J. Donald Hughes: What is Environmental History ?, Cambridge: polity 2006, vi + 180 S., ISBN 978-0-7456-3189-9, GBP 12,99
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Sucht man nach dem Spezifischen, was den umwelthistorischen Forschungsansatz ausmacht, bekommt man meistens die Antwort, dass die Umweltgeschichte über kein gesichertes theoretisches Forschungskonzept verfügt. [1] Umweltgeschichte definiert sich also weniger über eine Methode, als über eine Perspektive, die die Umwelt als Grundkategorie von Geschichte berücksichtigt. J. Donald Hughes, Mitbegründer der American Society for Environmental History, bringt es in seiner kompakten, sehr gut lesbaren Einführung auf den Punkt: "Historians should see human events within the context where they really happen, and that is the entire natural environment." (1)
Ausgehend von dieser Grundprämisse hat sich eine boomende Subdisziplin der Geschichtswissenschaft entwickelt, die "den Kinderschuhen entwachsen ist". [2]
Natürlich ist ihre Beliebtheit eng mit dem erstarkten Umweltbewusstsein und dem wachsenden Einfluss der Umweltbewegung verbunden. Bei Hughes, der Wurzeln, Werdegang, Schwerpunkte und Forschungsstand der Umweltgeschichte mit Blick auf die USA darstellt, wird dieser Aspekt deutlich, wenn er das Verhältnis zwischen der Umweltbewegung und dem Umwelthistoriker in den 1960er- und 1970er-Jahren beschreibt: Seinen Kollegen mit anderen Forschungsfeldern war der Umwelthistoriker suspekt, da er für Umweltthemen Partei ergriff. So waren Umwelthistoriker auf unterschiedlichste Art und Weise in umweltpolitische Kampagnen involviert. Mit dem wachsenden Erfolg der Umweltbewegung ließ diese Art der Parteilichkeit jedoch nach. Heute wird in den USA und Europa jeder Anschein von Parteilichkeit vermieden. Das bedeutet, dass die Umweltaktivisten aus einer professionellen Distanz heraus genauso kritisch analysiert werden wie ihre Gegner.
Zu den Spezifika von Umweltgeschichte gehört ihre Interdisziplinarität, insbesondere ihre Nähe zu den Naturwissenschaften. Die umweltgeschichtliche Forschung bedingt, dass der Forschende mit ökologischen Fragestellungen vertraut ist und wissenschafts- und technikhistorische Kenntnisse einbringt. Er sollte sich auch nicht scheuen, bei Bedarf geographische und geologische Gegebenheiten zu interpretieren. Kurzum: Er sollte naturwissenschaftlichen Phänomenen gegenüber aufgeschlossen sein und deren wissenschaftliche Analyse verstehen.
Die starke Interdisziplinarität und die große Bedeutung von nicht ausschließlich historischen Fachkenntnissen wird dadurch deutlich, dass viele wichtige Werke von Wissenschaftlern ohne strengen fachhistorischen Hintergrund verfasst wurden und werden. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass die historische Forschung und ihre Quellen frei von Umweltbezügen waren und sind. Schon bei den antiken Geschichtsschreibern Herodot und Thukydides, also wenn man so will den Vorläufern der Historiker, werden Umweltfaktoren einbezogen, wenn sie für ihre Hauptthematik, für Kriege und Herrscher, von entscheidender Bedeutung waren. In diesem Sinne findet Hughes eine Reihe von Vorläufern von Umweltgeschichte: Sei es unter Kolonisatoren des 16. und 17. Jahrhunderts oder in außereuropäischen Kulturkreisen. Für die historische Fachwissenschaft ist insbesondere der umwelthistorische Bezug einiger Werke der Annales-Schule interessant. Für Lucien Febvre stand es im Gegensatz zu manchem Soziologen außer Frage, dass die natürliche Umwelt nachhaltigen Einfluss auf das Handeln der Menschen hat.
Der Umweltgedanke in den USA ist stark mit der Einsicht verbunden, dass man nicht über unerschöpfliche natürliche Ressourcen verfügt. Diese Ansicht fand ihren Niederschlag beispielsweise im Schutz von Wäldern und der Ausweisung von Naturparks in den 1930er-Jahren. Der Durchbruch für ein Umweltbewusstsein kam jedoch nach dem 2. Weltkrieg. Gradmesser waren die Bewegung gegen den Fall-Out von Atombombentests und die wachsende Aufmerksamkeit gegenüber Wasser- und Luftverschmutzung. Einen Meilenstein stellte der Auftakt der nationalen Umweltgesetzgebung 1970 dar. Hughes präsentiert wichtige Werke der amerikanischen Umweltgeschichte, die unter anderem diese Entwicklung zum Gegenstand haben. Er lässt jedoch die globale Perspektive nicht aus dem Blick und widmet sich anschließend der umweltgeschichtlichen Forschung in verschiedenen Erdteilen. In seinem kurzen, gut strukturierten Überblick lässt er keinen Kontinent aus und vermittelt so grundlegende, einführende Eindrücke. Außerdem zählt Hughes Richtungen in der jüngsten umweltgeschichtlichen Forschung auf und verbindet diese mit gegenwärtigen Entwicklungstrends in Umwelt und Gesellschaft. Die Spannungen zwischen politischen Entscheidungen auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene werden durch die Globalisierung immer mehr zunehmen. Damit wird die Frage nach dem Ort der politischen Entscheidung auch für den Umwelthistoriker immer wichtiger.
Unsere klassische Vorstellung des natürlichen Evolutionsprozesses ist durch Charles Darwin bestimmt. Die Möglichkeiten der modernen Biotechnologie eröffnen dem Menschen jedoch den Einfluss auf das genetische Erbe. Die Auswirkungen, die sich hieraus für die Natur und die Kultur ergeben, sind von Umwelthistorikern noch zu erklären. Ein weiteres Desiderat stellt eine umfassende Geschichte der Ozeane dar, nachdem bisher erst Teilaspekte erforscht worden sind. Probleme, die sich zukünftig in anderen Dimensionen zeigen und damit die verstärkte Aufmerksamkeit umwelthistorischen Arbeitens fordern, sind außerdem die Verstädterung und das Bevölkerungswachstum insbesondere in weniger entwickelten Staaten und Schwellenländern. Damit eng verbunden sind Fragen nach dem wachsenden Energie- und Ressourcenverbrauch, die schon immer im Zentrum umweltgeschichtlicher Perspektive standen, zukünftig aber wohl weiter an Bedeutung zunehmen werden.
Sowohl für Studierende, die sich für umweltgeschichtliche Fragestellungen und den Werdegang dieses wachsenden Feldes interessieren, als auch für Historiker, der sich einen Überblick über die Umweltgeschichte aus amerikanischer Sicht mit einer globalen Perspektive verschaffen will, ist das Buch gut geeignet. Illustriert ist es mit ungefähr einem Dutzend Schwarz-Weiß Fotos, die allesamt vom Autor stammen und naturhistorische sowie ethnologische Phänomene veranschaulichen. Die teils schönen Aufnahmen kommen jedoch in dem kleinen Format nur ungenügend zur Geltung und scheinen daher entbehrlich. Abgerundet wird der Band durch eine knappe Auswahlbiographie sowie ein Orts- und Personenregister, das den Zugang erleichtert.
Anmerkungen:
[1] Thorsten Meyer: Standortbestimmung, in: Günter Bayerl/ Norman Fuchsloch/ Thorsten Meyer (Hg.): Umweltgeschichte - Methoden, Themen, Potentiale. Tagung des Hamburger Arbeitskreises für Umweltgeschichte, Hamburg 1994, Münster/New York 1996, 325-328.
[2] Franz-Josef Brüggemeier/ Jens Ivo Engels: Den Kinderschuhen entwachsen: Einleitende Worte zur Umweltgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: dies. (Hg.): Natur- und Umweltschutz nach 1945. Konzepte, Konflikte, Kompetenzen, Frankfurt/New York 2005, 10-19. Vgl. hierzu die Rezension von Thomas Zeller, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 7; URL: http://www.sehepunkte.de/2006/07/7713.html
Anselm Tiggemann