Hans-Michael Körner / Alois Schmid (Hgg.): Handbuch der Historischen Stätten. Bayern II. Franken, Stuttgart: Alfred Kröner Verlag 2006, XVIII + 651 S., ISBN 978-3-520-32501-3, EUR 29,00
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Ziel des in den 1950er Jahren begründeten vielbändigen "Handbuchs der Historischen Stätten" ist es, einem breiten Benutzerkreis Grundinformationen über geschichtlich bedeutsame Orte in knapper und doch zuverlässiger Form zur Verfügung zu stellen. Als "historische Stätten" gelten dabei in erster Linie Städte, Märkte, Klöster, Burgen und Schlösser, deren jeweiliger Werdegang nach einem weitgehend einheitlichen Schema und unter Berücksichtigung politischer, wirtschaftlicher, kunst- und kirchengeschichtlicher sowie sonstiger individuell relevanter Gesichtspunkte skizziert wird. 1961 erschien in der Reihe der Band "Bayern", der bis 1981 zwei weitere nur wenig veränderte Auflagen erlebte. Sein hauptsächlich aus der überzeugenden Konzeption des Gesamtunternehmens resultierender Verkaufserfolg bewog nunmehr den Verlag, eine aktualisierte 4. Auflage herauszubringen. Unter der wissenschaftlichen Federführung des Instituts für Bayerische Geschichte an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität schrieb eine vielköpfige Arbeitsgruppe ausgewiesener Fachleute aus allen bayerischen Landesteilen sämtliche Ortsartikel neu, so dass nunmehr für ganz Bayern ein überaus nützliches topografisches Nachschlagewerk auf der Grundlage des neuesten Forschungsstandes vorliegt.
Im Zuge der Neubearbeitung erfuhr das "Handbuch" eine Reihe nützlicher Veränderungen. Die äußerlich augenfälligste besteht darin, dass das früher einbändige Werk in zwei Bände aufgeteilt wurde. Während Bayern I Altbayern und Schwaben behandelt, ist der hier anzuzeigende Band Bayern II Franken gewidmet. Der mit der Teilung verbundene erhebliche Platzgewinn bot Gelegenheit, die historischen Stätten einer der historisch bedeutsamsten, vielgestaltigsten und damit auch interessantesten Regionen Deutschlands noch ausführlicher und differenzierter zu behandeln und ihnen damit auch ein gewisses Eigengewicht zu verleihen. So enthält die Neuauflage - nach Zählung des Rezensenten - ca. 60 zusätzliche Artikel. Die meisten Beiträge sind zudem deutlich länger geworden, manche gar auf den doppelten bis dreifachen Umfang angewachsen. Zurückzuführen ist dies in erster Linie darauf, dass in den älteren Auflagen der Schwerpunkt der Darstellung auf dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit lag, jetzt aber die gesamte Entwicklungsgeschichte einer historischen Stätte von ihren Anfängen bis zur Gegenwart skizziert wird.
Die Entscheidung, auch die Neueste Zeit zu thematisieren, bringt einen erheblichen Zugewinn an Information, ist doch das heutige Erscheinungsbild vor allem der Städte in Franken wesentlich von den fundamentalen Umwälzungen des 19. und 20. Jahrhunderts geprägt. Sehr zu begrüßen ist auch, dass kunsthistorische und sozialgeschichtliche Aspekte viel stärker berücksichtigt sind als früher. Als Beispiel sind die zahlreichen fränkischen Judengemeinden zu nennen, deren Schicksal im Rahmen des Handbuchs jetzt erstmals zur Sprache kommt. Vor allem die ausführlichen Artikel über Nürnberg (Mittelalter und Frühe Neuzeit: Wolfgang Wüst, 19./20. Jahrhundert: Werner K. Blessing), Würzburg (Ekhard Schöffler) und andere große fränkische Städte mit besonders reicher Vergangenheit sind durch die Einbeziehung von Informationen aus vielen verschiedenen Wissensgebieten von hoher Qualität und eignen sich damit durchaus auch für wissenschaftliche Informationszwecke. Da das Handbuch nicht nur das äußere Erscheinungsbild der historischen Stätten und deren wichtigste Bauwerke beschreibt, sondern auch nicht sichtbare ökonomische, soziale und religiöse Strukturen und Veränderungen zu erfassen sucht, leistet es weit mehr als ein touristischer oder kunstgeschichtlicher Reiseführer.
Der Herausgeber der Erstauflage, Karl Bosl, hatte dem Handbuch eine 56 Seiten umfassende Einleitung mit dem Titel: "Die historisch-politische Entwicklung des bayerischen Staates" vorangestellt, in der auch Spezifika der Entwicklungsgeschichte Frankens angesprochen werden. Ein Abriss der fränkischen Geschichte wäre prinzipiell auch für die Neuausgabe möglich gewesen, doch verzichteten die Herausgeber sinnvoller Weise darauf. Der Hauptgrund lag wohl darin, dass die fränkische Landesgeschichtsschreibung der letzten Jahrzehnte eine Fülle differenzierter neuer Forschungsergebnisse, vor allem auch auf regionaler und lokaler Ebene, vorgelegt hat, die von einem einzelnen Autor kaum adäquat überblickt und auf beschränktem Raum zusammengefasst werden könnte.
Ergänzt wird das Werk durch ein Glossar, das wichtige verfassungs-, gesellschafts- und wirtschaftsgeschichtliche Ausdrücke erläutert, sowie durch mehrere Gebietskarten, in denen alle behandelten historischen Stätten eingezeichnet sind. Während der Wegfall der in den älteren Auflagen abgedruckten Wittelsbacher-Stammbäume und der Bischofslisten der sieben bayerischen Bistümer vertretbar erscheint, vermisst man das frühere Personenregister und das Register derjenigen Orte, die zwar keinen eigenen Artikel haben, aber doch - zum Teil mehrfach - anderweitig erwähnt sind, doch recht schmerzlich. Mit ihrer Hilfe ließen sich ortsübergreifende Fragen beantworten, z.B., wo ein bestimmter Baumeister oder Künstler in Franken überall gewirkt hat. Ein im Vergleich zu den ersten Auflagen deutlich reduziertes Verzeichnis grundlegender Literatur ist zwar nach wie vor vorhanden, doch ist es identisch mit demjenigen im Band Altbayern und Schwaben. Deshalb fehlen darin bedauerlicherweise einige wichtige moderne Gesamtdarstellungen und Quelleneditionen speziell zur fränkischen Geschichte.
Trotz dieser kleineren Defizite stellt das neu bearbeitete Handbuch ein zuverlässiges, allgemeinverständliches und gut lesbares Nachschlagewerk dar, das auch im Zeitalter fortschreitender elektronischer Informationsbeschaffung jeder Benutzer mit Gewinn zur Hand nehmen wird. Damit dürfte seine Erfolgsgeschichte auch in den nächsten Jahrzehnten ihre Fortsetzung finden.
Reinhard Seyboth