Geneviève Bresc-Bautier / Jacques Foucart / Alexandre Gady et al.: La Sorbonne: Un musée, ses chefs-d'uvre, Paris: Réunion des Musées Nationaux 2007, 280 S., ISBN 978-2-7118-5320-5, EUR 49,00
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Anlässlich des 750-jährigen Geburtstages der Sorbonne gab die Chancellerie des Universités die Publikation "La Sorbonne, un musée, ses chefs-d'œuvre" heraus, welche die Geschichte der Universität samt deren Ausstattung seit der Protektion Richelieus zum Gegenstand hat. Die einzelnen Aufsätze werden durch teils ganzseitige Farbabbildungen opulent begleitet, in denen die Fülle an Bauplastik, Büsten und Standbildern sowie die Wandmalereien vorgestellt werden.
Gegliedert ist der Band in drei Kapitel: Die Sorbonne im 17. und ihre Veränderungen im 19. Jahrhundert, besprochen anhand der Architektur, Malerei und Skulptur, gefolgt von einer alphabetischen Werkliste und dem Anhang - einem Bericht des Architekten Henri-Paul Nénot (1886) sowie der Sitzungsberichte für die Neuausstattung.
Der Kirche der Sorbonne, die zugleich als Mausoleum Richelieus konzipiert wurde, widmet sich Alexandre Gady. Er beleuchtet die Entstehungsgeschichte, um dann auf die doppelte Aufgabe des Sakralbaues als Kapelle der Universität sowie öffentliche Kirche der Stadt einzugehen. Gady erklärt die architektonische Lösung als eine Kombination der Grundrissformen des Längsbaus mit dem Zentralbau, deren Achsen sich unter der Kuppel treffen - eine ungewöhnliche Konzeption, die fälschlicherweise römischen Vorbildern zugeschrieben wurde.
Christian Hottin schildert in "La nouvelle Sorbonne, ou l'impossible défi de M. Nénot" das Erweiterungsprojekt der alten Sorbonne-Gebäude nach der Revolution von 1821. Den Auftrag erhielt Nénot aber erst 60 Jahre später nach neuen Plänen. Hottin widmet sich der architektonischen Umsetzung, thematisiert die Rezeptionsgeschichte nach Fertigstellung und erörtert die Frage inwiefern die Architektur den universitären Bedürfnissen gerecht wurde. Für einen besseren Überblick wäre es hilfreich gewesen, wenn er sich bei seiner Architekturbesprechung direkt auf einen abgebildeten Grundriss bezogen hätte.
Der skulpturalen und malerischen Ausstattung widmen sich Pierre Rosenberg, Geneviève Bresc-Bautier, Jacques Foucart und Anne Pingeot. Rosenberg schreibt in "La Sorbonne, Richelieu et Philippe de Champaigne" über die Beziehungen des Malers zu Richelieu und seine Bedeutung für die Sorbonne. Neben seiner Funktion als Porträtist des Kardinals wurde er mit der Ausmalung der Kuppel beauftragt. Dieses Werk wird mit einem Verweis auf die für Champaigne ungewöhnliche Verwendung des Freskos vorgestellt, jedoch stilistisch nicht weiter analysiert. Es folgt ein Aufruf zur Restaurierung der Kapelle sowie indirekt der Appell an die Kunstwissenschaft, Archivarbeit und Quellenanalyse zu betreiben.
"Quand la Sorbonne peinte devient œuvre de musée" lautet der Beitrag Foucarts, der sich mit der malerischen Ausstattung befasst. Die im 19. Jahrhundert überwiegend als Wandmalerei konzipierten und über die ganze Sorbonne verteilten Bilder differieren in Stil, Genre und Technik. Realistische Landschaften, historische Erzählungen, symbolistische und allegorisch-mythologische Darstellungen mit Bezug auf Wissenschafts- und Baugeschichte veranschaulichen die malerische Bandbreite. Der Aufsatz bietet eine reich bebilderte Überblicksdarstellung, die auf der 2001 zu diesem Thema erschienenen Publikation Hottins basiert. Eingehender untersucht er u. a. die Werke Timbals sowie Besnards Wandgemälde "La vie renaissant de la mort". Die stilistischen Brüche erklärt er mit der Vielzahl der Künstler der bis ins 20. Jahrhundert währenden Bildausstattung. Trotz der Klassifizierung der Sorbonne als "Monument Historique" in den 70er-Jahren waren nur einzelne Werke bekannt. Erst dieser Band lässt dem Ensemble in seiner Gesamtheit eine Wertschätzung zukommen und dokumentiert die Aufwertung der Salonmalerei des Fin du Siècle.
Bresc-Bautier behandelt das 1694 von François Girardon vollendete Kardinalsgrabmal. Ausführlich bespricht sie die komplexe Entstehungsgeschichte, die dazu führte, dass das Monument erst zirka 50 Jahre nach dem Tod aufgestellt wurde. Angesichts der Beteiligung mehrerer Bildhauer und der eigenen Wünsche Richelieus stellt sie die Frage nach der Autorschaft des Entwurfs. Sich Gott darbietend und nicht in der gewöhnlichen Form eines Priant - so lautete die favorisierte Darstellung des Verstorbenen. Aus typologischen Erwägungen ist auszuschließen, dass Richelieu den Entwurf Girardons anvisierte. Bis zur endgültigen Auftragsvergabe an Girardon beeinflusste u. a. der Besuch Berninis 1665 die Konzeption. Dieser schlug die Aufstellung unterhalb der Kuppel vor, die die verantwortliche Duchesse d'Aiguillon ablehnte. Die mangelnde Quellenlage könne nur Vermutungen über eine mögliche Entwurfsskizze Berninis zulassen.
Ebenso beschreibt sie detailliert die Querelen zwischen der die Zahlungen verweigernden Duchesse und Girardon, stellt Preisvergleiche für Steinblöcke an und schildert die kriegsbedingt auftretenden Probleme der Marmorlieferung. Kurz geraten ist hingegen die Werkbetrachtung einschließlich der ikonographischen und typologischen Analyse. Nach einer Beschreibung des Grabmals gilt ihr Interesse u. a. den Attributen der Tugendpersonifikationen: Das auf dem Schoß der Doktrina liegende Buch interpretiert sie als theologisches Werk, dasjenige der Pietas als Stundenbuch. Durch die fehlenden Schriftzeichen lässt Girardon jedoch weitere Interpretationsmöglichkeiten zu und verzichtet auf eine semantische Eindeutigkeit.
Bresc-Bautier betont die kirchlich-religiöse Präsentation des Kardinal-Ministers und den Verzicht auf eine politische Ausrichtung des Monuments. Zur Verdeutlichung würde sich ein Vergleich mit dem Grabmal Mazarins anbieten, der vorwiegend als königlicher Minister und Staatsmann in Szene gesetzt wurde. Das in seiner Allansichtigkeit prominente Grabmal besitzt mehrere Ansichtsseiten, deren Wertung die Autorin vornimmt ohne auf die Notwendigkeit des Umschreitens für die szenische Entfaltung hinzuweisen. Sie analysiert die Form des Accoudés sowie die Bedeutung von Geste und Gesichtsausdruck der Kardinalfigur innerhalb der zeitgenössischen Ikonographie. Nach Erörterung der Zuschreibungsdebatte, d.h. einer möglichen Beteiligung Charles Le Bruns, schließt sie ihren Artikel mit einem Verweis auf das Schicksal des Werks bis zu seiner erneuten Aufstellung am Ursprungsort im Jahr 1971.
In "Décor sculpté de la Sorbonne dans la second moitié du XIX siècle" befasst sich Pingeot mit der skulpturalen Ausstattung des Historismus. Der Text bietet einen Überblick über die Skulpturen, ihre Entstehungsgeschichte, Finanzierung und Auftragsvergabe, sieht aber von einer ikonographischen und stilistischen Analyse ab. Mittels übersichtlicher Zeichnungen zur Veranschaulichung der Werkaufstellung sowie kleinerer Schwarz-Weiß Abbildungen wird dem Leser das Skulpturenprogramm zwischen antikisierenden Personifikationen verschiedener Disziplinen sowie den Porträts der wissenschaftlichen Vertreter vor Augen geführt. Detaillierter befasst sich Pingeot mit den Giebelreliefs und Personifikationen an der Fassade der Rue des Écoles sowie den Statuen bedeutender Gelehrter im großen Amphitheater.
Die Publikation verdient besonders in konservatorisch-kunsthistorischer Hinsicht Anerkennung. Ein im Berliner Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik angesiedeltes Projekt zur Erschließung der Universitätssammlungen ist Zeichen dieser zunehmenden Wertschätzung. Mit diesem Band ist ein wichtiger Schritt zur Würdigung einer der bedeutendsten Sammlungen Frankreichs unternommen worden.
Ursula Ströbele