Ralf Schnell (Hg.): MedienRevolutionen. Beiträge zur Mediengeschichte der Wahrnehmung (= Medienumbrüche; Bd. 18), Bielefeld: transcript 2006, 206 S., ISBN 978-3-89942-533-8, EUR 23,80
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Das von Ralf Schnell herausgegebene Büchlein mit dem Titel "MedienRevolutionen" entstand im Kontext des Forschungskollegs 615 "Medienumbrüche" an der Universität Siegen und stellt ein typisches Beispiel der Textsorte "Tagungsband" dar. Die Beiträge fokussieren gemäß Klappentext zwar auf die Medienumbrüche der Jahrhundertwenden 1900 und 2000, was aber die Herausgeber nicht daran hinderte, das Buch mit einem weder medienwissenschaftlichen noch medienhistorischen Beitrag des Mediävisten Gerd Althoff über mittelalterliche Techniken der Körperinszenierung beginnen zu lassen. Auch beim Text des Kunsthistorikers Gundolf Winter über evolutionäre und revolutionäre Aspekte des Bildersturms erscheint der Bezug zum Thema der Medienrevolution etwas sehr bemüht.
Wesentlich näher am Thema sind die beiden folgenden film- respektive kinogeschichtlichen Texte von Joseph Garncarz und von Joachim Paech. Beide Arbeiten veranschaulichen am Beispiel des Mediums Film sehr schön und mit guten Beispielen versehen die Institutionalisierungs- und Diffusionsprozesse einer neuen Medientechnologie und zeichnen den evolutionären - und kaum revolutionären - Wandel nach, den technische Innovationen in ihrer Verschränkung mit gesellschaftlichen Auswirkungen auslösen können.
Anregend ist auch die Lektüre von Lorenz Engells Ausführungen über zwei zentrale mediengeschichtliche Denkfiguren, nämlich den Umbruch und die Serie. Die kinematografische Rede von der Revolution funktioniere "nach dem Modell des Umbruchs, dagegen die digitale Rede nach demjenigen der Serie" (111), schreibt Engell. Es ist zu hoffen, dass die hier nur sehr knapp skizzierten und auf Bild und Film bezogenen Gedanken eine Ausweitung und Vertiefung erfahren werden.
Einen Höhepunkt des Sammelbandes bildet der Text von Andreas Käuser, der in seinem Aufsatz "Historizität und Medialität" eine eigentliche Auslegeordnung geschichtstheoretischer Herangehensweisen an die Frage wagt, wie Medienumbrüche zu beschreiben sind. Er plädiert für eine "Reflexion der medialen und semantischen Bedingungen von Geschichte" (148) und betont, dass mit der Fokussierung auf Brüche und Diskontinuitäten das "Denken in Identitäten und Unterschieden als Basisoperation von (Geschichts-)Theorie unterlaufen" wird (149). Sehr anschaulich skizziert er die unterschiedlichen Denkmodelle, mit denen mediale Entwicklungen beschrieben werden: Epistemologie, Teleologie, Archäologie, Metaphorologie, Gestik und Zyklik. Auf der gleichen theoretischen Flughöhe befindet sich Helmut Schanze, der in seinem zu einem Aufsatz ausgeweiteten Schlusswort der Tagung die Möglichkeiten einer medienwissenschaftlich reflektierten Mediengeschichtsschreibung skizziert und damit einen Weg für eine Engführung der beiden Disziplinen Geschichts- und Medienwissenschaft aufzeigt.
Trotz dieser herausragenden Texte hinterlässt der Sammelband den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit. Der Leser fragte sich zum Beispiel, was er mit einer zwar guten, aber an dieser Stelle doch eher als Fremdkörper wirkenden Einführung in das moderne Urheberrecht (Thomas Hoeren) in einem mediengeschichtlichen Buch anfangen soll. So hofft man auf weitere Berichte aus diesem ambitionierten Forschungskolleg in Siegen, das sich nichts weniger zum Ziel gesetzt hat, als Medienumbrüche mit ihrem von "Zäsuren oder Einschnitten geprägten, diskontinuierlichen Verlauf" (7) zu beschreiben.
Peter Haber