Rezension über:

Herbert W. Rott / Renate Poggendorf / Elisabeth Stürmer: Carl Rottmann. Die Landschaften Griechenlands, Ostfildern: Hatje Cantz 2007, 360 S., 183 Farb-, 51 s/w-Abb., ISBN 978-3-7757-1843-1, EUR 39,80
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Rezension von:
Ekaterini Kepetzis
Kunsthistorisches Institut, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Stefanie Lieb
Empfohlene Zitierweise:
Ekaterini Kepetzis: Rezension von: Herbert W. Rott / Renate Poggendorf / Elisabeth Stürmer: Carl Rottmann. Die Landschaften Griechenlands, Ostfildern: Hatje Cantz 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 1 [15.01.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/01/12505.html


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Herbert W. Rott / Renate Poggendorf / Elisabeth Stürmer: Carl Rottmann

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Anlässlich der 2003 erfolgten Zusammenführung und neuen Hängung von immerhin 14 der 23 Bilder aus Carl Rottmanns 1838 bis 1850 im Auftrage Ludwigs I. von Bayern konzipierten Griechenlandzyklus' in der Neuen Pinakothek in München, liegt nun die lange überfällige Gesamtdarstellung zu diesem kapitalen Hauptwerk des deutschen Landschaftsmalers vor. Damit wird eine schmerzliche Lücke geschlossen, die sich u. a. durch die Verteilung bzw. Einlagerung der Rottmann'schen Werke nach dem 2. Weltkrieg ergeben hatte, da der Rottmann-Saal, ehemals Herzstück des Münchner Museums, zerstört und nicht restauriert wurde. Einzelaspekte sowie die Signifikanz der Bildserie für das Werk des Malers wie für die Evolution der deutschen Landschaftsmalerei im 19. Jahrhunderts sind immer wieder thematisiert worden, so in den Arbeiten von Erika Bierhaus-Rödiger, den Beiträgen in dem von dieser sowie Raimund Wünsche edierten Band "Landschaft als Geschichte" von 1998 sowie in dem von Reinhold Baumstark 1999 herausgegebenen Katalog "Das neue Hellas". [1]

Mit der hier angezeigten Publikation ist erstmals ein umfassender Blick auf Rottmanns Auseinandersetzung mit Griechenland möglich, da hier endlich sämtliche mit den griechischen Landschaften in Zusammenhang stehende Werke (Naturstudien, Aquarelle, Gemälde, Wandbilder) in großartigen Farbabbildungen vorgelegt wurden. Rottmanns Bilderfolge bietet, wie Baumstark in seinem Vorwort feststellt, "nichts geringeres als eine Bildungsreise der Augen, eine Kontemplation geschichtlicher Größe vor den Schauplätzen einer grandios kargen, vom Meer und Himmel umspielten Natur. ... ein romantisches, melancholisch stimmendes Denkmal, das er auf das alte Griechenland errichtet, indem er das neue Hellas als eine den urwüchsigen Kräften der Natur ausgesetzte, verlassene Bühne der Weltgeschichte schildert." (8f.)

Den Band leitet ein Aufsatz von Herbert W. Rott, Konservator der Neuen Pinakothek und Sekretär der 1999er-Ausstellung "Das neue Hellas", sowie Renate Poggendorf, Restauratorin der Werke, ein. In diesem werden die wesentlichen, mit der Entstehung, Intention, Technik und Realisierung der Folge verknüpfen Momente dargelegt (13-123).

Den Auftakt macht, ausgehend von der künstlerischen Ausbildung des Malers, das Unterkapitel "Rottmann, Klenze und Ludwig I." Zunächst wird die Geschichte und Funktion der Münchner Hofgartenarkaden geschildert, die als "Ort der Bildung" (17) konzipiert und öffentlich zugänglich waren. Zum einen erfolgte dort die dynastische Verherrlichung der Wittelsbacher und Bayerns, zum andern eine Verbeugung vor den zivilisatorischen Leistungen der Menschheit. In diesem Zusammenhang steht Rottmanns zwischen 1830 und 1833 erstellter, in Freskotechnik gemalter Italienzyklus. Hierbei stand die Verschränkung von Natur und Kultur im Mittelpunkt, die im Sinne einer virtuellen Italienreise in Nachfolge Goethes und vermittels der Topoi idyllischer und heroischer Landschaftsmalerei gestaltet wurde.

Das philhellenische Engagement Ludwigs I. hatte in der Zwischenzeit einen Höhepunkt in der Ernennung seines jüngeren Sohnes Otto zum König des neugegründeten griechischen Staates erfahren. Rottmann erhielt nach der Italienserie den Auftrag, in diesem Zusammenhang einen Griechenlandzyklus zu malen, der ebenfalls für die Hofarkaden vorgesehen war, und reiste 1833-34 nach Hellas. Dort fand er ein vom Krieg verheertes Land vor und beklagte die widrigen Bedingungen seiner Studienreise immer wieder in Briefen. Es ist ein kleiner Wermutstropfen, dass die im Œuvrekatalog von Bierhaus-Rödiger publizierten Schreiben hier nicht als Anhang beigefügt sind. Die Schilderung von Rottmanns Reise informiert über die tatsächlich und vermutlich aufgesuchten Orte und die dort ausgeführten Studien; einige der intendierten Stationen konnte der Maler anscheinend nicht besuchen und griff bei der späteren Visualisierung auf die Ansichten des Griechenlandreisenden Otto Magnus von Stackelberg zurück. Diese sind, ebenso wie einige der Studien von Rottmanns Begleiter Ludwig Lange, der 1854 die Bilder des Griechenlandzyklus kommentierte [2], ebenfalls abgedruckt, so dass sich der Leser ein Bild von den verschiedenen Blicken auf Hellas machen kann.

Rott charakterisiert die Abfolge der Entstehung der Landschaften in München, die Umsetzung in Aquarelle und die sukzessive Veränderung der Ausrichtung. Unter dem Einfluss u. a. von Alexander von Humboldts "Kosmos" legte der Maler physiognomische Landschaften vor, in denen der Ablauf der Geschichte einen Kreislauf von Aufstieg, Blüte und Verfall darstellt und häufig nur noch die Reste einstiger Größe bleiben. Tageszeiten, Wetterphänomene und Lichtverhältnisse versinnbildlichen vor allem in den späteren Werken der Serie dramatische, historische Ereignisse, die sich der Betrachter häufig nur vermittels der Bildttitel vergegenwärtigen kann, die jedoch auf den Bildern selbst nicht erscheinen. In "Maltechnik und Bildträger" (66-83) informiert Poggendorf über die Experimente Rottmanns, der zunächst Fresken schaffen sollte, dann enkaustische Werke und schließlich eigens eine Harz-Öltechnik erfand, die auf mobilen Bildtträgern aufgebracht wurde. Vor allem über die letzte Technik herrschte in der Forschung lange Unsicherheit und es ist den hier vorgelegten Erkenntnissen der Restauratorin zu verdanken, dass diese nun ausgeräumt werden kann. Rott skizziert sodann den mehrfachen Wechsel des intendierten Hängungsortes bis hin zu dem schließlich in der Neuen Pinakothek errichteten Rottmann-Saal und zeigt auf, inwiefern diese Wandlungen die Bildkonzeption des Malers beeinflussten. Den Saal virtuell zu rekonstruieren ist dabei ein besonderes Verdienst, da kurioserweise keine Fotos der ursprünglichen Installation oder des Raums existieren. Wiederum Poggendorf schildert sodann die Kriegsschäden, die Restaurierung und die wechselvolle Geschichte der Bilder nach dem 2. Weltkrieg, die lange nicht geschätzt wurden.

Gut zwei Drittel des Bandes sind den 23 Wandbildern gewidmet; in Form kleiner Monografien wird hier alles Wissenswerte zusammen getragen. Die Werke werden ihrer chronologischen Entstehung nach behandelt, so dass "Sikyon mit Korinth" den Auftakt macht und das kurz vor Rottmanns Tod vollendete "Nemea" diesen Teil abschließt. Der Aufbau der von Rott und Elizabeth Stürmer verfassten Studien (die Autoren sind durch Initialen kenntlich gemacht) ist jeweils gleich: Den technischen Angaben und dem jeweiligen Zitat aus Langes Beschreibung links ist rechts eine Gesamtaufnahme des Werkes gegenüber gestellt. Es folgt eine zweiseitige Detailabbildung. In den Darstellungen der Bildevolution, deren Einordnung und Rezeption der Werke finden sich alle bekannten Vorstudien, Aquarelle, Gemälde, grafische Umsetzungen und eventuelle Vorbilder in qualitätvollen Abbildungen. Am Ende stehen jeweils Darlegungen zum Erhaltungszustand und eine Spezialbibliografie zum jeweiligen Werk - erst hier erfährt der Leser, auf welcher Seite in Langes Beschreibung sich das vorangestellte Zitat befindet. Eine Bibliographie und eine Karte Griechenlands mit den von Rottmann besuchten bzw. dargestellten Orten runden den Band ab, auf einen Index wurde leider verzichtet.

"Die Landschaften Griechenlands" ist ein Prachtband, in dem der interessierte Laie lange schmökern kann und der für Fachleute viel Neues bereit hält. Besonders hervorzuheben sind dabei die Erkenntnisse zur Bildtechnik und die Zuordnung aller visuellen Dokumente zu dem jeweiligen Wandbild. Auch die Evolution der Rottmann'schen Werke wird so mit einer neuen Klarheit plausibel gemacht. Das Buch ist eine unverzichtbare Ergänzung und Erweiterung bisheriger Publikationen über Rottmann und ebenso zu Darstellungen der deutschen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhundert.


Anmerkungen:

[1] Erika Bierhaus-Rödiger: Carl Rottmann, 1797-1850: Monographie und kritischer Werkkatalog. Mit Beiträgen von Hugo Decker und Barbara Eschenburg. München 1978; dies.: Landschaft als Abbild der Geschichte. Carl Rottmanns Landschaftskunst 1820-1850. Mit einem Nachtrag zum Werkkatalog von 1978 auf Seite 211, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst 40, 1989, 153-224; Christoph Heilmann; Erika Rödiger-Diruf (Hg.): Landschaft als Geschichte. Carl Rottmann 1797-1850. Hofmaler Ludwigs I. Ausst.-Kat. Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, 16.11.1997-18.01.1998; München, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, 30.01.-13.04.1998. München 1998; Reinhold Baumstark (Hg.): Das neue Hellas: Griechen und Bayern zur Zeit Ludwigs I. Ausst.-Kat. München, Bayerisches Nationalmuseum, 1999-2000. München 1999.

[2] Ludwig Lange: Die Griechischen Landschaftsgemälde von Karl Rottmann in der neuen Königlichen Pinakothek zu München. München 1854.

Ekaterini Kepetzis