Rainer Babel: Im Zeichen der habsburgischen Universalmonarchie 1500-1648 (= WBG Deutsch-Französische Geschichte; Bd. 3), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005, 256 S., ISBN 978-3-534-14701-4, EUR 44,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Karin J. MacHardy: War, Religion and Court Patronage in Habsburg Austria. The Social and Cultural Dimensions of Political Interaction, 1521-1622, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2003
Jens Baumgarten: Konfession, Bild und Macht. Visualisierung als katholisches Herrschafts- und Disziplinierungskonzept in Rom und im habsburgischen Schlesien (1560-1740), München / Hamburg: Dölling und Galitz 2004
Konrad Krimm (Hg.): Zwischen Habsburg und Burgund. Der Oberrhein als europäische Landschaft im 15. Jahrhundert, Ostfildern: Thorbecke 2003
Ilsebill Barta: Familienporträts der Habsburger. Dynastische Repräsentation im Zeitalter der Aufklärung, Wien: Böhlau 2001
Horst Carl / Rainer Babel / Christoph Kampmann (Hgg.): Sicherheitsprobleme im 16. und 17. Jahrhundert. Bedrohungen, Konzepte, Ambivalenzen, Baden-Baden: NOMOS 2019
Rainer Babel: Le Diplomate au travail. Entscheidungsprozesse, Information und Kommunikation im Umkreis des Westfälischen Friedenskongresses, München: Oldenbourg 2005
Rainer Babel / Werner Paravicini (Hgg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern: Thorbecke 2005
Das ambitionierte Vorhaben des Deutschen Historischen Instituts in Paris, eine mehrbändige Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen vorzulegen, ist inzwischen so weit gediehen, dass nunmehr der Band für den Zeitraum von 1500 bis 1648 vorliegt. Autor ist Rainer Babel, ein ausgewiesener Kenner der Beziehungen zwischen dem Reich und Frankreich in der Frühen Neuzeit, dem die Forschung einige wertvolle Studien aus dem Umfeld der hier zu besprechenden Monographie zu verdanken hat.
Zielsetzung und Anlage des Bandes sind weit gefasst und anspruchsvoll zugleich. Erklärtes Ziel ist es, die deutsch-französischen Beziehungen im Untersuchungszeitraum in ihrer Vielgestaltigkeit darzustellen. Dabei ist es ein besonderes Anliegen, nicht nur die traditionell stark beachteten Staatenbeziehungen in den Blick zu nehmen, sondern auch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte angemessen zu berücksichtigen. Dadurch entsteht - dies sei bereits an dieser Stelle bilanzierend vorweggenommen - ein sehr facettenreiches Bild der deutsch-französischen Beziehungen, das weit über das hinausgeht, was eine vorrangig an den militärischen und politischen Ereignissen haftende Geschichtsschreibung zu leisten vermag.
Der Aufbau des Bandes folgt dem bewährten Konzept einschlägiger Lehrbücher: Ein erster, an der Chronologie orientierter Teil vermittelt vor allem Überblickswissen; im zweiten Teil werden problem- und forschungsorientiert Themen behandelt, die eher einen strukturellen Zugriff erfordern; der dritte Teil liefert schließlich eine nach Sachgesichtspunkten untergliederte Bibliographie. Bereits anhand dieser Aufteilung wird ersichtlich, für welche Zielgruppen dieser Band geeignet ist: Er richtet sich sowohl an Leser, die primär Grundlagen- und Überblickswissen erwerben wollen, als auch an den Fachmann, der sich über Probleme, Tendenzen und Desiderate der Forschung informieren möchte. Der Band ist somit gleichermaßen für Forschung und Lehre geeignet.
Der erste Teil der Untersuchung schildert vornehmlich die politische und militärische Ereignisgeschichte des Untersuchungszeitraums. Dem Autor gelingt es hier in souveräner Manier, anderthalb Jahrhunderte der Beziehungen zwischen Kaiser, Reich und Frankreich auf vergleichsweise knappem Raum darzustellen, ohne dabei der Gefahr zu erliegen, allzu holzschnittartig vorzugehen. Im Zentrum steht eindeutig der Antagonismus zwischen Frankreich auf der einen und den Habsburgern auf der anderen Seite - ein Antagonismus, der in letzter Konsequenz ein erbittertes Ringen um die Suprematiestellung in Europa war, wobei gleich zu Beginn der Darstellung mit guten Gründen hervorgehoben wird, dass es gerade das französischerseits perzipierte habsburgische Streben nach der Universalmonarchie war, das für Frankreich zur wesentlichen Legitimationsgrundlage seiner europäischen Politik wurde. Dieser inhaltliche Ansatzpunkt durchzieht die Untersuchung wie ein roter Faden und verleiht der chronologischen Schilderung der Ereignisse ihren festen Rahmen. Dass dabei oftmals die französische Perspektive die vorherrschende ist, resultiert in erster Linie daraus, wie eingangs zu Recht angemerkt wird, dass die französische Reichspolitik vergleichsweise besser erforscht ist als die Frankreichpolitik der Casa de Austria; hier bleibt für die Forschung zweifelsohne noch einiges zu tun. Dem Autor gelingen in diesem ersten Teil einige besonders lesenswerte Partien: Anschaulich wird die duellartige Auseinandersetzung zwischen Franz I. und Karl V. geschildert; die Politik Heinrichs IV. und seine angedachte Rolle als Arbiter der deutschen Angelegenheiten werden einer sorgfältigen Prüfung unterzogen; und schließlich wird ein stimmiges Bild der Reichspolitik der Kardinäle Richelieu und Mazarin bis zum Westfälischen Frieden 1648 entworfen.
Der zweite, eher forschungs- und problemorientierte Teil vermag es, die Schilderung der politischen und militärischen Ereignisgeschichte ideal zu ergänzen. Ein Blick auf die ausgewählten Themen zeigt, dass der Autor gerade Fragestellungen und Ansätze der jüngsten Forschung angemessen berücksichtigt. Ausführungen über das gegenwärtig stark beachtete Forschungskonzept Kulturtransfer finden sich hier ebenso wie eine Behandlung der Frage nach Fremd- und Selbstbildern oder auch eine Darlegung des Forschungsstandes zu Frühformen nationalen Bewusstseins sowie zu kulturellen und sozialen Berührungspunkten zwischen Franzosen und Deutschen. Daneben sind auch die klassischen Felder Wirtschaftsgeschichte, Verfassungsgeschichte (unter anderem das traditionell stark beachtete Themenfeld Frankreich und die römisch-deutschen Königswahlen) und Konfessionalisierungsforschung aufgenommen. Das besondere Augenmerk gilt darüber hinaus der Grenze zwischen Frankreich und dem Reich als realpolitisches Faktum einerseits und ideelle Konzeption andererseits, wobei der Autor unter anderem auf seine eingehenden Studien zur "Protektion" als Mittel französischer Grenzpolitik zurückgreifen kann. Insgesamt gesehen besticht dieser zweite Teil durch ein hohes Maß an Problemorientierung und Sachkenntnis über den gegenwärtigen Forschungsstand sowie über verbliebene Desiderate. In Verbindung mit dem ersten Teil entsteht somit ein sich ergänzendes breites Panorama der deutsch-französischen Beziehungen und eine vorzügliche Handreichung für diejenigen, die den Band als Ausgangspunkt weiterführender Forschungen benutzen möchten.
Dazu trägt auch ganz entscheidend der dritte Teil bei, nämlich die ausführliche Bibliographie, die immerhin über 900 Titel umfasst. Sie ist zum einen nach Quellen und Literatur unterteilt und orientiert sich zum anderen an der geschilderten Binnengliederung des Bandes. Standardwerke finden sich hier ebenso wie neueste Forschungen. Auch wenn man den einen oder anderen Literaturhinweis vermisst - etwa Anuschka Tischers wichtige Dissertation über die französische Politik auf dem Westfälischen Friedenskongress -, so ist doch zu konstatieren, dass hier ein exzellenter Kenner am Werke war, der eine grundsolide Auswahl getroffen hat.
Abgerundet wird der Band durch zwei Karten zum deutsch-französischen Grenzraum und zu den habsburgischen Besitzungen im 16. und 17. Jahrhundert, ferner durch eine Zeittafel und durch ein nützliches Personenregister (inklusive Lebensdaten).
Das Gesamturteil fällt eindeutig positiv aus. Die vorliegende Untersuchung ist ein vorzügliches Kompendium für die deutsch-französischen Beziehungen zwischen 1500 und 1648, das es versteht, in konziser, überblicksartiger Weise Grundwissen zu vermitteln und zugleich in problemorientierter Weise Wege für zukünftige Forschungen zu weisen. Damit ist insgesamt gesehen ein hoher Standard gesetzt, an dem sich die weiteren Bände der Reihe messen lassen müssen. Wünschenswert ist, dass die Folgebände ein ähnlich hohes Niveau erreichen wie die vorliegende Untersuchung, die künftig sicherlich den Rang eines Standardwerkes zu den deutsch-französischen Beziehungen im 16. und 17. Jahrhundert einnehmen wird.
Michael Rohrschneider