Werner Ende / Udo Steinbach (Hgg.): Der Islam in der Gegenwart, 5., neubearb. Auflage, München: C.H.Beck 2005, 1064 S., ISBN 978-3-406-53447-8, EUR 49,90
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Munis D. Faruqui: The Princes of the Mughal Empire, 1504-1719, Cambridge: Cambridge University Press 2012
Julia Droeber: Dreaming of Change. Young Middle-Class Women and Social Transformation in Jordan, Leiden / Boston: Brill 2005
Sa'diyya Shaikh: Sufi Narratives of Intimacy. Ibn Arabī, Gender and Sexuality, Chapel Hill, NC / London: University of North Carolina Press 2012
Lisa Balabanlilar: Imperial Identity in Mughal India. Memory and Dynastic Politics in Early Modern South and Central Asia, London / New York: I.B.Tauris 2012
Linda Herrera / Assaf Bayat (eds.): Being Young and Muslim. New Cultural Politics in the Global South and North, Oxford: Oxford University Press 2010
Johann Heiss (Hg.): Veränderung und Stabilität. Normen und Werte in islamischen Gesellschaften, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2005
Katajun Amirpur / Ludwig Ammann (Hgg.): Der Islam am Wendepunkt. Liberale und konservative Reformer einer Weltreligion, Freiburg: Herder 2006
Ein zuerst 1984 gedrucktes Standardwerk ist in neuer, und zwar aktualisierter und erweiterter Auflage erschienen. Die nun vorliegende fünfte Auflage löst die aus dem Jahr 1996 stammende vierte Auflage ab. Der Gesamtumfang ist um 48 Seiten größer geworden. Das weckt den zu überprüfenden Eindruck, dass die Aktualisierungen sich in Grenzen halten. Für diejenigen, die das Werk noch nicht kennen, sei zunächst gesagt, was es enthält.
Das Buch bietet in einem ersten Teil (21-148) einen historischen Überblick über die Ausbreitung des Islam, theologische und rechtliche Skizzen des sunnitischen und des schiitischen Islam und von Erneuerungsbewegungen. Harte Fakten liefert das Kapitel über Zahlen der Gläubigen (absolute und relative) im Verbreitungsgebiet des Islam.
Der zweite Teil (151-751) behandelt die politische Rolle des Islam in der Gegenwart. Schon durch den Umfang wird klar, dass hier der Schwerpunkt des Buches liegt. Unter der Überschrift verbirgt sich aber Vielfältiges. Wirtschafts- und Sozialordnung, Finanzsysteme und Banken, Rechtsentwicklung, Demokratie- und Menschenrechtsdiskussion, die Situation von Frauen, Islamismus, Bruderschaften, Volksislam und Sondergruppen, die Stellung von nichtislamischen Minderheiten und internationale islamische Organisationen werden dem Leser nahegebracht. Zudem behandeln nicht weniger als 24 Länderkapitel die Stellung des Islam in modernen Staatswesen.
Ging es hier mehr um Politik, folgt ein dritter Teil zum Bereich der Kultur (755-857). Themen wie Orientalismus, Sprache im Islam, der Islam in der (zeitgenössischen) Literatur islamischer Völker, ja selbst Malerei und Architektur bis hin zum Industriebau finden Platz in diesem Werk. Ein Anhang (861-1064) mit umfangreichen Registern und Verzeichnissen erlaubt es, mit dem Buch zu arbeiten und einen Einstieg in die Literatur zu finden. Eine im Vergleich zur vorangegangenen Auflage verbesserte Karte und einige wenige, aber prägnante Abbildungen runden den lesenswerten Band ab.
Wird der Anspruch, "zuverlässig und auf dem neuesten Kenntnisstand" (Klappentext) zu informieren, eingelöst? Der Fortschritt ist nicht überall sichtbar. Beispielsweise sind Kritikpunkte aus Rezensionen der vierten Auflage nicht unbedingt aufgegriffen worden. Erwartungsgemäß blieb der erste historische Teil fast unverändert. Nur im Kapitel mit den Bevölkerungszahlen gar es deutliche Überarbeitungen. Deutschland und Frankreich erscheinen nun in der Länderliste, sogar Österreich, auch Russland und Zypern, dafür verschwanden Bhutan und Rumänien. Die Zahlen zur muslimischen Weltbevölkerung wurden allesamt aktualisiert.
Im zweiten Teil wurde weit mehr ergänzt. Der erst in der vierten Auflage neu hinzugekommene Artikel zur islamischen Ökonomik wurde um 13 Seiten erweitert. Der Artikel zu den Tendenzen der Rechtsentwicklung wurde völlig neu geschrieben, wobei nun Verfassungsrecht und Wirtschaftsrecht einbezogen sind, auch westliche Rechtsquellen. Es folgen die Länderartikel. Syrien, Irak und Jordanien wurden aus einem gemeinsamen in drei Einzelartikel gesplittet, auch die kleineren Golfstaaten bekamen je einen eigenen kurzen Artikel. Auf 37 Seiten mehr als verdoppelt wurde der Abschnitt über Westeuropa, der nun Einzelartikel zu Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland enthält. Neu geschrieben ist der Artikel über die innerislamische Diskussion zu Säkularismus, Demokratie und Menschenrechten, zugleich wurde er etwas erweitert. Ebenfalls mehr als verdoppelt hat sich der Umfang des Artikels zur Situation der Frau. Islamistische Gruppen werden von neuen Autoren vorgestellt, ebenso die Lage der nichtislamischen Minderheiten. Der dritte Teil weist demgegenüber nur noch marginale strukturelle Anpassungen auf.
Die Veränderungen zeigen, dass der deutsche Leser und seine vermutete aktuelle Interessenlage stärker berücksichtigt wurden. Zielgruppenorientiert zu schreiben, ist prinzipiell positiv zu werten. Bleibt die Frage, inwieweit gerade nicht neu geschriebene Artikel noch den aktuellen Stand wiedergeben. Dies ist beispielsweise beim Iran-Artikel der Fall, aber längst nicht überall. Es fehlt selbst bei politisch wichtigen Brennpunkten an hinreichend ausführlichen Aktualisierungen. Dass der Kaschmir-Konflikt mit nur acht Zeilen ergänzt wurde, ist sträflich. Das Unterkapitel "Islamisierung als Staatsziel" in Pakistan wurde sogar verkürzt. Es endet nun mit der Wiedergabe einer Verfassungsänderung von 2002, die aktives und passives Wahlrecht für Bürger aller Religionen einräumt. Es wird mit keinem Wort gesagt, was dies nun in der Praxis bedeutet. Die Literaturverzeichnisse beider Artikel bieten kaum Neues, dabei sind gerade zum Kaschmir-Konflikt in den letzten Jahren etliche Monographien und erst recht Aufsätze erschienen. [1] Der GUS-Artikel berücksichtigt zwar Entwicklungen bis 2005 (noch ohne Akramia und Andizhan), lässt jedoch den Islam dort vorwiegend als politische Bedrohung erscheinen. Dies mag die Lesererwartungen bedienen, entspricht aber nicht der Bedeutung vor Ort. Der Libyen-Artikel wurde dadurch "aktualisiert", dass im letzten Satz die Jahreszahl 1987 getilgt wurde, so dass er weniger rückwärtsgewandt klingt. Das Literaturverzeichnis endet 1995, so dass einige wichtige Neuerscheinungen nicht mehr aufgenommen sind, obwohl es der Thematik des Buches entsprechend gut gewesen wäre.[2] Der Artikel über Israel und die besetzten Gebiete ist sehr viel ausführlicher und gründlicher ergänzt, wenn er auch mit einer positiveren Einschätzung der Rolle der HAMAS endet als es der Situation nach der Wahl entspricht. Dies ist jedoch nur dem Redaktionsschluss, nicht dem Autor anzulasten, dessen Position die hoffnungsvolle Erwartung der Mehrheit der Politiker im Westen entsprach.
Alles in allem ist das Buch nach wie vor sehr zu empfehlen. Es ist das vorzügliche Standardwerk geblieben, das es vorher schon war. Die Aktualisierung zeigt sich manchmal mehr in den Literaturangaben als im Text selber. Aber auch hier wäre, ohne dass man hätte Vollständigkeit anstreben müssen oder können, eine massive Aktualisierung möglich gewesen. Zu fast allen Kapiteln sind in den letzten Jahren wichtige Arbeiten erschienen. Die Literaturangaben bleiben daher mehr Beleg als dass sie weiterführen. Wer das Neueste sucht, muss selbst nach Literatur recherchieren.
Der Käufer der fünften Auflage bekommt somit für wenig Geld ein kompaktes Kompendium über den Islam in seinem gesamten Ausbreitungsgebiet. Es ist schon ein wenig in die Jahre gekommen, aber hinreichend auf dem Stand von 2005, wenn man sich nicht vorwiegend für die vergangenen 10 Jahre interessiert. Besitzer der vierten Auflage müssen sich allerdings nicht grämen. Wer das Buch nicht zitieren muss und deshalb gezwungen wäre, die Neuauflage zu berücksichtigen, kann mit seinem früheren Kauf nach wie vor sehr zufrieden sein. Ein vortreffliches Handbuch zum Islam wurde moderat aktualisiert, nicht mehr und nicht weniger.
Anmerkungen:
[1] Genannt sei nur das Buch von Sumantra Bose: Kashmir, Roots of Conflict, Paths to Peace, Cambridge, Mass. 2003.
[2] Vgl. etwa: Ray Takeyh: Qadhafi and the challenge of militant Islam, in: The Washington Quarterly 21 (1998), 159-172.
Anmerkung der Redaktion:
Für eine komplette Darstellung der arabischen Umschrift empfiehlt es sich, unter folgendem Link die Schriftart 'Basker Trans' herunterzuladen: http://www.orientalische-kunstgeschichte.de/orientkugesch/artikel/2004/
reichmuth-trans/reichmuth-tastatur-trans-installation.php
Wassilios Klein