Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1386-1651, Berlin: Springer Verlag 2002, XXXIX + 650 S., ISBN 978-3-540-43530-3, EUR 64,95
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Die biografische Erschließung vormoderner Universitätsangehöriger bildet einen wichtigen Baustein sowohl der Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte wie auch der Sozialgeschichte. Insofern ist es begrüßenswert, dass an der Universität Heidelberg anlässlich ihres sechshundertjährigen Gründungsjubiläums im Jahr 1986 ein ambitioniertes Projekt zur personellen Erschließung aller Heidelberger Universitätslehrer seit Bestehen der Hochschule auf die Bahn gebracht wurde. Bereits zum Jubiläum erschien das "Heidelberger Gelehrtenlexikon" zum Zeitraum 1803-1932, ihm folgte 1991 das Gelehrtenlexikon für die Zeit von 1652 bis 1802. [1] Mit dem nun erschienenen dritten Band wird die Zeitspanne von 1386 bis 1651 abgedeckt. Ein vierter abschließender Band zu der Zeit von 1933 bis 1986 ist derzeit bereits in Bearbeitung.
Wer sich einmal mit der vormodernen Universitätsgeschichte beschäftigt hat, weiß, wie schwer es im Einzelfall sein kann, biografische Daten gerade über die Gelehrten zu finden, die nicht zu den großen Heroen der Wissenschaftsgeschichte zählen. So bedarf es oft einer zeitaufwändigen und nicht notwendig spannenden Durchsicht des umfangreichen Verwaltungsschriftguts einer Hochschule, um die verstreuten Informationen zusammenzutragen. Dieser anspruchsvollen Aufgabe widmet sich seit vielen Jahren mit Erfolg Dagmar Drüll als Bearbeiterin des Heidelberger Gelehrtenlexikons. Dass die systematische Sichtung der Quellenbestände dabei immer wieder 'Entdeckungen' gestattet, macht etwa die Wiederauffindung von Senatsprotokollen aus den Jahren 1641-1649 deutlich, einer Zeit, in der der Lehrbetrieb der Universität offiziell ausgesetzt worden war (XV-XVI).
Der vorliegende Band setzt sich aus insgesamt 919 einzelnen, alphabetisch geordneten Lebensbeschreibungen der amtierenden Magister und Professoren der Heidelberger Universität zusammen. Jeder Artikel enthält neben biografischen Basisdaten wie Verwandtschaft und akademischem Werdegang in Form von Graduierung und bekleideten Ämtern Hinweise auf gedruckte wie ungedruckte Quellen, ein Verzeichnis ausgewählter Werke, Hinweise auf einschlägige Forschungsliteratur und - soweit vorhanden - die Nachweise von Porträts. Besonders hilfreich ist zusätzlich die Auflistung der jeweiligen Akten des Universitätsarchivs, in denen die betreffende Person genannt wird, sowie der teilweise Abdruck einiger einschlägiger Quellenzitate.
Die exemplarische Auswahl dieser Zitate ist natürlich dem subjektiven Ermessen der Bearbeiterin überlassen, gewährt aber in jedem Fall einen plastischen Einblick in den universitären Alltag. So erfährt man unter anderem von einem Professor, der eher bereit war seine Stellung aufzugeben als das Konkubinat mit seiner Köchin (67 f.), von Rangstreitigkeiten über die Sitzordnung im Senat (82, 86) und die zahlreichen Klagen über die schlechte gesundheitliche Konstitution der Gelehrten, die sie an der ordnungsgemäßen Ausübung ihrer Tätigkeit hinderte (zum Beispiel 6, 411, 426, 489). Sozialgeschichtlich relevant sind vor allem die zahlreichen Informationen über Besoldung, Pfründen und verwandtschaftliche Verflechtung, während wissenschaftsgeschichtlich der Einblick in die zahlreichen Kontroversen und Publikationen der Heidelberger Gelehrten aufschlussreich ist. Neben dem akademischen Werdegang liefern die einzelnen Einträge zudem wichtige Informationen über die Reisetätigkeit der Gelehrten, ihre konfessionellen Auseinandersetzungen und politischen Betätigungen.
Zu einem wichtigen biografischen Hilfsmittel wird das Gelehrtenlexikon unter anderem dadurch, dass die einzelnen Einträge sich nicht auf die Heidelberger Amts- oder Wirkungszeit beschränken, sondern zum Teil auch die Vor- und Nachgeschichte mit berücksichtigen und so aufschlussreiche Einblicke in Lebenslauf und Karrieremuster der Gelehrten gewähren. Gespannt sein darf man auf die nach Abschluss des Gesamtprojektes zur Publikation angekündigte CD-ROM, die das vorhandene Datenmaterial für weitere systematische Untersuchungen öffnen soll.
Das Werk ist insgesamt von einer transparenten Gliederung, deren Handhabbarkeit unter anderem durch ein Glossar, zentrale Daten zur Heidelberger Universitätsgeschichte, ein chronologisches Verzeichnis der Rektoren und aller amtierenden Magister und Professoren nach Fakultäten sowie eine Übersicht über deren konfessionelle Zugehörigkeit nach 1522 zusätzlich unterstützt wird. Das Heidelberger Gelehrtenlexikon präsentiert sich somit als ein über den engeren Bereich der Universitäts- und Gelehrtengeschichte hinaus gewichtiges Nachschlagewerk. Eben weil bisher kaum vergleichbare Kompendien in dieser Ausführlichkeit für andere deutsche Hochschulen existieren, setzt das vorliegende Werk die Messlatte für zukünftige Folgeunternehmen sehr hoch. [2]
Anmerkungen:
[1] Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803-1932, Berlin 1986; dies.: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1652-1802, Berlin 1991.
[2] Vgl. z.B. Laetitia Boehm / Winfried Müller / Wolfgang J. Smolka / Helmut Zedelmaier (Hg.): Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians Universität München, Bd. 1: Ingolstadt-Landshut 1472-1826 (= Ludovica Maximilianea, Forschungen; Bd. 18), Berlin 1998; Werner Buchholz (Hg.): Lexikon Greifswalder Hochschullehrer 1775 bis 2006, bisher erschienen: Bd. 3: 1907-1932, Bad Honnef 2004.
Marian Füssel