Rezension über:

Ferdinand Werner: Die kurfürstliche Residenz zu Mannheim (= Beiträge zur Mannheimer Architektur- und Baugeschichte; Bd. 4), Worms: Wernersche Verlagsanstalt 2006, 400 S., ISBN 978-3-88462-235-3, EUR 78,00
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Rezension von:
Dietmar Grypa
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Dietmar Grypa: Rezension von: Ferdinand Werner: Die kurfürstliche Residenz zu Mannheim, Worms: Wernersche Verlagsanstalt 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 5 [15.05.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/05/12782.html


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Ferdinand Werner: Die kurfürstliche Residenz zu Mannheim

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Das anzuzeigende Buch widmet sich den Bauten der Residenz der pfälzischen Kurfürsten in Mannheim, die im Zweiten Weltkrieg zum größten Teil bis auf die Außenmauern zerstört wurden. Heute beherbergt der wiederhergestellte Komplex, der zu den weitläufigsten Schlossbauten Europas zählt, Institute der Universität Mannheim.

Der Band gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Die Kapitel des ersten Abschnittes (16-98) widmen sich der Entstehung und Ausgestaltung der pfälzischen Residenz in Mannheim im 18. Jahrhundert sowie der Nutzung der Gebäude nach dem Ende ihrer Residenzfunktion im 19. und 20. Jahrhundert. Die Kapitel des zweiten Abschnitts (99-367) schildern zum einen die Architektur des Schlosses, zum anderen stellen sie ausführlich die einzelnen Räume in ihrer Funktion als Wohnung und Residenz des Kurfürsten dar. So wird etwa auf den Seiten über die Raumdistribution (172-179) auch auf "Lever und Coucher" eingegangen und an diesem Beispiel klar der Zusammenhang zwischen dem höfischen Zeremoniell und der Raumverteilung in einer fürstlichen Residenz herausgearbeitet.

Nachdem sich Kurfürst Karl III. Philipp dazu entschlossen hatte, die Regierungsbehörden der Pfalz von Heidelberg nach Mannheim zu verlegen, errichtete er in dieser Stadt ab 1720 auch seine neue Residenz. Der Bau sollte den Vorstellungen der Zeit entsprechend die Stellung des pfälzischen Kurfürsten als eines der vornehmsten Fürsten des Reiches dokumentieren, galt doch damals eine reich ausgestaltete Residenz als ein "notwendiges fürstliches 'Decorum'"(32). Diesem Anspruch gemäß wurden während der Errichtung der Gebäude unter Karl Philipp und dem Ausbau der Residenz unter seinem Nachfolger Karl Theodor führende Architekten und Künstler der Zeit herangezogen: Nicholas de Pigage, Peter Anton von Verschaffelt, Paul Egell, Antonio Pellegrini, Cosmas Damian Asam und Lambert Krahe. Dabei spiegeln sich in der Auswahl der beschäftigten Künstler die engen politischen Beziehungen der Kurpfalz zu Frankreich oder zum kurbayerischen Hof.

Da in der Frühen Neuzeit die "Residenz des Herrschers mehr als nur ein profanes Gebäude" war, wie es Franciscus Philippus Florinus in einem Traktat über "Pracht- und Staatsgebäude" formuliert hat (110), sind Architektur und Ausgestaltung einer Residenz und damit der Inhalt des zu besprechenden Bandes keineswegs nur für kunsthistorische Fragestellungen von Relevanz; zudem stellt der Autor in seinen Ausführungen bewusst gerade die Räumlichkeiten des Schlosses ausführlich dar, die für die Residenzfunktion der Bauten von besonderer Bedeutung waren: Das Treppenhaus, das mit dem pfälzischen Wappen sowie vier Skulpturen geschmückt war und dessen Gestaltung "die für den Kurstaat wesentlichen fundamentalen Kernpunkte verbildlichte" (112-122, 133-152, Zitat: 120); den Rittersaal, dem besonders ikonografisch ausgestalteten und einzigen großen festlichen Raum des gesamten Gebäudekomplexes, in dem die Ordenskapitel des pfälzischen Hubertusordens abgehalten wurden (152-172); das Appartement des Kurfürsten und zwar sowohl zur Zeit Karl Philipps (193-208) als auch zur Zeit Karl Theodors (208-217); das Appartement der Kurfürstin Elisabeth Auguste, der Ehefrau Karl Theodors (218-226); die Appartements de Commodité, konkret die Gartenzimmer, die Kabinettsbibliothek und das Pétit Appartement der Kurfürstin (226-240); das kaiserliche Quartier, dessen prunkvolle Ausgestaltung nicht zufällig unmittelbar nach dem Abschluss des Waffenstillstands im Polnischen Erbfolgekrieg erfolgte (240-268); die "Bibliotheca Palatina Nova" des Kurfürsten von der Pfalz, die nicht nur wegen ihrer Bestände, sondern auch wegen ihrer besonders aufwendigen Ausstattung berühmt war (281-311); die Schlosskirche (312-335), das Ballhaus (336-337), die Hofoper (338-343) sowie den Schlossgarten (344-365).

Eine Besonderheit des Mannheimer Schlosses stellen seine beiden Bibliotheksräume dar. Es war alles andere als typisch, dass die Ehefrau eines Regenten im 18. Jahrhundert über eine eigene Bibliothek verfügte. Bei der "Kabinettsbibliothek" der Kurfürstin von der Pfalz - dem einzigen Raum, der die Zerstörungen der Bombennächte nahezu unversehrt überlebt hat - handelt es sich zudem um einen der schönsten Innenräume des europäischen Rokokos. Er wurde nach den persönlichen Vorstellungen der Kurfürstin gestaltet. Den Mittelpunkt des Raumes bildet ein Deckenfresko, auf dem Apoll im Kreis der Musen zu sehen ist, ein Bild, das ebenso zu den gängigen Motiven zur Gestaltung eines Bibliotheksraums zählt wie die sechs kleineren Bilder in der Deckenvoute, die Aspekte der wissenschaftlichen Gelehrsamkeit sowie der Tugendhaftigkeit und des frommen Lebenswandels symbolisieren. Bis heute nicht eindeutig geklärt ist hingegen die ikonografische Funktion der beiden seitlichen Deckenfresken: Die "Diana Ephesia und Ecclesia" sowie "Petri Verleugnung" zeigen zwei für einen Bibliotheksraum ausgesprochen untypische Motive.

Die "Bibliotheca Palatina Nova" des Kurfürsten, deren Buchbestand die üblichen Quantitäten einer fürstlichen Bibliothek weit überstieg, befand sich in einem eigenständigen Bau, der genau gegenüber der Schlosskirche platziert wurde. Rein äußerlich sind sowohl der Sakralraum als auch der Bibliotheksraum trotz ihrer unterschiedlichen Funktionen bis auf wenige Details nahezu identisch gestaltet und dies, obwohl das Gebäude für die Büchersammlung erst Jahrzehnte nach der Kirche errichtet wurde. Die Ausstattung des Saales hatte für Karl Theodor eine besondere Priorität, es ist der einzige Raum im gesamten Mannheimer Schloss, der vom pfälzischen Kurfürsten selbst konzipiert wurde. Alle anderen Räume waren zum Zeitpunkt der Errichtung des Bibliotheksbaus bereits seit Jahrzehnten fertiggestellt und in Benutzung (285).

In der Geschichte der europäischen Bibliotheken spielt die Mannheimer Schlossbibliothek eine Solitärrolle. Weder gibt es für die Art der dreigeschossigen Gestaltung des Büchersaals ein Vorbild noch zeitgleiche Parallelbeispiele. Das Thema des Deckenbildes ("Die Zeit entschleiert die Wahrheit") hingegen entspricht durchaus der üblichen Ikonografie einer Bibliothek im ausgehenden 18. Jahrhundert, in der häufig die Darstellung der "Wahrheit" oder der "Weisheit" eine besondere Rolle spielte. Die besondere Wertschätzung der Bibliothek durch den Kurfürsten spiegelt sich aber nicht nur in der Ausgestaltung des Büchersaales, sondern auch in den enormen Ausgaben für den Ankauf von Büchern und ganzer Büchersammlungen. Der Bestand stieg so von etwa 21.500 Bänden im Jahr 1755 auf beinahe 100.000 im Jahr 1801. Unter den fürstlichen Bibliotheken konnte sich also zum Ende des Alten Reiches nur noch die Wiener Hofbibliothek des Kaisers mit den Beständen des pfälzischen Kurfürsten messen (299).

Dass es der Publikation von Ferdinand Werner gelingt, ein so beeindruckendes Bild des Mannheimer Schlosses zu zeichnen, liegt nicht zuletzt an der opulenten Ausstattung des Bandes mit Plänen, Zeichnungen und Stichen sowie zahlreichen Fotografien, die dem Leser auch einen Eindruck derjenigen Bereiche vermitteln, die durch die Zerstörungen des Schlosses im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen sind.

Dietmar Grypa