Ursula Lehmkuhl / Hermann Wellenreuther (eds.): Historians and Nature. Comparative Approaches to Environmental History, Oxford: Berg Publishers 2007, xiii + 348 S., ISBN 978-1-84520-520-1, GBP 60,00
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Schon seit fünfundzwanzig Jahren finden die Krefeld Historical Symposia statt, bei denen deutsche und amerikanische Geschichtswissenschaftler sich austauschen. Ansätze zur Umweltgeschichte in den USA und in Deutschland standen im Mittelpunkt der vorletzten Konferenz. Nach dem Eröffnungsvortrag von Ernst Ulrich von Weizsäcker, der u.a. als Präsident dem Wuppertaler Klimainstitut vorstand, kommen sowohl prominente Vertreter des Faches als auch Nachwuchshistoriker zu Wort. Die versammelten Beiträge verdeutlichen in der Bandbreite und Herkunft der Autoren die Traditionen von umwelthistorischer Forschung in den USA und in Deutschland. Es wird deutlich, dass Historiker verschiedener Epochen und Disziplinen zur Umweltgeschichte gefunden haben. Hier sind neben Frühneuzeitlern, Sozial-, Wirtschafts- und Zeithistorikern auch Wissenschaftler anderer Fachrichtungen vertreten, die ihre Wurzeln in der Politologie, Ethnologie, Biologie oder Literaturwissenschaft haben.
In der ersten Sektion behandelt die Herausgeberin Ursula Lehmkuhl die zentralen Begrifflichkeiten "Raum und Zeit" in der deutschen und amerikanischen Umweltgeschichte (17-44). Sie kommt zu dem Schluss, dass Umwelthistoriker besonders geeignet sind, Braudels "histoire de la longue durée" gerecht zu werden. Besonders in der Analyse und Interpretation langfristiger Veränderungen in dem Wechselspiel zwischen Mensch und Natur sieht Lehmkuhl die Stärke der Umweltgeschichte. Der Beitrag ist besonders wichtig, da er die zentralen Unterschiede in den geschichtswissenschaftlichen umwelthistorischen Traditionen in den USA und in Deutschland hervorhebt, woraus sich Schwierigkeiten für vergleichende Ansätze ergeben. Anhand der Philosophie von Gilles Deleuze (1922-1995) schlägt Hanjo Berresem (45-67) vor, die Umweltgeschichte als "history of the feedback-loops between nonhuman and human stressors" (60) zu begreifen.
Ein weiteres zentrales Thema der Umweltgeschichte ist der Umgang mit Naturkatastrophen und Epidemien, welches im Mittelpunkt der zweiten Sektion steht. Die Zusammenstöße zwischen europäischer und indianischer Kultur in Nordamerika und ihre Auswirkungen thematisiert Christian F. Feest (79-91). U.a. kommen die Epidemien unter den "Native Americans" und ihr Naturverständnis zur Sprache. Maria Luisa Allemeyer beschäftigt sich mit Konflikten um den Deichbau in Nordfriesland des 17. Jahrhunderts (92-109). Ökologisches Bewusstsein und die Verarbeitung der Flutkatastrophen stehen hier im Mittelpunkt.
Anhand des kalifornischen Goldrauschs und des Ruhrbergbaus im 19. Jahrhunderts geht Andrew Isenberg in der dritten Sektion der Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur nach (125-145) und betreibt vergleichende Geschichtswissenschaft "at his best" (Mark Cioc) (185). Isenberg versteht es, die Verbindungen zwischen diesen scheinbar so verschiedenen Phänomenen zu verdeutlichen und bietet eine gelungene Verbindung von mikro- und makrogeschichtlichen Aspekten. In dieser Sektion untersucht außerdem Claudia Schnurmann (146-184) amerikanische Naturwahrnehmungen im 19. Jahrhundert.
Die Bedeutung der Stadt in der Umweltgeschichte werden von Dorothee Brantz (195-225) und Bernd Herrmann (226-256) beleuchtet. Brantz plädiert für "a broader conception of urban space as not just social but also natural" (212). Während bisher Umweltverschmutzungen und Umweltzerstörungen im Vordergrund standen, regt sie an, die städtische Umwelt breiter zu fassen und z. B. die städtische Tierwelt in den Blick zu nehmen. In eine ähnliche Richtung weist Herrmann, der die Stadt als eigenes Ökosystem in den Fokus rückt und z.B. ökologische Nischen benennt, die nur in der städtischen Umwelt vorhanden sind. Im Kommentar fordert Andrew Hurley folgerichtig dazu auf, "cities not just as generators of catastrophe and destruction but as catalysts for higher levels of organization and more sustainable ecological practices" (262) zu sehen.
Kurk Dorseys Studie, welche die Ziele und Ergebnisse der amerikanischen Umweltpolitik betrachtet (277-295), beschreibt eine progressive Ära von 1890 bis 1970, in der die USA führend auf diesem Politikfeld war. In dem Maße wie sich in den 1970er Jahren in vielen Staaten eigene Umweltschutzprogramme durchsetzten, verlor die USA ihre Führungsrolle. Einen wichtigen Anteil hieran hat die internationale Umweltbewegung, insbesondere Greenpeace. Frank Zelko (296-318) beschreibt, wie sich die Tätigkeiten und Strukturen dieser internationalen Nichtregierungsorganisation entwickelt haben, die als "Mc Donalds der Umweltbewegung" [1] bezeichnet worden ist.
Damit sind in dem Band zentrale klassische Themenfelder abgedeckt, die sich in der Umweltgeschichte in den beiden letzten Jahrzehnten herausgebildet haben. Außerdem spürt der Leser den besonderen Charakter der Krefeld Historical Symposia: Das Hauptaugenmerk liegt auf der Diskussion und dem Austausch. Daher kommt den neben den Beiträgen abgedruckten "commentaries" ein wesentlicher Stellenwert zu: Hier werden jeweils die wichtigsten Ergebnisse pointiert zusammengefasst und diskutiert. Dadurch findet der Leser einen schnellen Einstieg. Eine Auswahlbibliographie bietet außerdem die Möglichkeit, anhand der einschlägigen Forschungsliteratur tiefer einzusteigen. Sehr lobenswert - und für einen Tagungsband keineswegs selbstverständlich - ist die Vereinfachung des gezielten Zuganges durch ein Namens- und Ortsregister.
Alles in allem handelt es sich um ein anregendes Buch, dass viel über das Wesen umweltgeschichtlicher Forschung, insbesondere die Vielfalt und Dynamik dieses jungen expandierenden Fachgebietes vermittelt.
Anmerkung:
[1] DER SPIEGEL, 16. September 1991, 87.
Anselm Tiggemann