Michael G. Brennan (ed.): The Origins of the Grand Tour (= The Hakluyt Society; 14), Aldershot: Ashgate 2004, XVII + 331 S., ISBN 978-0-904180-85-5, GBP 50,00
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Neuere Editionen von Berichten über Kavalierstouren sind trotz der Aktualität der historischen Reiseliteraturforschung seltener als man vermutet. In dieser Hinsicht trägt jede Quellenerschließung zu einer Vervollständigung des Bildes bei, das sich die Forschung von dieser speziellen Reiseform macht. Ein solches lohneswertes Beispiel liegt mit dem hier zu besprechenden Band vor. Michael G. Brennan versammelt in dieser Edition drei Berichte von englischen Reisenden aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.
Am Beginn des Buches steht eine Einleitung, die anhand zahlreicher Beispiele die Frühzeit der englischen Kavalierstour von 1550 bis 1650 beschreibt (9-55). Vergleichbar den Entwicklungen auf dem Kontinent, findet sich auch in England um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Kavalierstour als neue und in ihren wesentlichen Grundzügen und Stationen ausgeprägte Reiseform. Besonders die italienischen Städte entwickelten vor dem Hintergrund von Renaissance und Humanismus eine große Anziehungskraft auch auf die jungen Engländer, die sie bis zum Ende der Grand Tour und darüber hinaus behalten sollten.
Einen anderen Aspekt für die Etablierung der Kavalierstour sieht Brennan in der Zunahme des diplomatischen Verkehrs. Die Gesandten hatten in ihrem Gefolge neben den für ihre Dienstgeschäfte notwendigen Personen auch immer eine Reihe junger Gentlemen, die anlässlich dieser Gesandtschaft den Weg auf den Kontinent fanden. Sie nutzten diese Gelegenheit zum Besuch von Bildungseinrichtungen bzw. bereisten die jeweiligen Länder. Anders gelagert waren die Motive bei den Reisenden, die ihren Aufenthalt in Italien oder Frankreich in erster Linie zur Ausbildung nutzten. Sie besuchten etwa die Universitäten von Paris oder Padua und versprachen sich davon, nicht unbegründet, bessere Karrierechancen nach ihrer Heimkehr.
Aufschlussreich sind die Überlegungen des Autors hinsichtlich der politischen und religiösen Implikationen, die den einen oder anderen jungen Engländer veranlassten, sich längere Zeit in den Ländern Westeuropas aufzuhalten. So kehrte etwa unter der Regierung der katholischen Königin Mary eine Reihe ins Exil gegangener Katholiken nach England zurück, während sich zahlreiche Protestanten auf den Kontinent begaben. In den späten 1550er und in den 1560er Jahren, vor dem Hintergrund der allgemeinen politischen Entwicklungen, trat dann eine Phase der relativ uneingeschränkten Reisetätigkeit ein. Dieses Kapitel ging allerdings schnell zu Ende, als Pius V. im Jahre 1567 allen Häretikern, besonders den protestantischen Engländern, die Einreise in die italienischen Staaten untersagte. Damit wurde eines der wichtigsten Reiseziele zu einem potentiell gefährlichen Gebiet. Speziell die Reiseführer und die apodemische Literatur leisteten ihren Beitrag dazu, diese Gefahr im Bewusstsein der Reisenden wach zuhalten. Unter der Regierung James' I. entspannte sich die Lage für die jungen Gentlemen wieder. Mit dem Bürgerkrieg, der Herrschaft Cromwells und der Restauration traten zu den übrigen Motiven für eine Reise auf den Kontinent auch andere Überlegungen. Brennan verdeutlicht das am Beispiel der Reise des jungen Robert Montagu, den seine Familie möglicherweise auch vor dem Hintergrund der Hinrichtung Charles' I. im Jahre 1649 auf eine Kavalierstour schickte, von der er erst 1654 zurückkehrte.
Der Edition der einzelnen Berichte ist jeweils ein kurzer Kommentar vorangestellt. In jeweils fünf Abschnitten liefert der Autor eine Reihe von Informationen sowohl zur Familie im Allgemeinen als auch über den Reisenden im Besonderen. Im Mittelpunkt stehen dabei die soziale Stellung und die politischen Funktionen einzelner Familienmitglieder. Hinzu kommen Informationen über den Reisenden, sowohl über die Zeit vor Antritt der Tour als auch über den späteren Lebensweg. Ausgewählte weitere Familienmitglieder werden ebenso kurz vorgestellt wie auch die Überlieferung der Handschrift. Die einzelnen Berichte sind zudem über zahlreiche Stellenkommentare zu Personen, Orten und Ereignissen erschlossen.
Die in der Edition vorliegenden Berichte beschreiben drei Reisen durch die klassischen Länder der Kavalierstour. Die Reisenden bewegten sich während ihrer Tour auf wohlbekannten und hinreichend beschriebenen Pfaden durch Westeuropa. Frankreich und Italien sind dabei die hauptsächlichen Ziele. Die Schweiz, die spanischen Niederlande und die Vereinigten Provinzen sowie das Alte Reich sind die Durchgangsstationen. Banaster Maynard führte seine Reise bis nach Prag und Pressburg. Die zahlreichen der Edition beigegebenen Illustrationen, zumeist aus zeitgenössischen gedruckten Reiseberichten, verdeutlichen, dass den Reisenden unterwegs vieles begegnete, was ihnen bereits vertraut war. Die Berichte selbst, mit Ausnahme desjenigen Robert Montagus, enthalten keine Zeichnungen bzw. eingelegte Druckgraphiken.
Die Reisemotive konnten sehr unterschiedlich sein, wie sich ja auch die Kavalierstour aus verschiedenen Aspekten zusammensetzt. Auf der einen Seite kommt der Reise die Funktion der Ausbildung und Bildung zu. Bei der klassischen Grand Tour steht dieses Motiv im Vordergrund. Hinzu können aber auch andere Ursachen treten, etwa das Streben nach Reputation, die Reise aus repräsentativen Gründen oder auch die Neugierde. Daneben gibt es aber weitere Ursachen, die eine vorübergehende Abwesenheit wünschenswert erscheinen lassen. Der Autor verweist hier zum einen auf die konfessionellen Probleme, was besonders für die Frühphase der Tour ins Gewicht fällt. Zum anderen die Unruhen, die England in der Mitte des 17. Jahrhunderts erschütterten und die auch den Hintergrund der drei hier versammelten Berichte bilden. Allerdings, und das muss man an dieser Stelle hinzufügen, Exil oder auch Flucht, durch welche Gründen auch immer veranlasst, gehören nicht in den Kontext der Kavalierstour im engeren Sinne, letztlich auch nicht in den der Reise im Allgemeinen, wenngleich damit natürlich auch entsprechende Reisebewegungen verbunden sein konnten. Ihrer grundlegenden Intention nach setzte die Grand Tour, wie jede andere Form der Reise auch, eine Rückkehr in das Heimatland gleichsam voraus, um die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse in der einen oder anderen Form umzusetzen.
Die drei Berichte verdeutlichen zudem das Spektrum der Art und Weise, wie über die Kavalierstouren berichtet wurde. So findet sich auf der einen Seite das als typisch zu beschreibende Reisetagebuch Robert Montagus. Die Eintragungen sind nicht für jeden Tag vorgenommen, vielmehr konzentrieren sie sich auf einzelne Reisestationen. Bei der Beschreibung der Städte folgen sie bekannten Mustern. In gewisser Weise können sie auch als Schreib- oder Stilübungen für den bei Reiseantritt vierzehn Jahre alten Robert Montagu angesehen werden. Seine Tour führte ihn durch Frankreich, die Schweiz, und den Süden des Alten Reiches bis nach Italien. Bei der Reise nach Venedig bricht das Tagebuch allerdings ab.
Von William Hammond, der etwa zwanzig Jahre alt war, sind 37 Briefe, die er an seine Familie schrieb, überliefert. Diese schickte ihn zum Medizinstudium nach Paris. Er durchreiste Frankreich, war zweimal in Italien und kehrte über das Alte Reich und die Niederlande nach England zurück. Seine Briefe liefern ein wesentlich individuelleres Bild als die beiden Tagebücher.
Banaster Maynards Reise ist wiederum durch ein Tagebuch dokumentiert, das aber in der Form einige Unterschiede zu dem ersten Bericht aufweist. Maynard war bei Beginn der Reise noch keine zwanzig Jahre alt. Den vorliegenden Reisebericht verfasste er nicht selbst, sondern einer seiner Begleiter mit vermutlich erheblichem zeitlichem Abstand. Ähnlich wie bei dem Bericht Montagus sind auch in diesem Fall die wichtigen Reisestationen näher beschrieben. Daneben findet sich für die einzelnen Wegstrecken jeweils ein Itinerar mit den entsprechenden Entfernungsangaben. Maynard reiste durch Frankreich und Italien, bis nach Rom und Neapel. Sein Rückweg führte ihn über Wien und Pressburg nach Sachsen, Schwaben, die Pfalz, den Rhein entlang in die Vereinigten Provinzen und die spanischen Niederlande. Der Bericht ist Maynard gewidmet. Er weist einen panegyrischen Charakter auf. So nehmen etwa die Beschreibungen der standesgemäßen Behandlung des hochadligen Reisenden einen herausgehobenen Platz ein. Der Autor spricht den Wunsch aus, dass Maynard sich durch diesen Bericht an seine Reise erinnern möge. Die entsprechenden Motive für dessen Abfassung bleiben dabei allerdings unklar.
Die Edition der vorliegenden Berichte ermöglicht einen Überblick über das breite Spektrum der Formen der Kavalierstour und der Art und Weise der Berichte über diese. Bei der Lektüre wird deutlich, wie groß etwa die formalen Übereinstimmungen mit den Aufzeichnungen von Reisenden aus dem Alten Reich sind. In dieser Hinsicht verdeutlicht dieser Band einmal mehr, dass es sich bei der Kavalierstour um ein europäisches Phänomen gehandelt hat, das sich gerade auch in diesem Kontext gewinnbringend untersuchen lässt.
Holger Kürbis