Rezension über:

Tom Boiy: Between High and Low. A Chronology of the Early Hellenistic Period (= Oikumene. Studien zur antiken Weltgeschichte; Bd. 5), Berlin: Verlag Antike 2007, 175 S., ISBN 978-3-938032-20-6, EUR 29,90
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Rezension von:
R. Malcolm Errington
Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
R. Malcolm Errington: Rezension von: Tom Boiy: Between High and Low. A Chronology of the Early Hellenistic Period, Berlin: Verlag Antike 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 7/8 [15.07.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/07/14317.html


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Tom Boiy: Between High and Low

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Dieses exzellente kleine Buch bietet einen gelungenen systematischen Versuch, die keilschriftliche sowie die aramäische dokumentarische Überlieferung mit den weitestgehend literarischen griechischen Quellen für die ersten zwanzig Jahre nach dem Tode Alexanders des Großen zu verbinden. Da Boiy von Haus aus mit der nichtgriechischen Überlieferung vertraut ist, ist er in der Lage, die verschiedenen chronologischen Systeme, welche die nichtgriechischen Dokumente verwenden, kompetent aufzuzeigen und zu erläutern und so manches Problem, welches wegen mangelnder Vertrautheit mit den Dokumenten von griechisch geprägten klassischen Althistorikern als Krux angesehen wurde, einer einfachen Lösung zuzuführen. Hier wirken Boiys Ausführungen besonders überzeugend. Als Folgerung aus dieser Beschäftigung mit den verwendeten chronologischen Systemen ist dann wichtig die Feststellung - die eigentlich selbstverständlich sein müsste - dass man künftig davon auszugehen hat, dass die Schreiber der babylonischen Texte wussten, was sie taten. D.h. man muss die dokumentarischen Angaben von ihrer Entstehung her nur richtig verstehen, um die anscheinende Notwendigkeit der Annahme einer beliebigen Nachlässigkeit oder Ignoranz eines Schreibers zu vermeiden, wenn er Informationen liefert, die einer schon herausgearbeiteten Rekonstruktion zu widersprechen scheinen. Solche "Notwendigkeiten" haben in der Vergangenheit öfters dafür herhalten müssen, anscheinend falsche Angaben in den Dokumenten zu korrigieren oder sie überhaupt zu ignorieren. Boiys Ergebnis, das im Detail keine der schon existierenden chronologischen Rekonstruktionen der Ereignisse dieser Zeit unangetastet lässt, dürfte in den wesentlichen Kernpunkten kaum zu erschüttern sein.

Der Weg dorthin ist allerdings steinig, obwohl Boiy sich sehr bemüht, mithilfe vieler Tabellen, welche die verschiedenen Quellenangaben, die modernen Rekonstruktionen und schließlich seine eigenen Ergebnisse im Überblick präsentieren, das jeweils bearbeitete Material zu veranschaulichen und seine Folgerungen umso eher nachvollziehbar zu machen. Das Buch ist dennoch nicht für Anfänger geschrieben worden und auch nicht geeignet. Hier ist kein Platz, komplizierte Argumente im Detail zu referieren, aber einige kritische Kern- und Fixpunkte seiner Rekonstruktion sollen erwähnt werden.

1) Der leidige Streitpunkt des Todesdatums des Regenten Perdikkas sowie der darauffolgenden Neuordnung der Belange des makedonischen Reiches bei Triparadeisos wird - hoffentlich jetzt endgültig! - in das Frühjahr bzw. den Sommer 320 festgesetzt, auf der Basis einer meines Erachtens unumstößlichen Deutung der entsprechenden Angaben der babylonischen Diadochenchronik. Alle bisherigen Versuche von Beloch bis Bosworth, diese Angabe, die immer eindeutig war, durch teilweise abenteuerlichen Spekulationen wegzuinterpretieren, sind also gescheitert und abzulehnen.

2) Die Schlacht bei Gaza, welche die Voraussetzung für Seleukos' Rückkehr nach Babylonien schuf, wo er dann schließlich auch die Stadt Babylon einnahm, wird auf den Herbst 312 datiert, da in Babylon eine Datierung nach den Regierungsjahren des Antigonos noch am 13. Mai 311 vorgenommen wurde und bekannt ist, dass Seleukos relativ bald nach der Schlacht seinen Angriff auf Babylonien unternahm.

3) Wegen der neuen aramäischen Ostraka aus Idumaia, die im Juli 315 nach Antigonos' Regierungsjahren datieren, wird die Flucht des Seleukos aus Babylon schon ins Frühjahr 316 gelegt. Auf der Basis dieser Fixpunkte kann dann die ereignisreiche griechische Überlieferung von Hieronymos/Diodor mit nur wenigen und keineswegs unüberwindlichen Schwierigkeiten "eingehängt" werden.

Boiy nennt seine Rekonstruktion "eklektisch", weil sie einige Elemente sowohl der bisherigen "niedrigen" als auch der "hohen" Chronologie übernimmt. Diese Selbsteinschätzung ist aber zu bescheiden, um seine Leistung voll zu würdigen und nur forschungsgeschichtlich so zu erklären. Eigentlich haben wir es hier mit einer eigenständigen vollständigen Neubearbeitung des ganzen chronologischen Materials zu tun, die für sich allein stehen kann. Mit diesem Buch hat Boiy die chronologischen Rätsel der frühen Diadochenzeit weitestgehend gelöst und die Forschung zu diesem Scharnierzeitraum endlich auf ein festes Fundament gesetzt.

R. Malcolm Errington