Hans-Michael Körner: Geschichte des Königreichs Bayern, München: C.H.Beck 2006, 214 S., 6 Abb., ISBN 978-3-406-53591-8, EUR 17,90
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"Den Ansprüchen des Faches gerecht zu werden und dem Interesse auch eines breiteren Publikums entgegenzukommen" (6), so formuliert der Verfasser die Ziele seiner "Geschichte des Königreiches Bayern". Damit ist das Buch angesiedelt in der Lücke (oft genug dem Graben) zwischen der Wissenschaft und dem interessierten Publikum. Der Graben wird allzu häufig von populärwissenschaftlichen Journalisten gefüllt - mitunter mit Abstrichen an die Ansprüche des Faches - und weniger oft von Professoren der Geschichte wie Hans-Michael Körner, der in München lehrt. Universitätsleute in Deutschland sehen sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt, für ein breites Publikum unlesbar zu sein. Vorab: Michael Körner gelingt der Brückenschlag, allerdings mit Abstrichen auf beiden Seiten.
Das Buch ist weitgehend erzählend geschrieben. Anmerkungen gibt es nur wenige, und die beziehen sich in der Regel nur auf Zitatnachweise. Eine explizite Auseinandersetzung mit Positionen der Forschung findet nicht statt. Forschungsliteratur wird nur pauschal in einer knapp dreiseitigen Auswahlbibliografie als "Weiterführende Literatur" aufgelistet. Als Fundstellennachweis für Wissenschaft eignet sich das Buch wirklich nicht. Allerdings ist die Forschungsliteratur im Hintergrund stets präsent. Alle - durchweg alle - Ausführungen könnten mit Verweisen auf einschlägige wissenschaftlicher Literatur abgesichert werden. Auch neuere Ergebnisse sind rezipiert und stehen für den Kenner bayerischer Geschichte sehr deutlich zwischen den Zeilen.
Anekdotische Erzählung im Stile eines monarchieverherrlichenden 19. Jahrhunderts ist nicht Sache von Körner, stattdessen - unüblich für Werke mit breitem Publikumsanspruch - ein hohes Reflexionsniveau. In die Darstellung werden immer wieder Passagen eingeschoben - die nachdenklich innehalten und Überlegungen anstellen, dass auch eine Geschichte des Königreiches Bayern alles andere als einlinig ist und stets im Zusammenhang mit den großen Tendenzen der Zeit gesehen werden muss, insbesondere im Zusammenhang mit der Grundfrage: Was kann ein konstitutioneller Monarch, was können so gänzlich verschiedene Monarchen wie die bayerischen Könige überhaupt ausrichten? Angefangen mit Max I. Joseph, der von der Revolution 1789 geprägt ist, bis hin zu Ludwig III., der in der Revolution 1918 gehen muss. Die begrenzten Handlungsspielräume einer bayerischen Monarchie, die eingezwängt ist zwischen Revolution und deutscher Einheit und nach innen und außen so unabhängig sein möchte und die doch so viele Rücksichten zu nehmen hat: dies alles wird immer wieder vom Verfasser gründlich durchdacht.
Aber der Vorteil des hohen Reflexionsniveaus hat seinen Preis: er ist erkauft mit Abstrichen an die leichte Lesbarkeit. Die Sprache ist zwar eingängig, aber es wird viel Vorwissen vorausgesetzt, auch wenn vieles erklärt wird, so fallen erläuternde Erklärungen doch gelegentlich zu kurz aus, als dass ein Leser, der historisch nicht mit den Grund- (manchmal auch den Detail-)Problemen des 19. Jahrhunderts vertraut ist, sie so ohne weiteres nachvollziehen könnte. Dies gilt insbesondere für das mehr theoretische Kapitel am Anfang: "Die Monarchie als Staatsform des 19. Jahrhunderts". Da stellt der Verfasser schon mal die Frage in den Raum, "ob und in welchem Umfang eine besondere Bevorzugung monarchiegeschichtlicher Themen in Beziehung zu setzen ist mit kryptomonarchischen Regungen lebensweltlicher Herkunft" (13). Wie gesagt: eben Abstriche auf beiden Seiten.
Dem Anfangskapitel folgen der Reihe nach viel lesbarere Kapitel über die sechs bayerischen Monarchen: Max I. Joseph, Ludwig I., Maximilian II., Ludwig II., Prinzregent Luitpold und Ludwig III. Schon der Aufbau des Buches macht klar: es ist und soll nach dem Willen seines Verfassers eine Geschichte des Königreichs Bayern sein. Wer etwas anderes erwartet, sollte gleich von vornherein etwas anderes lesen. Jedoch in dem Buch nur eine Fortführung von monarchischer Geschichte zu sehen, wie sie im 19. Jahrhundert gepflegt wurde, wäre zu kurz gegriffen. Nicht nur weil auch strukturgeschichtliche Ansätze zu verzeichnen sind, sondern weil dafür einfach ein Zuviel an wissenschaftlich distanzierender Reflexion vorhanden ist.
Fazit: ein Buch weniger über das Königreich als über die Könige Bayerns, allerdings solide eingebettet in die verfassungs- und nationalpolitischen (nicht so sehr in die sozialgeschichtlichen) Zusammenhänge der so ereignisreichen Zeit zwischen den Revolutionen 1789 und 1918. Adressat des Buches ist nur mit Einschränkungen das breite allgemeine, eher das historisch vorgebildete Publikum, das sich über die Geschichte des Königreichs Bayern wissenschaftlich abgesichert informieren will, ohne viel speziell von bayerischer Geschichte wissen zu müssen. Dieses Publikum wird Hans-Michael Körners Geschichte des Königreichs Bayern mit Gewinn lesen. Manchmal ist die Darstellung für den Adressatenkreis zu sehr verdichtet. Hat der Verlag die für die Aufgabe und den Anspruch des Verfassers zu knapp bemessene, jedoch den Verkauf fördernde Seitenzahl von rund 200 vielleicht zu sehr vorgegeben?
Manfred Hanisch