Mawlânâ Sulaymân al-Kindî: The Islâmic Conquest of Syria. A translation of Futûhushâm: the inspiring history of the Ṣahâbah's, conquest of Syria as narrated by the great historian of Islâm al-Imâm al-Wâqidî, London: Ta-Ha Publishers Ltd. 2005, xiv + 584 S., ISBN 978-1-84200-06-7-0, GBP 19,95
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Die Eroberung der Provinzen Arabia, Palaestina I-III, Phoenice Maritima, Phoenice Libanensis und Syria I-II des oströmischen Reiches durch die Araber in weniger als fünf Jahren stellt einen bedeutenden Einschnitt in der Geschichte Ostroms dar. Dieser territoriale Verlust für die römischen Kaiser in Konstantinopel war Teil der islamischen Eroberungen, die auch zu der raschen Übernahme der oströmischen Besitzungen in Ägypten und Nordafrika führen sollten.
Über die Eroberungen der genannten Provinzen, die das Gebiet südlich des Taurus-Gebirges, westlich des Euphrats, nördlich der arabischen Wüste und westlich des Mittelmeeres umfasst und die auf Arabisch den Namen aš-Šām ("Syrien") führen, gibt es fast keine römischen Quellen. In der arabischen Historiographie hingegen finden sich viele Berichte über diese Ereignisse. Zu den arabisch-historischen Standardwerken, die über die Eroberungen aš-Šāms berichten, gehören die Annalen aṭ-Ṭabarīs (übersetzt als The History of al-Ṭabarī) und die Kompilation Die Eroberungen der Länder (Futūḥ al-buldān; übersetzt als The Origins of the Islamic State) von al-Balāḏurī . Darüber hinaus gibt es ein Buch mit dem Titel Die Eroberung Syriens (Futūḥ aš-Šām), dessen zeitliche Entstehung und Autorenschaft umstritten ist. Dieses Werk, dessen Neuübersetzung nun vorliegt, wird meist mit dem frühislamischen Gelehrten und Richter Muḥammad b. 'Umar al-Wāqidī (gestorben 207/823) in Verbindung gebracht; es gibt jedoch begründete Zweifel an dessen Autorenschaft, so dass man korrekterweise von einem al-Wāqidī zugeschriebenen Werk oder von Pseudo-al-Wāqidī sprechen sollte.
Inhaltlich umfasst das Buch Die Eroberung Syriens (Futūḥ aš-Šām), das in zahlreichen Handschriften erhalten geblieben ist und von dem verschiedene Editionen und Drucke angefertigt wurden, nicht nur Berichte zu den Eroberungen in Syrien, sondern auch solche zu Eroberungen in Ägypten, in Nordmesopotamien, Armenien, im Irak, und die der Stadt al-Bahansā. Mit anderen Worten ist der Inhalt des Werkes umfassender als der Titel verkündet. Diesem Wiederspruch hat der Übersetzer des Futūḥ aš-Šām, Mawlanā Sulaymān al-Kindī, Rechnung getragen und auf 584 Seiten den Teil ins Englische übertragen, der sich ausschließlich mit den Eroberungen in Syrien befasst. (Dies entspricht dem vollständigen ersten Band und circa 45 Seiten des zweiten Bandes der verschiedenen Kairiner Ausgaben - bis zur Überschrift Die Erwähnung der Eroberung Ägyptens. In dem von mir verwendeten Druck von Hānī al-Ḥāǧǧ entspricht das Bd. 2, S. 47. [1]) Damit führt al-Kindī eine Tradition des Futūḥ aš-Šām fort, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit den Übersetzungen Simon Ockleys (1. Auflage 1708), John Hughes' (1720) - ins Englische - beziehungsweise Theodor Arnolds (1745) und Barthold Niebuhrs (1847) - ins Deutsche - begonnen hat.
Eine Neuübersetzung, und sei es auch nur eine Teilübersetzung, schien nötig und wünschenswert, um dieses Werk einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Für diese Arbeit, die er in 101 Tagen durchgeführt hat (576), gebührt Sulaymān al-Kindī Dank. Der Aufbau der Übersetzung - Schilderung der Eroberung von Damaskus, von Ḥimṣ, der Schlacht am al-Yarmūk, der Eroberung von Jerusalem und der Antiochias - folgt selbstredend dem des arabischen Originals, wobei sich der Übersetzer erlaubt hat, auf den Inhalt verweisende Zwischenüberschriften hinzuzufügen. Eine Einleitung, in der er die Motivation für seine Übersetzertätigkeit schildert, nämlich "die Liebe zu den Prophetengefährten und dem Propheten Muḥammad selbst zu vermehren" und "den Muslimen die wichtige Bedeutung von Geschichte zu vermitteln" (V), und ein Anhang bestehend aus Appendizes zu arabischen Namen, der verwendeten lateinischen Umschrift und einem Glossar runden das Buch ab.
Leider weist diese Übersetzung deutliche Schwächen auf. Erstens macht Sulaymān al-Kindī den fundamentalen Fehler, die arabische Grundlage der Übersetzung nicht zu nennen. Er verweist vage auf "verschiedenen Kopien alter arabischer Handschriften", die stark voneinander abweichen (X). Ein exakter Vergleich seiner Übersetzung mit dem arabischen Original ist somit nicht möglich. Zieht man die Ausgabe nach Hānī al-Ḥāǧǧ heran, so erkennt man deutliche inhaltliche Unterschiede in Textelementen und Überliefererketten. Diese Unterschiede könnten darauf zurückzuführen sein, dass der Übersetzer einen anderen Druck zugrunde gelegt hat oder dass er einige Textelemente aus Gründen der Verständlichkeit hinzugefügt hat. Bei den Passagen, in denen Übersetzung und Referenzdruck übereinstimmen, ergibt sich das Bild einer allzu freien Übersetzung. Die durch die freie Übersetzung erzielte gute Lesbarkeit im Englischen ist durch Vereinfachung der arabischen Strukturen und der gelegentlichen Auslassung von schwerverständlichen Ausdrücken erkauft.
Sachliche Fehler, wie die Bezeichnung bait al-muqaddas für Jerusalem (passim) oder der Kalifenname "Mamûn ar-Rashīd" (XI), finden sich ebenfalls in der Übersetzung. bait al-muqaddas ist grammatikalisch und sachlich falsch und muss al-bait al-muqaddas, besser noch bait al-maqdis, heißen. Der Kalif heißt natürlich Hārūn ar-Rašīd.
Neben diesen inhaltlichen hat die Übersetzung auch zahlreiche formale Schwächen. Dazu zählt das Transliterationssystem, das keinen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und dessen Schlüssel noch dazu unvollständig ist (siehe Appendix D, wo die Buchstaben qāf bis yā' nicht aufgeführt sind; 580). Generell benutzt Sulaymān al-Kindī Unterstriche statt diakritischer Punkte und ^ anstatt Überstrichen. Regelmäßig finden sich Fehler beim Gebrauch der Umschrift: Erstens sind die Zeichen für 'ain bzw. hamza vertauscht (7; 146; 189; 244; 511; 522; 565); zweitens treten Inkonsistenzen auf (z.B. 'ulamā' mit 'ain (VI), dann ohne (V), und immer ohne hamza); drittens treten viele Umschriftfehler auf (al-Hambalî (V); 'Āishah (ohne hamza; 158); mimbar (160; 283), dessen Plural aber mit den richtigen Wurzelkonsonanten manābir angegeben wird (583)). Auch der Gebrauch des Artikels bzw. der Nunation hat kein System. So stehen Futūhusham, Tārīhul-Islām (VI), Futūh al-'Irāq (XI), 'alan-Nafs (582) und andere Varianten diffus nebeneinander. Gelegentliche Satzfehler, wie etwa fehlende Abstände nach Satzabschlüssen (426) oder Zeichenvarianten wie ´ anstatt ' (410; 420; 432; 443; 449; 579) erhärten die Eindruck, dass diese Übersetzung keiner genauen Revision unterzogen wurde.
Gewünscht hätte man sich auch, dass die Zwischeninhaltsverzeichnisse mit Seitenzahlen versehen (3; 153; 253; 375; 459) und dass alle Ausdrücke übersetzt und nicht wie bei dīn, ṣaḥāba oder lā ilāha illā Allāh auf das Glossar verwiesen worden wäre. Ein des Arabischen unkundiger Leser kann weder die Transliteration noch diese arabischen Ausdrücke sinnvoll verstehen und kontextualisieren.
Durch die inhaltlichen und formalen Unzulänglichkeiten in der Übersetzung ist diese Publikation für den wissenschaftlichen Gebrauch nicht zu empfehlen - weder als Quelle, noch als Übersetzung einer Quelle. Es bleibt eine Übersetzung, die auf einem religiös-wertenden Hintergrund ("die inspirierende Geschichte" (Titel); Koranzitate werden im Druck besonders hervorhoben) durchgeführt wurde und die dazu dienen kann, sich einen Überblick über einen Teil des Buches Die Eroberung Syriens (Futūḥ aš-Šām) zu verschaffen. Eine gute, wissenschaftliche Übersetzung, der freilich eine genaue Rekonstruktion des zugrundeliegenden arabischen Textes vorausgehen muss, bleibt weiterhin ein Desideratum der historischen Islamwissenschaft.
Anmerkung:
[1] al-Wāqidī, Muḥammad b. 'Umar: Futūḥ aš-Šām. Hg. H. al-Ḥāǧǧ. Kairo o. J. Diese Ausgabe stimmt wörtlich mit der Erstausgabe Hg. M. as-Samlūṭī Kairo 1865 [= 1282] überein.
Jens Scheiner