Michael Jacob Levin: Agents of Empire. Spanish Ambassadors in Sixteenth-Century Italy, Ithaca / London: Cornell University Press 2005, VIII + 228 S., ISBN 978-0-8014-4352-7, EUR 21,50
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Die zweite Hälfte des 16. und der Beginn des 17. Jahrhunderts gelten als Zeitraum, in dem die spanische Monarchie den Höhepunkt ihrer Macht erreichte. Während das Kaisertum der österreichischen Habsburger im Schatten des spanischen Zweiges dieses Hauses stand, versank der schärfste Rivale um die machtpolitische Führungsrolle in Europa, die französische Monarchie, für Jahrzehnte im Bürgerkrieg. Erst unter dem Bourbonen Heinrich IV. wurde sie wieder außenpolitisch voll handlungsfähig.
Michael J. Levin, der frühneuzeitliche Geschichte an der Universität Akron/Ohio lehrt, untersucht die Wahrnehmung der spanischen Machtstellung durch die Botschafter Karls I./V. und Philipps II. von Spanien in Venedig und Rom. Gerade auf der italienischen Halbinsel war die Etablierung der spanischen Hegemonie folgenreich: Waren die Jahrzehnte vor dem Frieden von Cateau-Cambrésis (1559) noch vom Kampf zwischen den Valois und den Habsburgern gekennzeichnet, so war die französische Krone anschließend für Jahrzehnte gezwungen, ihre Ambitionen auf Kontrolle über das Gefüge der italienischen Fürstentümer und Republiken aufzugeben. Philipp II., so der Tenor der Forschung, vermochte fast ganz Italien in das "Spanische System" aus ihm unterstehenden Territorien und mehr oder minder von ihm abhängigen Staatswesen zu integrieren. Die Bellizität der Zeit vor 1559 sei so in die Epoche der pax hispanica (Fernand Braudel) umgeschlagen und von relativer Stabilität geprägt gewesen. Jüngere Forschungen - etwa von Geoffrey Parker [1] und Thomas J. Dandelet [2] - betrachten die spanische Vormacht in Italien als nahezu absolut; der Kirchenstaat sei beinahe zu einer Kolonie der Katholischen Monarchie herabgesunken.
Levins Untersuchung basiert auf der Korrespondenz der spanischen Botschafter in Venedig und Rom mit dem Staatssekretariat in Madrid bzw. dem König selbst. Er möchte auf diesem Wege die Mittel identifizieren, mit denen das spanische Imperium an sich souveräne Staatswesen zu kontrollieren vermochte - oder besser gesagt: das Scheitern dieser Kontrolle nachvollziehen. Denn Levin stellt schon in der Einleitung fest, dass aus der Botschafterkorrespondenz eine Unsicherheit, ja Angst angesichts der schwierigen politischen Situation in Italien hervor scheint. Dieser Befund sei nicht mit der Vorstellung politischer Stabilität und weitgehender Kontrolle zu vereinbaren. Levin zeichnet also keine Erfolgsgeschichte der spanischen Diplomatie, sondern er stellt ihre Schwächen dar und konstatiert darüber hinaus, dass sich die Vertreter des spanischen Königs in Venedig und Rom dieser voll bewusst waren. Er setzt sich somit von den oben genannten Arbeiten ab.
Levins Dekonstruktion der pax hispanica setzt mit einem Kapitel über den diplomatischen Alltag in Venedig an. Ist dieses mit ca. 30 Seiten relativ kurz gefasst, so betrachtet der Autor die Verhältnisse in Rom weitaus ausführlicher auf über 100 Seiten. Anschließend folgen zwei kürzere Kapitel, die sich mit der Rolle der Botschafter in Rom wie in Venedig als Spion und Informationsbeschaffer sowie mit ihrer Stellung als kulturelle Vermittler befassen. Das Ungleichgewicht zwischen Venedig und Rom erscheint insoweit verzeihlich, als der Kirchenstaat der weitaus interessantere Fall für Levins Fragestellung ist. Es ist nämlich der Forschung - auch Dandelet und Parker - keineswegs verborgen geblieben, dass sich die Serenissima nie längerfristig in das Spanische System einspannen ließ und insbesondere ihr Verhältnis zum Osmanischen Reich weitgehend eigenständig bestimmte. Die Seerepublik ist hier bekanntermaßen eine Ausnahme; somit kann der Autor für den Fall Venedig kaum mehr als offene Türen einrennen bzw. sie mit weiteren mikrohistorischen Details garnieren.
Anders Rom, das auch von Zeitgenossen oft als Erfüllungsgehilfe der spanischen Politik gesehen wurde. Levin hält dagegen: Immer wieder sei der Versuch der spanischen Krone, willfährigen Papstkandidaten die Wahl im Konklave zu sichern, gescheitert. Stets habe es fundamentale politische und kirchenrechtliche Differenzen gegeben, wieder und wieder habe der Papst dem König die finanziellen Hilfen verweigert, die er einforderte. Soweit dies irgend möglich gewesen sei, habe der jeweilige Papst versucht, eine Schaukelpolitik zwischen dem spanischen und dem französischen König durchzuhalten, um die Dominanz des ersteren abzumildern. Obwohl der Kirchenstaat in militärischer Hinsicht und als Empfänger dringend benötigter Getreidelieferungen aus Sizilien von der spanischen Monarchie abhängig war, ließ er sich dennoch nicht kontrollieren. Statt politischer Stabilität - quietud - hätten politische Manöver und Winkelzüge - novedades - der italienischen Akteure vorgeherrscht und die spanische Dominanz zum Leidwesen der Botschafter stets aufs neue unterlaufen.
Levin beschreibt eindringlich die Schwierigkeiten der Botschafter, sich im Gewirr römischer Netzwerke zurecht zu finden. Statt den Kirchenstaat zu kontrollieren, seien die Botschafter angesichts der stets wechselnden Kräfteverhältnisse der römischen Wahlmonarchie und der Strategien der politischen Akteure des Kirchenstaats, um die spanische Dominanz abzumildern, überlastet gewesen. Mit ihrem arroganten Auftreten hätten sie ihre italienischen Verhandlungspartner häufig vor den Kopf gestoßen und zudem nie die spezifische politische Kultur der italienischen Halbinsel verstanden. Nicht als Verbündete oder Abhängige betrachteten sie die italienischen Akteure, vielmehr galt: "The Italians and Spaniards defined themselves in opposition to each other." (203) Levin sieht hier in der wechselseitigen Wahrnehmung protonationale Antagonismen in der Entstehung.
Levin kommt zu dem Schluss, dass es eine pax hispanica nie gegeben habe, da die Vertreter Philipps II. in Rom und Venedig diese nicht wahrnahmen und die italienischen Akteure sich der Kontrolle durch die Spanier entzogen hätten. Die grand strategy (G. Parker) der spanischen Monarchie sei gescheitert: "The Spanish ambassadors dreamed of a submissive Italy, happy to be under Spanish rule, but instead found resentment, plotting, and novedades." (206) Sätze wie diese lassen erkennen, dass Levins Arbeit unter einer Reihe von Mängeln leidet, welche die Reichweite seiner Ergebnisse entscheidend beeinträchtigt. Seine Vorstellung, die pax hispanica müsse sich entweder durch traute Harmonie zwischen der spanischen Krone und den italienischen Akteuren oder aber durch die Friedhofsruhe der Unterdrückten auszeichnen, ist holzschnittartig und realitätsfern. Müssen Stabilität und Dominanz derart total sein, wie Levin meint?
Zudem ist Levins Vorgehensweise ausgesprochen repetitiv: Er verweist immer wieder auf die Unsicherheit der Botschafter und ihren Pessimismus. Nun war es durchaus die Aufgabe von Gesandten, über potentielle Gefahren und Probleme zu berichten, wie Levin selbst einräumt. Lassen sich aus deren Berichten deshalb gleich Schlussfolgerungen über das Scheitern einer politischen Strategie ableiten, die der italienischen Halbinsel immerhin mehrere Jahrzehnte ohne größere bewaffnende Konflikte bescherte, ganz im Gegensatz zur Zeit davor? Hinzu kommt, dass die von Levin aufgeführten Schwierigkeiten bei der Implementierung spanischer Ziele in Italien der Forschung seit langem bekannt sind; neu ist lediglich, dass Levin sie konsequent aus der Perspektive der Botschafter schildert.
Doch fehlen grundsätzliche Bemerkungen zum Selbstverständnis frühneuzeitlicher Gesandter. Lässt sich etwa ihr "arrogantes" Auftreten nicht auch als Erfüllung der Rolle als Abbild ihres Königs deuten? Ist diplomatisch-taktvolles Verhalten nicht stattdessen eher ein Merkmal des modernen Fachdiplomaten, aber nicht des frühneuzeitlichen Fürstenvertreters? Noch schwerer wiegt, dass Levin zwar einerseits erwähnt, dass beispielsweise viele Kardinäle spanische Pensionen empfingen und mit den Botschaftern in Gabentauschbeziehungen standen, er andererseits aber das Feld der Patronage und der aus ihr erwachsenden Bindungen und Verpflichtungen nur kurz streift (165). Auch thematisiert er nicht, dass die Verwendung des Terminus novedades - immerhin der Schlüsselbegriff seiner Studie - eine Strategie der Delegitimation implizierte: Neuerungen galten in der politischen Kultur des Ancien Régime als verwerflich. Diese Bezeichnung drückt also weit mehr aus als die Verzweiflung der spanischen Botschafter über die Flatterhaftigkeit ihrer italienischen Verhandlungspartner.
So bleibt als Resümee, dass Levin zwar Überschätzungen der Durchschlagskraft spanischer Dominanz in Italien korrigiert, seine Ergebnisse aber nur bedingt überzeugen. Er argumentiert weit weniger differenziert als die von ihm kritisierten Historiker des Spanischen Systems.
Anmerkungen:
[1] Geoffrey Parker: The Grand Strategy of Philip II. New Haven 1998.
[2] Thomas J. Dandelet: Spanish Rome 1500-1700. New Haven 2001.
Hillard von Thiessen