Dieter J. Weiß: Katholische Reform und Gegenreformation. Ein Überblick, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005, 216 S., ISBN 978-3-534-15121-9, EUR 34,90
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Mit dem hier vorzustellenden Buch legt der Bayreuther Landeshistoriker Dieter J. Weiß eine Einführung in den Themenkomplex katholischer Erneuerung im 16. und 17. Jahrhundert vor, die sich dezidiert vom Konfessionalisierungsparadigma abgrenzt. Stattdessen bevorzugt der Autor das von Hubert Jedin, dem Nestor der katholischen Kirchengeschichtsschreibung, geprägte titelgebende Begriffspaar "Katholische Reform und Gegenreformation"; einerseits, um die Kontinuitäten katholischer Reformbemühungen seit dem Spätmittelalter zu unterstreichen, andererseits, um das Buch anschlussfähig an die internationale Forschung zu machen, die einen Begriff wie "Katholische Konfessionalisierung" ja bislang kaum übernommen hat. Der Autor möchte die Begriffe "Katholische Reform und Gegenreformation" allerdings nicht als Kennzeichen einer bestimmten Epoche, sondern als Markierung spezifischer Probleme der Reichsgeschichte ebenso wie der Geschichte der katholischen Kirche verstanden wissen (16). Die hierbei eingenommene Perspektive führt dazu, dass nur selten vergleichende Blicke auf andere Bekenntnisse im Reich gewagt werden und dass auch der europäische Zusammenhang eher am Rande behandelt wird.
Nach der einleitenden Begriffsklärung von "Gegenreformation", "Katholischer Reform" und "katholischer Konfessionalisierung" setzt das Buch ein mit der spätmittelalterlichen Reformdiskussion und endet zeitlich mit der Epoche des Westfälischen Friedens. Systematische Kapitel wechseln einander ab mit eher chronologischen und biografischen Abschnitten. Auf das Kapitel zu kirchlichen Reformansätzen im Spätmittelalter folgt die Behandlung der Zeit zwischen Reformation und Augsburger Religionsfrieden, ein Abschnitt zum Konzil von Trient, eine Aneinanderreihung der Päpste von Hadrian VI. bis Alexander VII. in Kurzbiografien, ein systematisches Kapitel zum Ordenswesen, ein dreißigseitiges chronologisches Kapitel zu Fragen von katholischer Konfession und Staatsbildung zwischen 1555 und 1648 und zwei eher systematisch angelegte Abschnitte zur Durchführung katholischer Reformbestimmungen sowie schließlich zum Barockkatholizismus. Jedes der genannten Kapitel enthält wiederum zahlreiche Unterkapitel, so dass annähernd alle in diesen Themenfeldern vorstellbaren Aspekte angesprochen werden, häufig allerdings nur auf ein bis zwei Seiten. Lebensweltliche oder gar genderhistorische Aspekte sind weitgehend ausgeblendet oder auf wenige Sätze reduziert. Die trotzdem noch vorhandene Themenvielfalt ist Segen und Fluch des Buches zugleich.
Jedem größeren Kapitel ist eine Zeitleiste mit etwa 10 wichtigen Daten vorangestellt. Einige kleiner gedruckte Abschnitte im Text erklären zentrale Begriffe, wobei hier nicht immer deutlich wird, warum ein bestimmter Absatz auf diese Weise grafisch hervorgehoben wird und andere nicht: So erhält der Begriff "Liga" eine eigene Erklärung, die "Union" muss aus dem Text erschlossen werden (111). Das Buch verfügt über eine fünfzehnseitige, knapp kommentierte Auswahlbibliografie, was in Anbetracht der Vielzahl im Buch angesprochener Themen und eines fehlenden Anmerkungsapparats deutlich zu wenig ist. In Aufbau und Machart erinnert das Buch somit an einen etwas umfangreicher geratenen Band der neueren WBG-Reihe "Geschichte kompakt", wobei im vorliegenden Fall nicht klar ist, an welche Zielgruppe es sich richtet. Als Einführungswerk oder handbuchartiges Kompendium für Studienanfänger bietet es zwar faktengesättigte Kurzabrisse zu zahlreichen Themen, geografischen Regionen, Personen oder klerikalen Gruppen, aber trotz Bibliografie viel zu wenig Anleitung zum Weiterstudium. Beispielsweise finden sich zum Kapitel über die katholische Mission im Umfang von gut zwei Seiten, das thematisch den Bogen von Indien über China und Japan nach Paraguay spannt, in der Bibliografie genau ein Handbuchartikel und ein Spezialaufsatz von 1976; andere Kapitelthemen sind oft nur indirekt in der Bibliografie wiederzufinden. Für den Spezialisten bietet das Buch wenig neues und kratzt an vielen Stellen (notgedrungen) nur an der Oberfläche, ohne eine originelle Gesamtinterpretation zu bieten. Die Zentrierung auf das Heilige Römische Reich und seine Zäsurdaten im Epochenzuschnitt dürfte selbst bei der deutschsprachigen Gegenreformationsforscherschaft nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, denkt man etwa an diverse jüngere Konzeptionen, die Zeit katholischer Konfessionalisierung in das 18. Jahrhundert hinein zu verlängern (z. B. Andreas Holzem). Dem historisch interessierten Laien wiederum könnte das Buch zu detailliert und faktenorientiert anmuten, da sich wohl nur die wenigsten Leser für die Auswirkungen von Gegenreformation und katholischer Reform in den einzelnen Bistümern der deutschen Kirchenprovinzen interessieren dürften, die in je eigenen Mini-Unterkapiteln fortlaufend abgehandelt werden (z. B. Eichstätt, 6 Zeilen, 153; Hildesheim, gut 4 Zeilen, 155f. usw.) Ähnlich kurz werden die Reformpäpste oder die gegenreformatorischen Orden durchdekliniert. Vielleicht hätte man jedem dieser Kurzabschnitte an Ort und Stelle einige Literaturhinweise beifügen sollen, um dem Buch den Charakter eines Nachschlagewerks zu geben, das ein gutes Hilfsmittel für die universitäre Lehre hätte abgeben können. Als Überblicksdarstellung oder Lehrbuch ist es aufgrund seiner Zergliedertheit zu schwer lesbar. Ob es wirklich eine Brücke bilden kann zwischen der deutschen Konfessionalisierungs- und der jüngeren internationalen Katholizismusforschung der Frühen Neuzeit vom Schlage eines John W. O'Malley, S. J., Robert Bireley, S. J. oder Ronnie Po-chia Hsia, wird sich zeigen müssen.
Alexander Schunka