Carsten-Peter Warncke: Symbol, Emblem, Allegorie. Die zweite Sprache der Bilder, Köln: Deubner Verlag 2005, 192 S., ISBN 978-3-937111-07-0, EUR 19,80
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"Sprechende Bilder - sichtbare Worte" lautete der Titel von Carsten-Peter Warnckes 1987 erschienener Untersuchung über die "zweite Sprache der Bilder", ein Thema, das er in diesem neuen Buch zum System der Bildsprache wieder aufnimmt. Aus der Perspektive des Kunsthistorikers unternimmt er hier eine Einführung in den Komplex der Sinnbildkunst und gibt einen ausgezeichneten und wohl informierten Überblick über die Schwerpunkte " Symbol, Emblem und Allegorie". Das Buch widmet sich der besonderen Stellung, die das frühneuzeitlichen Bildverständnis der Sinnbildkunst zumaß, welche versteckte symbolische und allegorische Inhalte in vielfältiger Form kodifizierte, die heute nicht immer leicht zu entschlüsseln sind.
Im Zentrum von Warnckes Buch steht die Emblematik des 16. und 17. Jahrhunderts als eine neue bi-mediale Gattung, die Text und Bild in einer einzigartigen Weise verbindet, wobei sich Bild und Text gegenseitig auslegen und interpretieren. Das emblematische Verfahren bildet die Basis für ein Bilderverständnis in der Frühen Neuzeit, in dem Bilder rhetorische Elemente enthalten, die vom Betrachter "gelesen" und auf der Grundlage einer breiten Kenntnis überlieferter symbolischer Bedeutungen dekodiert werden. Auf der Basis des mittelalterlichen Allegoriebegriffs sowie der Praxis von Allegorese und Hermeneutik entstand in einer Verbindung von Mimetik und Symbolik eine spezifische Sinnbildkunst. Mit der Entwicklung neuer Technologien und Medien der Reproduktion in Buchdruck und Druckgrafik ging eine Erweiterung des überlieferten Bildbegriffs aus Antike und Mittelalter einher. Die druckgraphischen Produktionsmethoden, Holzschnitt und Kupferstich, erlaubten die mehrfache Reproduktion von Drucktext und gedrucktem, reproduziertem Bild. Die Vervielfältigungsmedien, die für den Buchdruck zur Verfügung standen, wurden jetzt auch auf das Bild erweitert.
Die Stärke dieser Studie liegt in der Kontextualisierung dieses neuen Bilderverständnisses im Rahmen der Kultur und der Bildungsinstitutionen der frühen Neuzeit. Warnckes Interesse an der Sinnbildkunst des 16. und 17. Jahrhunderts resultiert aus dem Interesse des Kunsthistorikers an Kunst- und Bildtheorie, doch werden auch die Forschungsfelder von Kulturgeschichte, Literaturwissenschaft, Rhetorik und Wissenschaftsgeschichte einbezogen, um den vollen Umfang der Prinzipien und Funktionen des Bildbegriffs zu ermessen. Die Untersuchung ist auf dem aktuellen Stand der Emblemforschung und Emblemtheorie und macht Forschungsergebnisse nicht nur der deutschsprachigen, sondern auch der internationalen Emblemforschung zugänglich. Damit wird der Autor der Emblematik als gesamteuropäischem Phänomen gerecht, das über nationale und nationalsprachliche Grenzen hinaus als Medium international Wirkung hatte.
Der erste Teil der Untersuchung, unter dem Titel "Sinnbildsysteme", beginnt mit einem Überblick über Begriffe, Methoden und Gattungen. Das Spektrum der Gattungen reicht von den Quellen der Sinnbildkunst, die unter anderem in der spezifischen Auffassung von der Symbolsprache der Hieroglyphen liegen, über die Verwendung von Impresen bis hin zu Emblemen und Personifikationen von Begriffen. Quellen und Modelle für die Formen der Sinnbildkunst finden sich in Allegorien und Personifikationen, z. B. der Tugenden oder freien Künste, aber auch in der Praxis von Impresen, die ein Bild mit einem knappen Motto, einem Wahl- oder Sinnspruch verbinden, durch den sich der Träger auszeichnet. Das Emblem selbst kann als eine bi-mediale Sonderform der Allegorie mit der dreiteiligen Struktur von Lemma, Pictura und Epigramm definiert werden. Auf der Basis übertragener Bedeutungen, die von Konvention und Tradition bestimmt sind, wird dabei ein Bild mit einem abstrakten Begriff verbunden. Als "tertium comparationis" dient eine isolierte Eigenschaft der Sache oder "res significans", die mit bildlichen oder ekphrastischen Mitteln dargestellt wird. Diese Verbindung kann offensichtlich oder versteckt sein: Das Spektrum reicht von hermetischer Verschlüsselung von Bedeutungen und ausgefallenen Verbindungen bis zur vorwiegend didaktischen Emblematik, die dem Leser oder Betrachter eines Emblems die Interpretation genau vorgibt und erklärt, was das Bild in Verbindung mit dem Text zu bedeuten hat und wenig Spielraum für eigene Erfindung lässt. Das Sinnbild hat den zusätzlichen Vorteil, dass sich anhand des Bildes der Begriff oder Inhalt leichter merken und erinnern lässt. Die Methode solcher Dekodierung von Bildinhalten liegt im Modell der biblischen Hermeneutik und in der Auslegung des vierfachen Schriftsinns, wobei die Sinngehalte in einer Allegorese entfaltet werden.
Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit der "Sinnbildpraxis". Im ersten Kapitel geht es um die arbeitsteilige Entstehung und Produktion von Emblembüchern, an denen neben dem Autor der Epigramme auch ein oder mehrere Künstler beteiligt waren, die die Illustrationen ausführten. Oft haben auch die Verleger und Drucker sowie Übersetzer und Herausgeber einen wesentlichen Anteil an der Anordnung und Ausstattung der Bücher. Das zweite Kapitel widmet sich der Rolle der Rhetorik in der Produktion und Rezeption von Emblemen und Emblembüchern. Im Kontext der literarischen und rhetorischen Traditionen spielt die gesellige Kommunikation, wie sie etwa in den "Gesprächspielen" Georg Philipp Harsdörffers vorgeführt wird, eine wichtige Rolle bei der Auslegung und Verwendung allegorisierender Bildlichkeit. Die didaktische und mnemonische Funktion der Emblematik zeigt sich in emblematischen Motiven in der protestantischen wie auch katholischen Erbauungsliteratur und in der Anwendung emblematischer Motive in Predigten und Kirchenausstattungen. Am Beispiel der emblematischen Dekoration des Nürnberger Rathaussaals wird die Wirksamkeit der Emblematik in der politischen Repräsentation und Propaganda dargestellt. Das abschließende Kapitel stellt an ausgewählten Beispielen aus der Bildpraxis Motive und Deutungen von Kunstwerken mit ausgeprägt allegorisch-emblematischer Bildsprache vor.
Der schmale Band von unter 200 Seiten zeichnet sich durch knapp gehaltene, übersichtliche Kapitel aus, wobei die einschlägige Literatur in den Fußnoten im Anhang nachgewiesen ist. Leider fehlt ein alphabetisches Literaturverzeichnis, aber die vollständigen bibliografischen Angaben sind durch Verweise in den Fußnoten schnell aufzufinden. Ein ausführliches Sach-, Personen- und Ortsregister erschließt den Band. Hervorgehobene, grau unterlegte Abschnitte in den einzelnen Kapiteln isolieren Definitionen und Originalzitate zur leichteren Orientierung, wobei die fremdsprachigen Zitate übersetzt werden. Der Band ist reichhaltig illustriert mit gut ausgewählten Beispielen, die einen repräsentativen Überblick über die verschiedenen Formen symbolischer, allegorischer und emblematischer Bildformen geben. Das Buch ist ausgezeichnet geeignet als erste Orientierung im Feld der Symbol- und Emblemforschung und kann als Einführung und Nachschlagewerk für den Unterricht in der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Kulturgeschichte und Medienwissenschaft nur empfohlen werden.
Sabine Mödersheim