Heribert Müller (Hg.): " ... Ihrer Bürger Freiheit". Frankfurt am Main im Mittelalter. Beiträge zur Erinnerung an die Frankfurter Mediaevistin Elsbet Orth (= Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission; XXII), Frankfurt/Main: Waldemar Kramer 2004, 229 S., ISBN 978-3-7829-0544-2, EUR 28,00
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Gerhard Lubich (Hg.): Heinrich V. in seiner Zeit. Herrschen in einem europäischen Reich des Hochmittelalters, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2013
Marie-Luise Heckmann: Stellvertreter, Mit- und Ersatzherrscher. Regenten, Generalstatthalter, Kurfürsten und Reichsvikare in Regnum und Imperium vom 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert, Warendorf: Fahlbusch Verlag 2002
Andreas Thier: Hierarchie und Autonomie. Regelungstraditionen der Bischofsbestellung in der Geschichte des kirchlichen Wahlrechts bis 1140, Frankfurt/M.: Vittorio Klostermann 2011
Während die von der Frankfurter Historischen Kommission geplante, umfassende wissenschaftliche Stadtgeschichte Frankfurts noch auf sich warten lässt, bereichert der vorliegende Band unser Wissen von der mittelalterlichen Geschichte der Mainmetropole und ihres Einzugsgebietes durch neue Erkenntnisse über die städtische Oberschicht, die Geleitpraxis in Messezeiten, die Haltungen zum Judeneid und die beginnende Ausgrenzung der Juden sowie über das Leben der Roma im 15. Jahrhundert. Die sieben Beiträge aus der Feder junger Forscherinnen und Forscher wurden zuerst 2002 im Rahmen eines Kolloquiums zum Gedenken an Dr. Elsbet Orth (gestorben 1991) vorgetragen. Sie erinnern an die um die Erforschung der Geschichte Frankfurts verdiente Mediävistin [1], deren Lebensweg und wissenschaftliches Wirken der Herausgeber des Bandes, Prof. Dr. Heribert Müller, würdigt.
Tobias Picard resümiert (und illustriert) den derzeitigen Wissensstand (Funktion und Bedeutung für das Königtum; Anlage und Baugeschichte; Grabungsbefund und Gebäudereste) in der Erforschung der fünf Königspfalzen im Rhein-Main-Gebiet, die im 8. / 9. Jahrhundert (Ingelheim, Frankfurt, Trebur) und 12. Jahrhundert (Gelnhausen, Seligenstadt) entstanden sind. Felicitas Schmieder deutet die von der Frankfurter Oberschicht im 14. und 15. Jahrhundert konsequent verfolgten Politik der "adelsfreien Selbständigkeit" und des bewussten Verzichts auf ein adliges Konnubium (Ausschaltung äußerer Einflüsse und Schutz vor Konflikten!) als entscheidenden Beitrag zur Stärkung der Einheit der städtischen Führungsgruppe.
Michael Rothmann zeigt am Beispiel des zwischen Ulm und Frankfurt bzw. zwischen Nürnberg und Frankfurt praktizierten Messegeleits für die Kaufleute die - von der Forschung bislang unterschätzte - überragende friedensstiftende Funktion des Geleits für die Herstellung und Sicherung des inneren Friedens auf den Straßen des Reichs. Matthias Th. Kloft vermag keine eindeutigen (urkundlichen) Belege für die Existenz eines Servitenklosters in Frankfurt im Mittelalter und für das Begräbnis des seligen Johannes (von Frankfurt?; gestorben 1345) im dortigen Dom zu finden.
Gundula Grebner trägt alle Informationen zu den kaum erforschten Frankfurter Judeneiden des 14. und 15. Jahrhunderts aus Handschriften und Wiegendrucken zusammen und erstellt eine Typologie der Eide nach Länge, Aufbau und Motiven. Johannes Heil interpretiert die Zeichnung - ein Jude reicht einer Papstgestalt Geld -, mit der ein Frankfurter Ratsschreiber um 1450 den abschriftlichen Eintrag der päpstlichen Judenschutzbulle von 1348 in das städtische Kopialbuch illustrierte (und kommentierte), als "extreme Artikulation" jener Haltung, die 1462 schließlich zur Abschiebung der Juden in die eigens geschaffene Judengasse am Rand der Stadt führte.
Besondere Beachtung verdient der abschließende Beitrag von Christian Kleinert, der ein sehr differenzierendes Bild von der Begegnung der Menschen in Westeuropa mit den Roma und deren Beurteilung durch die Zeitgenossen zeichnet. Während die Bürger und ihre Obrigkeiten die erstmals 1417 in Frankfurt und im Reich auftretenden, zunächst als fremde Fürsten, Bußwallfahrer oder Glaubensflüchtlinge bestaunten Roma im Laufe des 15. Jahrhunderts zunehmend kriminalisierten und schließlich ihrer Städte verwiesen, schätzte und förderte der Adel diese - wie u. a. großformatige Wandteppiche aus Tournai (um 1500) belegen - noch im 16. und 17. Jahrhundert wegen ihrer Welterfahrenheit und unbürgerlichen Lebensweise.
Insgesamt gesehen wird durch diesen mit 31 Schwarz-Weiß-Abbildungen, aber keinem Register ausgestatteten Band das Profil der Geschichte Frankfurts im Mittelalter weiter geschärft.
Anmerkung:
[1] Vgl. v. a. Elsbet Orth (mit einem Nachtrag von Michael Gockel und Fred Schwind): Frankfurt, in: Die deutschen Königspfalzen, Bd. 1 (Hessen), 2.-4. Lieferung, Göttingen 1985/86-1999, 131-486.
Hubertus Seibert