Stéphane Bégaud / Marc Belissa / Joseph Visser: Aux origines d'une alliance improbable. Le réseau consulaire français aux États-Unis (1776-1815), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2005, 302 S., ISBN 978-90-5201-285-8, EUR 27,50
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Als eine der großen Diplomatie nachgeordnete Institution vornehmlich wirtschaftlicher Ausrichtung lag das Konsularwesen lange Zeit abseits des historiographischen Interesses. Allenfalls zur Untermauerung anderweitig erlangter Befunde wurde der enorme konsularische Aktenfundus von der Forschung herangezogen. Und dann in aller Regel auch nur von Wirtschaftshistorikern. Obwohl Frankreich seit jeher über die breiteste Bibliographie zur Konsulargeschichte verfügt, [1] ist das Interesse auch hier erst vor einigen Jahren wieder erwacht - und zwar mit der Dissertation von Anne Mézin. [2] Ihre Veröffentlichung zog eine Flut von Detailstudien nach sich. Ein Großteil der seitdem entstandenen Arbeiten geht dabei auf die Initiative von Historikern der Universität Nantes zurück, der Stadt, in der auch die französischen Konsulararchive angesiedelt sind. Systematisch ließ man hier seit Ende der 1990er Jahre Magister- und Doktorarbeiten zu verschiedenen Aspekten des Themas anfertigen.
Einer der daran beteiligten Hochschullehrer war Marc Belissa. Mit zweien seiner Schüler - Stéphane Bégaud und Joseph Visser - legt er nun ein Buch vor, das sich mit den französisch-amerikanischen Beziehungen in den Jahren 1776 bis 1815 beschäftigt. Als Quellenbasis dienen den Autoren dabei die Akten der französischen Konsulate in den Vereinigten Staaten. Diese werden jedoch nicht nur auf ihren wirtschaftsgeschichtlichen, sondern auch auf ihren politischen Gehalt hin ausgewertet - und das ist neu. Dabei ist eine Studie entstanden, die zum einen die Verzahnung von wirtschaftlichen und außenpolitischen Interessen und zum anderen die Entwicklung der gegenseitigen Wahrnehmung darzustellen versucht.
Die Arbeit ist in drei große Abschnitte unterteilt. Der erste beschäftigt sich mit Aufbau und Tätigkeit des französischen Konsularnetzes in den Vereinigten Staaten, der zweite mit den Handelsbeziehungen und der dritte mit den politischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten.
Als Ausgangspunkt für die Studie dient der 1778 geschlossene französisch-amerikanische Handelsvertrag. Über die mit dessen Unterzeichnung verbundenen Planungen, Projektionen und Hoffnungen eröffnet sich den Autoren ein Zugriff auf fast alle Facetten der Beziehungen zwischen den beiden Staaten, ohne dabei den Einfluss Dritter - allen voran Großbritanniens, aber auch Spaniens oder Haitis - auf dieses Verhältnis aus den Augen zu verlieren. Dabei wird klar, dass fast alles, was Frankreich in den, mit den oder gegen die Vereinigten Staaten unternahm, auf die Schwächung Englands abzielte. Dies begann bereits mit der paradoxen Entscheidung, die amerikanischen Aufständischen trotz ihrer geographischen Nähe zu den französischen Zuckerinseln bei ihrem Kampf gegen ihre Kolonialmacht zu unterstützen (181).
Wenn man jedoch von dem erfolgreichen Eingreifen in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg absieht, scheiterte die französische USA-Politik auf ganzer Linie. Zwar war Frankreich der erste Bündnispartner der USA, zu einer dauerhaften Zusammenarbeit - selbst nach der Französischen Revolution - vermochte man dies aber nicht auszubauen. Auch konnte weder die Seemacht noch die Kolonialexpansion Englands dauerhaft gebremst werden. Die ursprünglich anvisierte Festigung einer "Balance of Power" in Amerika, die den Einfluss Spaniens, Frankreichs und Englands in Nordamerika austarieren sollte, schlug völlig fehl (18). Frankreich wurde letztlich sogar dauerhaft aus Nordamerika verdrängt. Auch aus der günstigen wirtschaftlichen Ausgangsposition, die man sich durch den Handelsvertrag von 1778 verschafft hatte, wusste die französische Exportwirtschaft kein Kapital zu schlagen (114). Ab 1790 drehten sich die Verhältnisse sogar um. Von nun überstiegen die Importe aus den USA die französischen Exporte dorthin um ein Vielfaches (169, 176). Anstatt sich zu einem willigen Abnehmer französischer Waren zu entwickeln, wurden die US-Amerikaner nun zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten.
Aufschlussreich ist auch, wie sehr die politischen Ereignisse auf die wechselseitige Wahrnehmung Einfluss nahmen und wie schnell sich das Bild des anderen dabei wandeln konnte. Zunächst war es Frankreich während des Unabhängigkeitskrieges gelungen, durch das löbliche Verhalten der Truppen des französischen Expeditionscorps unter Rochambeau und der Hilfstruppen La Fayettes sein durch den Siebenjährigen Krieg ramponiertes Image enorm aufzubessern (16, 83 f.). Aus dem "leichtfertigen, effeminierten und durch den heimischen Despotismus verblödeten Katholiken" wurde nun der ehrenhafte Retter in Not (82, 140 f.). Doch im Laufe der folgenden Jahre bröckelte dieses schwer erarbeitete Sympathiekapital langsam wieder ab. Daran konnte auch die Französische Revolution nichts ändern. Denn nur ein Teil der Amerikaner nahm die Nachricht von der Gründung einer französischen Republik mit Enthusiasmus auf. Der andere Teil sah sie eher als Bedrohung (19). Zu einer eigentlich als logisch zu betrachtenden Allianz der Republiken kam es nicht. Einen neuen Tiefpunkt erreichte das französisch-amerikanische Verhältnis dann mit der Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen, die von 1798 bis 1800 in eine Phase des "état de quasi-guerre" mündete (225). Das Verhältnis normalisierte sich erst wieder nach dem 1803 erfolgten Verkauf Louisianas durch Napoléon, der das Ende des ersten französischen Kolonialreiches besiegelte (212, 226).
Das französische Amerikabild veränderte sich während des Untersuchungszeitraums hingegen nur geringfügig. Die USA blieben für Frankreich weitgehend eine Krämernation (140), die sich ursprünglich aus den nichtswürdigsten Elementen der englischen Gesellschaft entwickelt hatte (100). Nach Abschluss des Jay-Vertrags (1794), in dem die USA ihre Streitpunkte mit Großbritannien beilegten, kam in Frankreich der Vorwurf von der amerikanischen Undankbarkeit gegenüber des französischen Engagements auf, der sich auch in den folgenden Jahrzehnten halten sollte (25-26, 100).
Gut herausgearbeitet wird dabei der Einfluss, den die französischen Konsuln auf die Entstehung der wechselseitigen Bilder hatten, sei es als Aushängeschilder Frankreichs in der amerikanischen Öffentlichkeit (72) oder sei es als Informationslieferanten für die heimischen Politiker (74, 130). So trugen die Berichte der Konsuln maßgeblich zur Verbreitung der Auffassung bei, die USA könnten auf Dauer ohnehin nicht überleben (92). Dementsprechend hatte man für die außenpolitischen Ambitionen der USA, die auf klare Rechtsprinzipien fußten, nur Spott übrig: "Avec une armée et une flotte en miniature, ils se croient destinés à être les maîtres de toute l'Amérique et du vaste océan. Rien n'est plus misérable que leur orgueil, si ce n'est leur faiblesse", wie der französische Generalkonsul in Philadelphia 1808 wenig weitsichtig urteilte (233).
Die Ausführung der Arbeit ist sauber. Auch der Umstand, dass hier gleich drei Autoren am Werke waren, tut der Stringenz der Darstellung keinen Abbruch. Dankenswert ist zudem die Kürze der Studie. In einer Zeit, in der es französische Historikerdissertationen in aller Regel auf mehr als 1000 Seiten Text bringen, gelingt es den Autoren unter Beweis zu stellen, dass ein komplexes Thema auch in weniger als 250 Seiten Text umfassend und überzeugend behandelt werden kann.
Anmerkungen:
[1] Vgl. dazu die Bibliographie zum Thema in Jörg Ulbert / Gérard Le Bouëdec (Hg.): La fonction consulaire à l'époque moderne. L'affirmation d'une institution économique et politique (1500-1800), Rennes 2006, 333-401.
[2] Anne Mézin: Les Consuls de France au siècle des Lumières (1715-1792), Paris 1997.
Jörg Ulbert