nationalsozialismus, Frankfurt/M.: Campus 2002
Wolf Gruner: Die Judenverfolgung im Protektorat Böhmen und Mähren. Lokale Initiativen, zentrale Entscheidungen, jüdische Antworten 1939-1945, Göttingen: Wallstein 2016
Beide Studien bieten, bei recht unterschiedlicher Methodik, Gesamtdarstellungen der Geschichte des Protektorats Böhmen und Mähren. Während Pavel Maršálek die Form einer sehr systematischen Analyse gewählt hat, bevorzugt Jan Boris Uhlíř eine deskriptive Herangehensweise, die essayistisch anhand einzelner ausgewählter Personen beziehungsweise Ereignisse die politische und gesellschaftliche Realität wiederzugeben versucht.
Maršáleks Untersuchung stellt die bisher wohl beste Gesamtdarstellung eines tschechischen Autors zum Protektorat Böhmen und Mähren dar, da sie sich auf der Höhe des derzeitigen Forschungsstandes befindet und zudem einen vorzüglichen Überblick über die einschlägige Fachliteratur bietet. Der Autor zeigt in überzeugender Weise auf, wie die Besatzer mit einem - im Vergleich zur Besatzungspolitik etwa im so genannten Generalgouvernement oder den so genannten Besetzten Ostgebieten - großen Maß an Flexibilität und Pragmatismus im Protektorat ihre vor allem kriegswirtschaftlichen Nahziele erreichten, und dass dieser Pragmatismus, der die brutale Unterdrückung des tschechischen Widerstandes mit materiellen Anreizen vor allem für die Rüstungsarbeiter verband, in erster Linie das Werk von Reinhard Heydrich und Karl Hermann Frank war. Zwar werden zum Beispiel die Übertragung nationalsozialistischer Rechtsetzung auf das Protektorat beziehungsweise die Rechtsetzung durch den Reichsprotektor eingehend analysiert, allerdings kommt infolge der systematischen Herangehensweise die Darstellung einzelner markanter Ereignisse etwas zu kurz. Die Vernichtung von Lidice etwa wird bei der ansonsten sehr prägnanten Darstellung der Auswirkungen des Terrors nach dem erfolgreichen Attentat auf Heydrich auf den tschechischen Widerstand und das gesellschaftliche Klima im Protektorat nicht erwähnt. Die insgesamt sehr scharfsinnige und klare Analyse handelt vieles sehr knapp ab, was aus Sicht eines nicht auf das Thema spezialisierten Lesers mehr Raum und häufigeres Zitieren aus den Quellen vertragen hätte.
Diese Lücke, wenn man sie so bezeichnen kann, vermag Uhlířs Monografie ansatzweise zu schließen, weil der Autor in seinen essayistischen Studien sowohl wesentliche damalige Protagonisten als auch die zeitgenössische Protektoratspresse ausgiebig zitiert, um "die Atmosphäre der Zeit unmittelbar nahezubringen" (6), und diesen Anspruch auch weitgehend erfüllt. Die Auswahl der behandelten Personen, die bedeutende Akteure der Regierungskollaboration (unter anderem Emil Hácha und Alois Eliáš, deren Dilemma überzeugend dargestellt wird, sowie Emanuel Moravec) wie auch Widerstandsleute verschiedener politischer Couleur (Ladislav Rašín, Vladimír Krajina, Jan Uher, Václav Morávek und andere) umfasst, ist gelungen, die Darstellung recht ausgewogen. Zudem findet auch ein fachkundiger Leser manch interessante Neuigkeit, so vor allem bezüglich der Reaktion der (noch nicht von den Besatzern zensierten) tschechischen Presse auf den deutschen Einmarsch und die Errichtung des Protektorats. Ähnlich aufschlussreich sind die Reaktionen der Presse auf das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944, die Darstellung des Traueraktes für Heydrich in Berlin am 9.6.1942 oder die Auswirkungen alliierter Bombenangriffe auf Prag Anfang 1945. Die einzelnen Abhandlungen des Autors zeichnen sich dank ausgiebiger Quellenzitate durch einen hohen Grad an Anschaulichkeit aus. Leider wurde auf Wunsch des Verlages auf einen Anmerkungsapparat verzichtet.
Während Maršáleks Studie einstweilen hinsichtlich analytischer Prägnanz und Kenntnis der Fachliteratur als systematische Gesamtdarstellung ihresgleichen sucht, auch wenn einzelne Aspekte eingehender behandelt werden sollten, hat Uhlířs Arbeit, die ebenfalls die einschlägige Fachliteratur rezipiert, auf Grund ihres deskriptiven Charakters den Vorzug, einen leichteren Einstieg in die Thematik zu ermöglichen. Beide Monografien stellen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, einen wertvollen Zuwachs für die bisher ohnehin nicht allzu zahlreichen Gesamtdarstellungen zur Geschichte des Protektorats Böhmen und Mähren dar.
René Küpper