Bernhard Chiari (Hg.): Die polnische Heimatarmee. Geschichte und Mythos der Armia Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg (= Beiträge zur Militärgeschichte; Bd. 57), München: Oldenbourg 2003, 948 S., 39 Abb., 9 Karten, ISBN 978-3-486-56715-1, EUR 49,80
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Thomas M. Bohn / Aliaksandr Dalhouski / Markus Krzoska: Wisent-Wildnis und Welterbe. Geschichte des polnisch-weißrussischen Nationalparks von Białowieża, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2017
Svetlana Burmistr: Die "Minsker Zeitung". Selbst- und Fremdbilder in der nationalsozialistischen Besatzungspresse (April 1942 - Juni 1944), Berlin: Metropol 2016
Der vorliegende Sammelband umfasst Beiträge von polnischen, deutschen, weißrussischen, amerikanischen und englischen Autoren, die sich mit der Armia Krajowa, der polnischen Heimatarmee, und ihrem Bild in der Geschichte auseinandersetzen. Damit werden dem deutschsprachigen Leser erstmalig die Ergebnisse der einschlägigen polnischen und weißrussischen sowie der angelsächsischen Forschung zugänglich gemacht.
Wie der Herausgeber Bernhard Chiari erklärt, geht es in den 35 Aufsätzen nicht so sehr um irgendwelche Einzelaspekte der Geschichte der polnischen Heimatarmee als vielmehr um die Haltungen ihr gegenüber, um die Rolle der Mythen in der Geschichte der polnischen Republik und des postkommunistischen Polens, und auch um die Rolle der Armia Krajowa für die Formierung des nationalen Selbstbewusstseins und die offizielle staatliche Politik.
In seinem Eingangsartikel "Die Heimatarmee als Spiegelbild polnischer nationaler Identität" behandelt Chiari, der am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam arbeitet, historische und historiografische Aspekte der Armia Krajowa, die in den Jahren des Zweiten Weltkriegs von der polnischen Exilregierung zuerst von Frankreich, dann von London aus geführt wurde. Diese fast 400.000 Mann umfassende Armee bildete das zentrale Element des polnischen bewaffneten Widerstandes. Chiari stellt fest, dass die Heimatarmee einen erheblichen Teil der politisch zersplitterten Untergrundorganisationen vereinigte und zum Synonym für die militärischen Erfolge des polnischen Untergrundes geworden sei. Wenn bis 1943 Diversionsakte und Aufklärungsarbeit die Formen des Kampfes der Geheimarmee bildeten, so agierten in der Schlussphase des Krieges bereits selbstständige militärische Formationen.
Der erste Abschnitt "Die Heimatarmee und ihr historisch-militärisches Umfeld" (29-299) umfasst Beiträge, die die historischen, organisatorisch-strukturellen und militärischen Rahmenbedingungen näher bestimmen. Er wird eröffnet mit dem Aufsatz des Freiburger Lehrstuhlinhabers Bernd Martin "Barrieren - Brücken - Barrikaden. Historische Perspektiven deutsch-polnischer Nachbarschaft im 19. und 20. Jahrhundert". Seine Betrachtung der Beziehungen der beiden Staaten und Völker führen den Verfasser zu dem Schluss, dass gemeinsame Anstrengungen zur Überwindung "national begründete[r] und historisch verwurzelte[r] mentale[r] Barrieren" (49) unabdingbar sind. Hans-Jürgen Boemelburg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Warschau analysiert die deutsche Besatzungspolitik in Polen in den Jahren 1939-1945 ausgehend von einem Überblick über die Literatur und arbeitet neue Forschungstendenzen heraus. Wanda Krystyna Roman, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der polnischen Akademie der Wissenschaften, präsentiert einen historischen Überblick über die Politik der Sowjetunion bezüglich der östlichen Territorien der polnischen Republik (Kresy Wschodnie) in den Jahren 1939 bis 1941. Sie untersucht detailliert die einzelnen Etappen in der Politik der sowjetischen Besatzung nach dem 17. September 1939. Sie charakterisiert sie am Beispiel der Sowjetisierung der östlichen Wojewodschaften, der Durchführung gesellschaftsverändernder Maßnahmen inklusive der Erscheinungsformen von Widerstand und Terror sowie der Besonderheiten der Deportation von Teilen der Bevölkerung aus den besetzten und annektierten polnischen Gebieten.
Grzegorz Mazur, Professor an der Jagellionischen Universität in Krakau, geht in seinem Aufsatz "Der 'Bund für bewaffneten Kampf - Heimatarmee'" detailliert auf die Geschichte der Bildung der militärischen Organisation ein und beschreibt verschiedene bewaffnete Formationen, deren Grundlage die Bildung von Untereinheiten in der Stärke zwischen 35 und 54 Mann war. Die Gebietseinteilung orientierte sich an den Kreisen, die unmittelbar den Gebietskommandanturen in Warschau, Krakau, Posen und Lwów unterstellt waren. Die Armia Krajowa (AK) bildete einen Teil der Streitkräfte Polens, die von der Exilregierung geführt wurden. Im Aufsatz von Marek Ney-Krawicz wird deren Anleitung der Heimatarmee chronologisch dargestellt. Der Informations- und Aufklärungsdienst der Armia Krajowa spielte eine wichtige Rolle im Kampf, den ihre örtlichen konspirativen Zellen auf dem besetzten polnischen Territorium führten. Mit ihm befasst sich Andrzej Pepłonski. Auf besonderes Interesse der Leser mögen vielleicht die Ausführungen über die Kooperation der polnischen Untergrundaufklärung mit den britischen Nachrichtendiensten stoßen, die die britische Regierung mit Informationen über deutsche, hochmoderne Raketenprojekte versorgten. Piotr Kolakowski, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Pommerschen Pädagogischen Akademie, untersucht die Bekämpfung des polnischen Untergrunds durch sowjetische Aufklärungs- und Staatssicherheitsdienste in den Jahren 1939-1945. Er geht dabei in Etappen vor: Am Anfang steht die Phase der Sowjetisierung 1939-1941; für die Zeit nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion werden Beispiele des Kampfes gegen den unabhängigen polnischen Untergrund und die Rolle des polnischen kommunistischen Untergrunds analysiert und schließlich die Zerschlagung des "polnischen Untergrundstaates" durch die Rote Armee. Für seine nahezu vollständige Liquidierung brauchten die sowjetischen Abwehr- und Staatssicherheitsdienste ungefähr drei Monate - von Januar bis März 1945. Vom Sommer 1944 bis zum späten Frühling 1945 verhafteten sie insgesamt 50.000 Soldaten der Armia Krajowa.
Als den Höhepunkt des antideutschen Widerstands der Polen im Zweiten Weltkrieg beschreibt Wlodzimierz Borodziej, Professor an der Warschauer Universität, den Warschauer Aufstand, der vom 1. August bis zum 2. Oktober 1944 dauerte. Die genaue Zahl der Opfer seiner Niederschlagung zu berechnen, ist praktisch unmöglich, jedoch hat man es mit einer Größenordnung von 150.000 bis 180.000 Menschen zu tun, davon 90 Prozent Zivilisten. Nach Meinung des Verfassers sind die Gründe für die Niederlage der Aufständischen "nicht im militärischen, sondern im politischen Bereich" (217) zu suchen. Die zweite zentrale militärische Operation der Armia Krajowa, die Aktion "Burza" (Gewittersturm) behandelt Grzegorz Mazur. Sie wurde vom November 1943 bis Ende 1944 in allen Gebieten Polens durchgeführt. Die Attacken und Sabotageakte gegen die deutsche Besatzungsmacht waren vorbereitet worden und verliefen koordiniert, erreichten aber nicht das selbst gesteckte Ziel, den Herrschaftsanspruch der polnischen Rzeczpospolita erfolgreich zu demonstrieren. Obwohl beide Aktionen in Niederlagen endeten, sind gerade diese Ereignisse äußerst bedeutungsvoll für das Selbstverständnis der Generation des militärischen Widerstands.
Die Ergebnisse des bewaffneten Kampfes, so Harald Moldenhauer in seinem, den ersten Abschnitt abrundenden Aufsatz, wurden in erheblichem Maße von der Tätigkeit des sowjetischen Geheimdienstes NKWD und seiner Beziehung zur Armia Krajowa beeinflusst. In seiner Untersuchung der Geschehnisse vom Juli 1944 bis Juni 1945 behandelt der Verfasser die sowjetische Politik gegenüber Polen, die Entwaffnung und Internierung der Armia Krajowa in der Endphase des Krieges, er zeigt die Formen und Dimensionen der Bekämpfung des polnischen Untergrundes durch das NKWD auf, analysiert den Verlauf der "Säuberungen" der neuen Machtorgane von Armia Krajowa-Anhängern und geht auf den "Moskauer Prozeß" gegen 16 Führer der Armia Krajowa ein.
Der zweite Abschnitt des Sammelbandes - "Kriegsalltag" (303-527) - beginnt mit einem Aufsatz von Piotr Majewski, Doktorand an der Universität Warschau, über "Konzept und Organisation des 'zivilen Kampfes'" der polnischen Besatzungsgesellschaft. Ein wichtiges Moment dieses Alltagskampfes sieht der Autor darin, dass die polnische Bevölkerung unter der deutschen Okkupation aus der Tätigkeit der Untergrundorganisationen, aus dem Patriotismus und der Solidarität der Kämpfer und dem Glauben an die Zukunft des eigenen Landes Kraft für das Überleben geschöpft und auf diese Weise ihren Charakter im Kampf gefestigt habe. Während sich Majewski mit der Taktik und den Methoden des Überlebens der polnischen Bevölkerung beschäftigt, geht der Leiter der Danziger Abteilung des Instituts für das Nationale Gedenken, Janusz Marzsalec, auf das Leben unter dem Terror der Besatzer ein, und nimmt dabei vor allem das "Randverhalten" von Soldaten der Armia Krajowa in Blick. Gemeint sind damit moralisch so problematische Verhaltensweisen wie illegale Beschlagnahmen, Vergeltungsaktionen, politische Morde und Erscheinungen von Antisemitismus. An ihnen machen sich häufig die widersprüchlichen Aussagen über den Charakter des Untergrundes fest, und sie sind historisch nicht selten schwer dingfest zu machen. Aufs Ganze gesehen kommt Majewski zu dem Schluss, die soldatische Moral der Heimatarmee sei trotz der Demoralisierung einzelner Kämpfer sehr hoch gewesen.
Martin Dean, einer der führenden Holocaust-Forscher zeigt auf der Basis von Materialien aus Prozessen gegen "Vaterlandsverräter" in Polen und der Sowjetunion die Beteiligung von Polen am Aufbau freiwilliger Polizeikräfte auf. Dean führt als Beispiel die erfolglosen Versuche der deutschen Besatzer an, ethnisch einheitliche Polizeidienste zu bilden. Der Autor weist darauf hin, dass nicht weniger als 10 Prozent der einheimischen Polizeikräfte in Weißrussland Polen waren. Die Problematik der unmittelbaren Beteiligung polnischer Polizeiformationen an den Verbrechen gegen die Juden auf dem Territorium Ostpolens ist bislang noch nicht vollständig bearbeitet.
Die Beziehung der katholischen Kirche zur Armia Krajowa analysiert Jerzy Myszor, Theologieprofessor an der Universität Kattowitz, am Beispiel der Aktivitäten einiger Repräsentanten der polnischen Geistlichkeit. Den Anteil von Frauen am Untergrundkampf untersucht Katja Hoeger, Studienassessorin an einem Gymnasium in Baden-Baden. Konkrete Beispiele dafür findet sie in der Geschichte des Warschauer Aufstandes, während dessen Frauen in den "klassischen Frauenrollen", nämlich als Sanitäterinnen und Krankenschwestern auftraten. Waldemar Bednarski zeichnet "Das Gesicht des Krieges in der Gemeinde Kotlici", wo die polnisch-ukrainischen Gegensätzen sich zu einem offenen bewaffneten Konflikt auswuchsen.
Lars Jochheck, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr Hamburg, zeigt, wie sich die Tätigkeit des polnischen Widerstandes und der Armia Krajowa in der offiziellen Propaganda und Presse des Generalgouvernements widerspiegelten. Die Massenmedien, die sich unter der Kontrolle der nationalsozialistischen Propagandamaschinerie befanden, nannten die Teilnehmer des polnischen Widerstandes nie anders als "Banditen", "Terroristen" und "Agenten". Die Wahrnehmung des Warschauer Aufstandes durch deutsche Mannschaftssoldaten behandelt Anke Stephan, die dabei grundlegende Abweichungen zwischen der Einschätzung der Aktivitäten der AK in der nationalsozialistischen Propaganda und bei den einfachen deutschen Soldaten feststellt. Der den Abschnitt abschließende Aufsatz von Bernhard Chiari beleuchtet lokale militärische Konflikte und einzelne Fälle des Zusammenwirkens von Armia Krajowa und Wehrmacht im Jahreswechsel 1943/44.
Im dritten Abschnitt des Buches, überschrieben "Regionen, Minderheiten und nationale Deutungen außerhalb Polens" (531-676), finden sich Beiträge zur regionalen, konfessionellen und sprachlichen politischen Identität der polnischen Bevölkerung unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Exzesse. Grzegorz Motyka und Timothy Snyder behandeln die polnisch-ukrainischen Gegensätze in Podolien, Ostgalizien und der Ostukraine in den Jahren des Zweiten Weltkriegs, Piotr Niwiński die nationalen Fragen im Gebiet Vilnius. Frank Golczewski lenkt die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen zwischen den Vertretern des polnischen bewaffneten Untergrunds und jüdischen bewaffneten Gruppen während des Aufstandes im Warschauer Ghetto.
Von besonderem Interesse sind die wissenschaftlichen Aufsätze, die sich mit der weißrussischen Region befassen. Kazimierz Krajewski, Mitarbeiter im Rat zum Schutz der Erinnerungen an Kampf und Märtyrertum in Warschau, gibt eine allgemeine Charakteristik des Bezirks Nowogródek. Er umfasste zu Beginn des Krieges eine Fläche von 22.966 Quadratkilometern, auf der 1.055.147 Menschen lebten, davon in Baranowicze 36.000 und in Lida 30.000. Polnisch sprachen 553.859, Weißrussisch 413.466, 74.025 Menschen zählten sich zur jüdischen Bevölkerung. Der Autor vermerkt, dass es in der Wojewodschaft Nowogródek an Industrie fehlte, mit Ausnahme von Betrieben zur Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte und zur Holzverarbeitung. 29 Prozent des Territoriums bestand aus Wäldern. Krajewski behandelt die Anfangsperiode des Krieges (1939-1941), die Struktur, Organisation und Kampfhandlungen der Armia Krajowa, die Politik der deutschen Behörden, die sowjetische Partisanenbewegung im Bezirk Nowogródek und ihren Einfluss auf die polnische Bevölkerung und die Armia Krajowa etc.
Ivan P. Kren', Professor an der Universität Grodno, untersucht die Tätigkeit der AK auf dem Gebiet Weißrusslands, wo dieses Thema für lange Zeit ein "weißer Fleck" war. Kren' gibt zunächst eine Übersicht über die weißrussische Forschung zum polnischen Untergrund und kommt zu dem Schluss, dass heute "eine breit angelegte Diskussion, die sich auf Dokumente und Zeitzeugenbefragungen stützt" (590) vonnöten ist. Im Weiteren behandelt Kren' die historische Entwicklung der weißrussischen Grenzen und den offiziellen Umgang mit dem "polnischen Erbe" in Belarus. In den letzten Jahren, so schließt er, seien bei der Untersuchung der Aktivitäten der polnischen Heimatarmee auf dem Territorium Weißrusslands erhebliche Erfolge erzielt worden. Sigizmund P. Borodin, Dozent an der Staatlichen Pädagogischen Universität "Maksim Tank" in Minsk, legt einen Aufsatz zum Thema "Die weißrussische Geschichtsschreibung und Publizistik und die Heimatarmee in den nordöstlichen Gebieten der Republik Polen 1939 bis 1945" vor. Ausgangspunkte seiner Betrachtung sind: erstens das Faktum, dass bis zur Potsdamer Konferenz die nordöstlichen polnischen Gebiete de jure zu Polen gehörten und erst seit August 1945 zur Belorussischen Sowjetrepublik; zweitens, dass unter den einschlägigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen von weißrussischen Forschern insbesondere denen von Aleksej Litvin, L. Skrabina, V. Barabaš und Aleksandr Chackevič besondere Bedeutung zukommt; drittens, dass die Einschätzung der Aktivitäten der Armia Krajowa unter starkem Einfluss von Propaganda und Emotionalität steht. Borodin bestreitet eine ganze Reihe von Postulaten der sowjetischen Historiografie und präsentiert dem deutschsprachigen Leser seine Sicht der juristischen Aspekte der Aktivitäten der AK in den Kresy Wschodnie. der Periodisierung ihrer Geschichte in Weißrussland, der Einschätzungen in der polnischen Geschichtswissenschaft, der Unterstützung der lokalen polnischen Bevölkerung für die AK und der sowjetischen Partisanen und der Entwaffnung der Formationen der polnischen Untergrundorganisation in den den Kreisen Vilnius und Nowogródek durch sowjetische Partisanen. Borodin ist der Meinung, dass die weißrussischen Historiker zumeist "das Interesse des weißrussischen Volkes mit der Politik der Stalinschen Führung gleichsetzen". Dabei sei der Kampf gegen die polnische Untergrundarmee "lediglich ein Element der Außenpolitik der UdSSR" (616) gewesen, deren Ziel die Unterwerfung und Sowjetisierung der Staaten Mittel- und Osteuropas gewesen sei. Die weißrussische Geschichtsschreibung folgt nach Meinung des Autors bis zum heutigen Tag der stalinistischen Version der Geschichte der Heimatarmee aus den Zeiten Lev Canavas. Der Volkskommissar für Staatssicherheit der BSSR hatte 1951 eine zweibändige Geschichte des Partisanenkampfes veröffentlicht. Borodin ist überzeugt davon, dass die Erforschung der Geschichte der Heimatarmee in Weißrussland gerade erst begonnen hat.
Der letzte Abschnitt des Sammelbandes - "Geschichtsbilder von der Heimatarmee in der polnischen Nachkriegszeit" (679-861) - ist der Frage gewidmet, wie der Mythos der Armia Krajowa entstanden ist und welche Rolle er in der Geschichte der Volksrepublik Polen gespielt hat. Krzysztof Komorowski behandelt die militärische Bedeutung der Formen des bewaffneten Kampfes und die Möglichkeiten einer Wiederbelebung älterer militärischer Traditionen in den polnischen Streitkräften zur Lösung gegenwärtiger militärischer Aufgaben. Über die Bedeutung der Geschichte der Untergrundarmee für die Streitkräfte Nachkriegspolens schreibt der stellvertretende Leiter des Zentralen Militärarchivs in Warschau Andrzej Czesław Żak. Das Schicksal der Veteranen der Heimatarmee hat Krzysztof Lesiakowski interessiert. Er zeigt die Schritte der polnischen Gesellschaft im ersten Nachkriegsjahrzehnt auf dem Weg zur gegenwärtigen Einschätzung der Rolle der ehemaligen Soldaten der AK im Kampf gegen die deutschen Besatzer. Rafał Habielski, Dozent am Literaturwissenschaftlichen Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften, setzt dieses Thema fort und stellt seine Forschungen zur Rolle der AK-Veteranen im gesellschaftlichen Leben der polnischen Emigration dar. Tomasz Markiewicz, Mitarbeiter der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, zeigt, in welcher Weise Denkmäler, Gedenktafeln und -kreuze und andere Erinnerungszeichen in polnischen Städten und Dörfern, in den Kirchen und auf öffentlichen Plätzen an den bewaffneten Kampf der AK erinnern.
Rafał Vnuk, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften schließt, dass das positive Bild der Aktivitäten der Heimatarmee als einer Organisation, die für Freiheit und demokratische Werte gekämpft habe, in bedeutendem Maße zur Entstehung des Widerstandes gegen das kommunistische Regime beigetragen habe. Edmund Dmitrów beschäftigt sich gemeinsam mit Jerzy Kulak mit dem langjährigen polnischen "Historikerstreit" über die Frage, welche Rolle die AK in der polnischen Geschichte der Jahre 1939-1945 gespielt hat. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Geschichte der Heimatarmee eine Quelle seelischer Kräfte für die Polen geworden ist, da sie überzeugend gezeigt habe, welche Werte für die Nation die wichtigsten sind (Würde, Stolz, Freiheit, Unabhängigkeit, politische und kulturelle Souveränität, staatliche Einheit und demokratische Werte), welche Einstellung und Haltung der polnische Patriotismus verlangt (Mut, Kompromisslosigkeit, grenzenlose Opferbereitschaft und Treue, Glaube, Beharrlichkeit, Solidarität). "Hinsichtlich der richtigen Haltung gegenüber den höchsten Werten des Volkes spielte die Armia Krajowa in der Geschichte eine Schlüsselrolle" (845), stellen die Autoren fest. Im Abschlussartikel des vierten Abschnitts aus der Feder von Barbara Szacka, Professorin an der Warschauer Universität, wird eine soziologische Analyse der Geschichte der AK im polnischen kollektiven Gedächtnis vorgelegt, die ein einzigartiges Phänomen in der polnischen Militärgeschichte war.
Das Ende des Buches bildet ein Anhang mit einer Chronologie der Geschichte der Heimatarmee vom 26./27. September 1939 bis zum 1. Juli 1945, mit Fotografien, Karten, einem Namensregister und einer Bibliografie zur Armia Krajowa für die Jahre 1945 bis 2002.
Mit dem Band liegt eine außerordentlich gehaltvolle, vom Sujet her hochinteressante und in ihrer Machart bedeutende Arbeit vor, die den Leser facettenreich mit einer ganzen Reihe wenig bekannter oder umstrittener Fragen der Geschichte der polnischen Heimatarmee bekannt macht. Schade, dass dieser deutschsprachige Band für einen erheblichen Teil der an dieser Problematik Interessierten bis auf Weiteres unzugänglich bleiben muss.
Aus dem Russischen von Jürgen Zarusky
Siarhei Novikau