Markus Mösslang / Torsten Riotte / Hagen Schulz (eds.): British Envoys to Germany 1816-1866. Volume III: 1848-1850 (= Camden Fifth Series; Vol. 28), Cambridge: Cambridge University Press 2006, viii + 511 S., ISBN 978-0-521-87252-2, GBP 45,00
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Am 19. Juni 1849 war der britische Außenminister Lord Palmerston mit seiner Geduld am Ende. Sein Ärger über die quasi-private Deutschlandpolitik des Prinzen Albert, die dieser oft auch entgegen der offiziellen Linie des Foreign Office verfolgte, entlud sich in einem unverblümten Brief an den Coburger Gatten der britischen Königin. Wer Projekte befördere, die er nicht vollständig verstehe und deren Folgen er nicht klar überblicke, der lade eine gefährliche Verantwortung auf sich, warnte Palmerston, um dann versöhnlich nachzuschieben: "Ich muss gestehen, nie imstande gewesen zu sein, die für die deutsche Einheit vorgeschlagenen Pläne klar zu verstehen oder die Konsequenzen vorherzusehen, zu denen eine Verwirklichung dieser Pläne führen würde."
Schon ein kurzes Herumstöbern im vorliegenden dritten Band der Reihe British Envoys to Germany 1816-1866 ergibt, dass Palmerston hier bewusst tiefgestapelt hatte. Als Empfänger der hier edierten diplomatischen Berichte aus dem Deutschen Bund (die ja nur einen Bruchteil des gesamten Schriftverkehrs darstellen) war der Außenminister vorzüglich über die Vorgänge im Deutschland der Jahre 1848 bis 1850 informiert. Das lag zum einen an der Vielzahl der britischen Vertretungen im Deutschen Bund. Die hier berücksichtigten acht britischen Missionen lieferten eine äußerst umfangreiche Berichterstattung, die sich gegenseitig bestätigte, ergänzte oder gelegentlich widersprach und so die föderal-partikulare Vielfalt des Landes tiefenscharf widerspiegelte. Zum anderen hatte Palmerston das Glück, dass zahlreiche seiner in Deutschland stationierten Diplomaten erfahren, fleißig und scharfsinnig waren und so qualitativ hochwertige Berichte verfassten.
Lord Cowley, der halb-offizielle Gesandte am Sitz der Paulskirchenversammlung und vorläufigen Zentralgewalt, dessen Porträt auch den Schutzumschlag dieses Bandes ziert, erwies sich bald als Palmerstons wichtigste Quelle für Informationen und Analysen. Ähnlich wie John Bligh in Hannover, Francis Forbes in Dresden und John Milbanke in München profitierte Cowley von einer Deutschland-Erfahrung, die sich über Jahrzehnte erstreckte. Der im Juli 1848 eilig nach Frankfurt beorderte Diplomat verfügte zudem über gute Kontakte zu Vertretern des deutschen Liberalismus, eine distanziert-positive Haltung zum Projekt der deutschen Nationalstaatsgründung und eine selbst die hartgesottenen Beamten des Foreign Office frappierende Produktivität. Am 20. August 1848 - nur siebzehn Tage nach seiner Ankunft in Frankfurt - schickte Cowley dem Außenminister bereits seinen 45. [!] Bericht, eine ausführliche Analyse der politischen Situation (29-35), die die Eckpunkte der britischen Deutschlandpolitik dieser Epoche vorformulierte: Geringschätzung der deutschen Politiker, Kritik an Struktur und Handlungsweise der Frankfurter Institutionen, Betonung der Machtmittel der legitimen deutschen Einzelstaaten, vor allem Preußens. Der Grundton dieses und vieler anderer Berichte der britischen Gesandten war eine tiefe Revolutionsfurcht, die eine effektive Reformpolitik erzwang: "[...] the fire of democracy is smouldering beneath them. Let Princes and Senators look to it, as it may yet destroy them all!" (35)
Es kann den Herausgebern nicht leicht gefallen sein, den wortreichen Cowley, der allein bis zum Jahresende 1848 über 350 offizielle Berichte verfassen sollte, auf eine handhabbare Auswahl zu begrenzen. Die Mühe hat sich gelohnt: auf siebzig Seiten bietet der britische Gesandte einen scharfsinnigen, kenntnisreichen Kommentar zu den Ereignissen zwischen der Wahl des Reichsverwesers und der Punktuation von Olmütz. Ähnlich viel Raum gewähren Markus Mösslang, Torsten Riotte und Hagen Schulze lediglich der diplomatischen Berichterstattung aus Berlin (105-181), wo der Earl of Westmorland noch weniger Sympathien für die revolutionäre Sache entwickelte, als sein Kollege in Frankfurt. "It is only fair", erklärte Westmorland am 4. September 1848, "that I should on this occasion bear testimony to the exemplary conduct of the Prussian Army, which has distinguished itself [...] by its strict attention to discipline under the very trying circumstances in which it has been placed since the revolution of March." In der Armee sah der Brite "the main reliance of the Country against foreign Enemies and Internal disorder." (130) Die sich anschließende diplomatische Tour durch die Staaten des Dritten Deutschland führt den Leser über die für die Schleswig-Holstein-Krise wichtige Vertretung bei den Hansestädten nach Hannover, Sachsen, Württemberg und Bayern (185-396), bevor sie in der Donaumetropole endet. Da der in Wien akkreditierte britische Botschafter, Lord Ponsonby, von der Aufgabe, die überaus komplexen und sich oftmals rapide wandelnden Verhältnisse im Habsburgerreich subtil und kenntnisreich zu analysieren, schlichtweg überfordert war, fällt dieser Abschnitt etwas knapper und weniger erhellend aus (399-455). Doch auch Ponsonby war sich darüber im Klaren, auf welcher Interessensgrundlage die Vorgänge im österreichischen Kaiserstaat zu bewerten waren: "I am therefore anxious to see the Imperial authority preserved", schrieb er im Juni 1848, "so as to be able to afford a point of union for the direction of those Military means which it may be advantageous for England and for Europe to have employed when an emergency arises." (413)
Diese knappen Hinweise auf Revolutionsfurcht, "British Interests" und Reformpolitik von oben greifen allerdings nur einige wenige Leitmotive aus einer Fülle von Perspektiven und Details heraus, die das hier vorgelegte Quellenmaterial bietet. Die britischen Diplomaten behandelten Themen von der Bau- und Verfassungsgeschichte Hamburgs (185-188), über den Zustand der bayerischen Armee (362) bis zur Niederwerfung des Prager Aufstands (410-411). Der so vermittelte britische Blick auf den Deutschen Bund ist daher nicht nur von politikgeschichtlicher Relevanz, sondern ist auch für diejenigen Leser lohnend, die sich für Kulturtransfer, für Ideengeschichte oder für das Leben und Wirken von Diplomaten im neunzehnten Jahrhundert interessieren. Die vielseitige Benutzbarkeit des vorliegenden Bandes ist neben den aufschlussreichen Quellen vor allem der hervorragenden Editionsqualität geschuldet. Die Herausgeber haben aus der Unmenge von Berichten eine überzeugende Auswahl getroffen und die einzelnen Quellenstücke hilfreich kommentiert. Ein ausführliches Personenregister und ein Sachregister ermöglichen einen bequemen Zugriff auf Einzelaspekte der vorgelegten Texte. Einige Auslassungen mag man bedauern: etwa die aufschlussreiche und vollständig erhaltene Privatkorrespondenz zwischen Palmerston und Cowley, die offizielle Berichterstattung des Leipziger Generalkonsuls John Ward, die Instruktionen Palmerstons an seine Diplomaten oder ein Verzeichnis relevanter Sekundärliteratur. Aber solche Beifügungen hätten wohl den realisierbaren Rahmen eines bereits sehr umfangreichen Projekts gesprengt oder eine noch viel drastischere Selektion von Quellenstücken erzwungen.
Der vorliegende dritte Band des am Deutschen Historischen Institut in London beheimateten Editionsprojekts erlaubt eine konkrete und unmittelbare Beschäftigung mit der britischen Analyse einer besonders dramatischen Periode in der deutschen Geschichte. Wer sich fortan mit der internationalen Geschichte Europas in der Revolutionsepoche, mit der britischen Europapolitik im neunzehnten Jahrhundert oder mit der außenpolitischen Dimension der deutschen Nationalstaatsgründung beschäftigen will, wird dieses Quellenwerk unentbehrlich finden. Viele andere werden mit Gewinn darin lesen und den Band mit der Gewissheit aus der Hand legen, dass es nicht an Informationsmangel gelegen haben konnte, wenn Palmerston die Pläne zur deutschen Einheit im Revolutionsjahr tatsächlich nicht verstanden haben sollte.
Frank Lorenz Müller