Luciano Canfora: Julius Caesar. The People's Dictator. Translated from the Italian by Marian Hill and Kevin Windle, Edinburgh: Edinburgh University Press 2007, xvi + 392 S., ISBN 978-0-7486-1936-8, GBP 24,99
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Werner Dahlheim: Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates, 3. Auflage, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2011
Martin Jehne: Der große Trend, der kleine Sachzwang und das handelnde Individuum. Caesars Entscheidungen, München: dtv 2009
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Marcello Ghetta: Spätantikes Heidentum. Trier und das Trevererland, Trier: Kliomedia 2008
Nur wenige Gestalten der Antike sind so geeignet zum Gegenstand einer Biographie zu werden, wie der römische Politiker und Feldherr C. Iulius Caesar: Es liegen ausreichend Quellen vor, um sein Leben zu erzählen und dabei sowohl sein politisches Wirken nachzuzeichnen als auch den Privatmann kenntlich werden zu lassen. Zugleich ist der Quellenbestand aber so begrenzt und so widersprüchlich, dass der Biograph die Gestalt Caesars ohne Mühe mit eigenen Vorstellungen und Deutungen füllen, ihn zum Helden oder Schurken, zum Demokratenkönig, Krieger oder Außenseiter werden lassen kann. Caesar lebte und wirkte in einer der ereignisreichsten Perioden der antiken Geschichte und war selbst Teil eines grundlegenden Transformationsprozesses. Dies gestattet es, an seinem Beispiel über das Verhältnis von Strukturen und den in ihnen handelnden Akteuren nachzudenken. Dazu bietet - und dies ist für seine Eignung als Hauptfigur einer Biographie sicher nicht der geringste Vorteil - das Leben Caesars eine Geschichte, die den Höhepunkt an ihrem Ende erreicht und es dem Autor somit erspart, langes und weitgehend ereignisloses Altern zu schildern. Entsprechend zahlreich sind die Caesar-Biographien - sowohl in Deutschland als auch auf dem internationalen Markt.
Bei dem zu besprechenden Buch handelt es sich um die nur leicht veränderte englische Übersetzung von L. Canforas bereits 1999 im Verlag Editori Laterza erschienenem Titel "Giulio Caesare. Il dittatore democratico", der auch in einer deutschen Übersetzung des Beck-Verlages seit 2001 vorliegt.
Der Verfasser schildert das Leben seines Helden in 42 knappen Kapiteln, die sich nach einem einführenden Abschnitt über die Rezeption Caesars in der Moderne dessen Leben von der Flucht vor dem Diktator Sulla bis zur postumen Charakterisierung Caesars durch antike Autoren widmen.
Die Fakten sind bekannt, und so kann darauf verzichtet werden, an dieser Stelle den Gang der Geschichte Caesars, die Canfora nacherzählt, auszuführen. Auffälligkeiten etwa in der Auswahl des Stoffes oder seiner Gewichtung gibt es hier ohnehin nicht festzustellen.
Wichtiger sind die Besonderheiten, die Canforas "Caesar" ausmachen: The peoples dictator - bzw. Il dittatore democratico - hat Canfora seinem "Caesar" als Untertitel beigegeben, und man wird wohl erwarten dürfen, dass damit ein Programm verknüpft ist, das die Nacherzählung der Quellen zu einer Darstellung verbindet. Das ist aber nicht der Fall. Was der "demokratische Diktator" sein soll, bleibt bis zur letzten Seite des Buches unklar.
Als ebenso problematisch erweist sich, dass Canfora auf die Kontextualisierung des Handelns Caesars weitgehend verzichtet. Die Einbindung der Person Caesars in die Strukturen der späten römischen Republik fehlt, Überlegungen zur Funktionsweise des politischen Systems, in dem Caesar agierte, bleiben aus. Gerade für die Frage nach dem Verhältnis von Strukturen und Handeln bzw. nach der Notwendigkeit des Untergangs der Republik, die Canfora selbst in seinem Vorwort thematisiert (IX), ist dieses Fehlen bedauerlich. Störend sind schließlich auch manche Formulierungen des Verfassers: Das gilt für die marxistischen Wortspielereien, die Canfora in seinen Text immer wieder einbaut, weil marxistische Theorie niemals in irgendeiner Form erkenntnisleitend oder gar zum Ausgangspunkt für die Erklärung von Phänomenen wird. Es gilt ebenso für das Pathos, mit dem Canfora das Handeln seines Helden unterstreicht.
Positiv herauszuheben ist hingegen die große Quellennähe: Für eine Arbeit, die sich an ein breites Publikum richtet, sind die Überlegungen, die zu einigen Quellen und ihrer Problematik angestellt werden, auffällig. Ganze Kapitel bietet Canfora mit quellenkritischen Erwägungen, etwa zu Sallusts Fassung der Rede Caesars in der Senatssitzung vom 5. Dezember 63 v.Chr. (54-60) oder zum "Anticato" (256-260), wobei diese Kapitel - gleichsam als Exkurse - die chronologische Ordnung der Biographie unterbrechen.
Weniges ist zur Aufmachung der englischen Ausgabe zu sagen: Die Übersetzung lässt sich flüssig lesen. Die in der Originalausgabe sehr ausführlichen Anhänge sind auf Zeitleiste und Register beschränkt worden, während die Ausführungen zu Caesar als Schriftsteller, die Darstellung Caesars und des Bürgerkrieges im Geschichtswerk des Asinius Pollio, die Ausführungen zu "Brutus" und "Anticato" sowie kommentierte Bibliographie, Kurzbiographien wichtiger Akteure oder Glossar entfallen sind. Dies ist insbesondere für die Erörterungen der antiken Schriften und ihrer Autoren nicht recht nachvollziehbar, da - wie bereits betont - gerade dieser Aspekt die Stärke der Arbeit darstellt.
Canforas "Caesar" ist der Caesar eines Philologen - nah an den Quellen, die mit großer Kenntnis dem Leser vorgestellt werden, aber zugleich auch auf die Aneinanderreihung von Quellenstellen beschränkt. Was fehlt, ist die Einordnung des Lebens Caesars in den historischen Kontext und ein Konzept, das die Quellen zu einer Darstellung verbindet. So ist Canforas Caesar einer unter vielen - nun auch in englischer Sprache.
Jan Timmer